Burggrafschaft Nürnberg
Die Burggrafschaft Nürnberg war ein mittelalterliches Territorium im Heiligen Römischen Reich. Im 12. Jahrhundert wurde die Burggrafschaft von den Grafen von Raabs regiert, im 13. und 14. Jahrhundert von den Hohenzollern. 1427 erwarb die Reichsstadt Nürnberg die Burggrafenburg.
Entstehung und geschichtliche Entwicklung
Die Anfänge der Burggrafschaft Nürnberg gehen auf eine Reichsburg zurück, die in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts auf einem Sandsteinfelsen nahe der Pegnitz errichtet worden war. Vermutlich um ca. 1040 hatte König Heinrich III. den Bau dieser Burganlage veranlasst. Mit der Schaffung dieses im Bannbezirk des Reichswaldes gelegenen Stützpunktes verfolgte er die Absicht, den Einfluss des Bistums Bamberg wenigstens etwas zurückzudrängen; seine Vorgänger hatten das Bistum mit allzu großzügigen Schenkungen ausgestattet und damit weite Teile des fränkischen Raums der königlichen Herrschaft entzogen.
Um das Jahr 1105 wurden die aus einem niederösterreichischen Geschlecht stammenden Grafen von Raabs mit der Burg belehnt und als Burggrafen eingesetzt. In der Folgezeit schufen sie die Grundlage für ein umfangreiches Reichsterritorium, das um die Burg entstand und dann als die „Burggrafschaft Nürnberg“ bezeichnet wurde.
Als mit Konrad II. von Raabs um 1190 der letzte Graf von Raabs ohne männliche Nachkommen starb, trat sein Schwiegersohn Friedrich I. von Zollern seine Erbschaft an. Vermutlich noch im Jahr 1191 wurde er von König Heinrich VI. mit dem Burggrafenamt belehnt. Mit ihm trat eine Linie der aus Schwaben stammenden Grafen von Zollern die Herrschaft in der Burggrafschaft Nürnberg an. Das Territorium (bzw. die später daraus entstandenen Fürstentümer), das die Zollern während ihrer Zeit als Burggrafen erwarben und in der Folgezeit vergrößerten, regierten sie und zeitweilig einige ihrer Seitenlinien bis zum Ende des Alten Reiches 1806. Ab der Mitte des 14. Jahrhunderts bezeichneten sich die Zollern als Hohenzollern.
Durch eine geschickte Erwerbungspolitik bauten die Hohenzollern ihr Herrschaftsgebiet vor allem im Gebiet des heutigen Mittel- und Oberfranken zielstrebig aus. Durch die Beerbung der Grafen von Abenberg gelangten sie 1236 in den Besitz von deren Stammburg Abenberg, von Cadolzburg, des alten Königsguts Riedfeld, der Keimzelle von Neustadt an der Aisch, und auch der Schirmherrschaft über das Kloster Heilsbronn. Ebenfalls durch Erbschaft kamen sie 1248 mit Bayreuth in den Besitz des nordöstlichen Teils der oberfränkischen Besitzungen der Grafen von Andechs-Meranien. Eine vorbildliche Finanzpolitik ermöglichte den Hohenzollern weitere umfangreiche Neuerwerbungen. 1285 gelangte Wunsiedel in ihren Besitz, 1292 Arzberg, 1338 Schauenstein/Helmbrechts, 1373 Münchberg und Hof, 1402 Erlangen und schließlich 1412 Selb. Damit erweiterten sie das sogenannte „obergebirgische Land“[2] zu einem relativ geschlossenen Territorium.
Kurzzeitig, von 1353 bis 1374, hatten sie Beisitz an Teilen der Pflege Coburg, u. a. an Eisfeld.
Auch im „untergebirgischen Land“ gelang es den Hohenzollern in wenigen Jahrzehnten, einen umfangreichen Gebietszuwachs zu erzielen. 1331 erlangten sie die Vogtei über die spätere Residenzstadt Ansbach. Weitere Erwerbungen waren die Städte und Märkte Feuchtwangen, Uffenheim, Crailsheim, Creglingen, Kitzingen, Marktsteft, Schwabach, Leutershausen und Gunzenhausen.
Sogar in Niederösterreich konnten die Burggrafen von Nürnberg die später so genannten „Brandenburgischen“ Lehen erwerben, so Höflein an der Hohen Wand von 1320 bis etwa 1446. Bereits 1273 war den Hohenzollern von Rudolf I. von Habsburg das kaiserliche Landgericht in Nürnberg verliehen worden. Es entwickelte sich zu einem der wichtigsten Instrumente ihres politischen Einflusses. Im 15. Jahrhundert wurde es in den neuen Regierungssitz Ansbach verlegt.
Durch die immer größeren Machtansprüche der Hohenzollern kam es zunehmend aber auch zu Konflikten mit anderen Reichsständen, wie den bayerischen Wittelsbachern, dem Bischof von Würzburg und der Reichsstadt Nürnberg. 1420 eskalierten diese Auseinandersetzungen in der Zerstörung der Nürnberger Burggrafenburg durch Truppen des Herzogs Ludwig VII. von Bayern-Ingolstadt. Sie wurde danach von den Hohenzollern nicht mehr wiederaufgebaut, sondern 1427 mitsamt dem Burggrafenamt der Reichsstadt Nürnberg verkauft. Schon 1260 hatten die Burggrafen ihren Wohnsitz auf die Cadolzburg verlegt.
Obwohl die fränkischen Hohenzollern auch danach noch den Namenszusatz „Burggraf zu Nürnberg“ in ihrem Titel führten, bedeutete dieser Verkauf letztendlich doch das Ende der staatsrechtlichen Existenz der Burggrafschaft Nürnberg. Aus ihrem Territorium gingen in der Folgezeit die beiden hohenzollernschen Markgraftümer Brandenburg-Ansbach und Brandenburg-Kulmbach hervor.
In der weiteren Entwicklung kamen die ehemaligen Nürnberger Burggrafen aus dem Hause Zollern über den in Ansbach geborenen Albrecht von Brandenburg-Ansbach zu Preußen. Albrecht von Brandenburg-Ansbach, der 1511 zum letzten Hochmeister des Deutschen Ordens im Deutschordensland gewählt wurde, säkularisierte Preußen 1525 zu einem erblichen Herzogtum, aus dem später das Königreich Preußen entstand, dessen Könige von 1871 bis 1918 die Kaiser des Deutschen Reiches waren.
Liste der Burggrafen
Überliefert sind die Burggrafen aus der Familie von Raabs für die Zeit von 1105 bis 1191. Jahresangaben sind in diesem Zeitraum als ungefähre Angaben zu verstehen. Nachdem Konrad II. von Raabs ohne männliche Nachkommen gestorben war, ging der Besitz über die Vermählung seiner Tochter Sophia von Raabs mit Friedrich an die Hohenzollern über.
Burggrafen aus der Familie von Raabs |
von | bis | Lebensdaten | Anmerkungen |
---|---|---|---|---|
Gottfried II. von Raabs | 1105 | 1137 | † um 1137 | |
Konrad I. von Raabs | 1137 | 1143 | † um 1143 | |
Gottfried III. von Raabs | 1143 | 1160 | † um 1160 | |
Konrad II. von Raabs | 1160 | 1191 | * um 1125/30; † um 1191 | Ohne männliche Nachkommen |
Burggrafen aus der Familie der Hohenzollern |
von | bis | Lebensdaten | Anmerkungen |
Friedrich I. | 1192 | 1200 | 1139–1200 | Friedrich III. von Zollern war mit der Erbtochter Sophia von Raabs verheiratet und trat als Schwiegersohn das Erbe an. Er wurde vermutlich noch 1191 von Kaiser Heinrich VI. mit dem Burggrafenamt belehnt. |
Friedrich II. | 1204 | 1218 | 1188–1255 | Fortführung der schwäbischen Hohenzollern |
Konrad I. | 1218 | 1261 | um 1186–um 1261 | Bruder von Friedrich II., ab jetzt eine getrennte Entwicklung der fränkischen Hohenzollern |
Friedrich III. | 1261 | 1297 | um 1220–1297 | |
Johann I. | 1297 | 1300 | um 1279–1300 | |
Friedrich IV. | 1300 | 1332 | 1287–1332 | Bruder von Johann I. |
Johann II. | 1332 | 1357 | 1309–1357 | |
Friedrich V. | 1357 | 1397 | 1333–1398 | |
Johann III. | 1397 | 1420 | 1369–1420 | Ohne männliche Nachkommen, Entstehung des späteren Fürstentums Bayreuth |
Friedrich VI. | 1397 | 1427 | 1371–1440 | Jüngerer Bruder von Johann III., als Friedrich I. erster Kurfürst von Brandenburg aus dem Haus Hohenzollern, Entstehung des späteren Fürstentums Ansbach |
Die fränkischen Hohenzollern
Die Geschichte der Burggrafschaft Nürnberg hat für die Hohenzollern eine besondere Bedeutung. Bis zum Ende des 12. Jahrhunderts gab es nur die schwäbischen Hohenzollern. Zuerst spalteten sich die fränkischen Hohenzollern ab. Sie fungierten als Burggrafen von Nürnberg. Ein Burggraf unterstand im Mittelalter direkt dem König oder Landesherren. Mit Konrad I. nahmen die fränkischen Hohenzollern eine eigenständige Entwicklung. Friedrich II., zuvor der Burggraf, führte die schwäbischen Hohenzollern fort. Das Burggrafenamt und die Burggrafenburg gingen 1427 durch Veräußerung an die Reichsstadt Nürnberg. Aus dem nicht verkauften „obergebirgischen Land“ ging das spätere Fürstentum Bayreuth hervor. Das spätere Fürstentum Ansbach entstand aus dem auch nicht abgegebenen „untergebirgischen Land“. Die ersten Regenten waren Johann III. von Nürnberg respektive Friedrich VI. von Nürnberg. Beide waren Söhne des 1398 verstorbenen Friedrich V. Der jüngere Sohn Friedrich VI. wurde zugleich erster Kurfürst von Brandenburg. Somit war die Trennung in die schwäbischen und brandenburgisch-preußischen Hohenzollern vollzogen, wie sie auch heute noch existiert. Unter Christian Friedrich Karl Alexander, seit 1757 Markgraf von Brandenburg-Ansbach und seit 1769 Markgraf von Brandenburg-Bayreuth, wurden als letztem Regenten die beiden fränkischen Fürstentümer Bayreuth und Ansbach wieder zusammengeführt. Er war kinderlos und verkaufte die Fürstentümer 1791 an Preußen. Ansbach fiel 1806 an das Königreich Bayern, Bayreuth 1810.
Geografie
Territoriale Gliederung
Bereits von 1357 bis 1361 war es zu einer ersten kurzfristigen Teilung der Burggrafschaft Nürnberg gekommen. 1397 fand eine erneute Zweiteilung des Gebietes statt, die zunächst aber ebenso vorübergehend blieb und bis zum Jahr 1420 andauerte. Mit dieser Teilung entstanden zwei neue Territorien, das „obergebirgische“ und das „untergebirgische Land“. Mit dem Gebirge, auf das sich die Namen der beiden Gebiete bezog, war das Muggendorfer Gebirge gemeint, die damals übliche Bezeichnung der Fränkischen Schweiz.
Obergebirgisches Land
Das obergebirgische Land lag hauptsächlich im Gebiet des heutigen Oberfranken. Dieser Landesteil wurde auch „Land auf dem Gebirge und in Vogtland“ genannt. 1437 wurden diesem Gebiet erstmals auch einige untergebirgische Ämter (Neustadt an der Aisch, Dachsbach, Emskirchen, Wernsberg, Rennhofen und Hagenbüchach) angegliedert, die später als das „Unterland“ des obergebirgischen Landesteils bezeichnet wurden. Nach dieser Gebietserweiterung wurde der hauptsächlich in Oberfranken gelegene Teil das „Oberland“ genannt. Der Hauptort des obergebirgischen Landes war anfangs Bayreuth, der Regierungssitz wurde jedoch später auf die oberhalb von Kulmbach gelegene Plassenburg verlegt.[3] Aus dem obergebirgischen Land entwickelte sich in der Folgezeit das Fürstentum Kulmbach – ab 1604 bezeichnet als Fürstentum Bayreuth. Es werden auch die Bezeichnungen Brandenburg-Kulmbach und später Brandenburg-Bayreuth verwendet.
Untergebirgisches Land
Das untergebirgische Land hatte seinen geografischen Schwerpunkt im heutigen Mittelfranken und wurde auch als „Land zu Franken“ bezeichnet. Nach der 1437 erfolgten Übergabe einiger Ämter an den obergebirgischen Landesteil wurde es auch als das sogenannte „Niederland“ bezeichnet. Die Residenzstadt des untergebirgischen Landes war zunächst Cadolzburg, seit 1385 Ansbach. Aus dem untergebirgischen Land entwickelte sich in der Folgezeit das Fürstentum Ansbach (auch Brandenburg-Ansbach).
Siehe auch
- Stammliste der Hohenzollern, dort die fränkischen Hohenzollern
- Burggräflich Nürnberger Lehen in Österreich
Literatur
- Alois Gerlich, Franz Machilek: Die Herrschaft der Zollern in Franken (Burggrafschaft Nürnberg, Markgraftümer Brandenburg-Ansbach und Brandenburg-Kulmbach), in: Max Spindler, Andreas Kraus (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. 3. Band, 1. Teil: Geschichte Frankens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, München 3. Auflage 1997, ISBN 3-406-39451-5, S. 579–600.
- Max Spindler, Gertrud Diepolder: Bayerischer Geschichtsatlas. Bayerischer Schulbuch-Verlag, München 1969
- Gerhard Taddey (Hrsg.): Lexikon der deutschen Geschichte. Ereignisse, Institutionen, Personen. Von den Anfängen bis zur Kapitulation 1945. 3., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 1998, ISBN 3-520-81303-3.
- Markus Twellenkamp: Die Burggrafen von Nürnberg und das deutsche Königtum (1273–1417). (= Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landgeschichte; Band 54). Korn und Berg, Nürnberg 1994. ISBN 3-87432-129-0 (zugl. Dissertation, Universität Bonn 1993)
- Christian Meyer: Die Herkunft der Burggrafen von Nürnberg, der Ahnherren des deutschen Kaiserhauses. Brügel, Ansbach 1889. Digitalisat
- Johannes Müllner: Die Annalen der Reichsstadt Nürnberg von 1623, Teil II: Von 1351-1469. Nürnberg 1972.
- Carl Wilhelm Schnitzlein: Selecta Norimbergensia oder Sammlung verschiedener kleiner Ausführungen und Urkunden größtentheils nicht gedruckt, dienlich die Geschichte des Burggrafthumbs und der Stadt Nürnberg zu erläutern Band 5, 1774. Digitalisat
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Ludwig Karl Schmid: Geschichte der Grafen von Zollern-Hohenberg und ihrer Grafschaft nach meist ungedrucken Quellen. Gebrüder Scheitlin, 1862, S. LIV (google.de [abgerufen am 3. Mai 2022]).
- ↑ vergleiche auch Ritterkanton Gebürg
- ↑ Geschichte Frankens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. In: Sigmund Benker, Andreas Kraus (Hrsg.): Handbuch der bayerischen Geschichte. Beck, München 1997, ISBN 3-406-39451-5, S. 591.