Herzogtum Bayern (HRR)
Das Herzogtum Bayern war ein Herzogtum innerhalb des Heiligen Römischen Reiches, das als Territorialherzogtum im Wesentlichen im Gebiet des heutigen Freistaats Bayern lag, aber auch das heute zu Österreich gehörende Innviertel und Tiroler Unterland umfasste. Hauptstadt und Residenz war München sowie zur Zeit der Teilherzogtümer auch Landshut, Ingolstadt und Straubing.
Vorläufer war das bairische Stammesherzogtum. Ab 1180 stellte die Dynastie der Wittelsbacher die Herrscher Bayerns, wobei es vom 12. bis 15. Jahrhundert zu mehreren Landesteilungen kam, die erst durch das Primogeniturgesetz von 1506 ein Ende fanden. In der Gegenreformation nahm Bayern eine führende Stellung ein und ging aus dem Dreißigjährigen Krieg mit Gebietsgewinnen hervor. 1623 erfolgte der Aufstieg Bayerns zum Kurfürstentum. Seit dieser Erlangung der Kurwürde für die Herzöge von Bayern im Jahr 1623 bis zum Erlöschen der bayerischen Kurwürde 1806 wird daher vom Kurfürstentum Bayern gesprochen, auch wenn das Herzogtum de jure weiterbestand.
Geschichte
Vorgeschichte
Vorläufer des Territorialherzogtums Bayern war das bairische Stammesherzogtum, das sich bis in die Jahre 551/555 zurückverfolgen lässt. 976 wurde ein neu geschaffenes Herzogtum Kärnten von Baiern abgetrennt. 1154 wurde das Herzogtum um die Marcha Orientalis verkleinert und dem Welfen Heinrich dem Löwen übergeben. 1180 endete mit der Verbannung Heinrichs des Löwen und der Abtrennung der Steiermark als eigenes Herzogtum das „jüngere bairische Stammesherzogtum“.
Bayerns Anfänge als Territorialstaat
Von 1180 bis 1918 stellten die Wittelsbacher die Herrscher Bayerns, zunächst als Herzöge, später als Kurfürsten und Könige.[1] Als 1180 Pfalzgraf Otto VI. von Wittelsbach als Otto I. Herzog von Bayern wurde, war der Eigenbesitz der Wittelsbacher eher gering. Ein Versuch, die 1180 von Bayern losgelöste Steiermark wieder zu erwerben, scheiterte später endgültig durch die Erfolglosigkeit des aus Bayern unterstützten Aufstandes des steirischen Adels im Landsberger Bund gegen Herzog Albrecht I. In der Folgezeit wurde der Besitz der Wittelsbacher aber durch Kauf, Heirat, Erbschaft erheblich erweitert. 1214 wurde dazu Ottos Sohn Ludwig I. von Wittelsbach mit der Pfalzgrafschaft bei Rhein belehnt. Neu erworbenes Land wurde nicht mehr als Lehen vergeben, sondern durch eigene Dienstleute verwaltet. Auch starben in dieser Zeit mächtige Grafengeschlechter, wie die der Grafen von Andechs und von Bogen aus. Als 1248 mit Otto von Meranien die Grafen von Andechs ausstarben, kam der ehemalige südwestliche Landesteil nicht an Bayern zurück, sondern fiel an die Grafen von Tirol. Der herzogliche Vorort hatte sich in dieser Zeit mehrfach verschoben, zunächst unter den ersten beiden Wittelsbachern von Regensburg nach Kelheim und dann bis 1255 nach Landshut.
Landesteilungen und Kaisertum
Da es bei den Wittelsbachern wie bei vielen Herrscherhäusern dieser Zeit keine Bevorzugung des Erstgeborenen bei der Erbfolge gab, kam es 1255 zur Teilung in Oberbayern mit der Pfalz, den Nordgau mit Sitz in München und Heidelberg und Niederbayern mit Sitz in Landshut und Burghausen. Darauf geht noch heute die Unterscheidung von Ober- und Niederbayern (vergleiche Regierungsbezirke) zurück. Herzog Ludwig der Strenge von Oberbayern profitierte 1268 vom Tode seines Neffen Konradin, erstmals fielen dadurch Gebiete des Herzogtums Schwaben an die Wittelsbacher. Mit der Anerkennung der Grenzen zu Salzburg (im heutigen Rupertiwinkel) durch Ludwigs Bruder Herzog Heinrich XIII. begann der letzte Abschnitt der Ablösung des Erzbistums Salzburg von Bayern. 1275 wurde Salzburgs westliche Grenze zum Chiemgau durch den niederbayerischen Herzog bestätigt. Als der Salzburger Erzbischof 1328 eine eigene Landesordnung erließ, wurde Salzburg ein weitgehend unabhängiger Staat innerhalb des Heiligen Römischen Reiches.
Durch die Schnaitbacher Urkunde und die Ottonische Handfeste gewährten die Wittelsbacher den Landständen wegen finanzieller Schwierigkeiten zu Beginn des 14. Jahrhunderts ihre Rechte.
1340 starben die niederbayerischen Herzöge aus und wurden vom oberbayerischen Herzog beerbt. Vor mehreren erneuten Landesteilungen ab 1349 erlangte Bayern mit dem oberbayerischen Herzog Ludwig IV. dem Bayern einen neuen Höhepunkt der Macht, als dieser 1314 deutscher König wurde und als erster Wittelsbacher 1328 die Kaiserwürde erhielt.[2] Die von ihm neu hinzugewonnenen Gebiete Brandenburg (1323), Tirol (1342), Holland, Zeeland und Friesland sowie das Hennegau (1345) gingen jedoch unter seinen Nachfolgern wieder verloren. Tirol fiel bereits 1369 mit dem Vertrag von Schärding an die Habsburger, in Brandenburg folgten 1373 die Luxemburger, und die niederländischen Grafschaften fielen 1436 an Burgund. Im Hausvertrag von Pavia von 1329 teilte Kaiser Ludwig den Besitz in eine pfälzische Linie mit der Rheinpfalz und der später so genannten Oberpfalz und in eine altbaierische Linie auf. Mit der Goldenen Bulle von 1356 ging auch die Kurfürstenwürde bis 1628 für die altbaierische Linie an die Pfalz verloren. Erst 1777 wurden Bayern und Pfalz wieder vereint.
Bayerns spätmittelalterliche Teilherzogtümer
Im 14. und 15. Jahrhundert wurden Oberbayern und Niederbayern wiederholt geteilt. Nach der Teilung von 1392 existierten vier Herzogtümer: Niederbayern-Straubing, Niederbayern-Landshut, Oberbayern-Ingolstadt und Oberbayern-München, deren Herzöge nicht selten gegeneinander Krieg führten.[3] 1429 wurde durch den Preßburger Schiedsspruch Niederbayern-Straubing zwischen Ludwig VII. dem Gebarteten von Bayern-Ingolstadt, Heinrich dem Reichen von Bayern-Landshut sowie Ernst und Wilhelm III. von Bayern-München aufgeteilt. Nach dem Tode Ludwig VII. 1447 fiel ganz Oberbayern-Ingolstadt an die Landshuter Linie.
Während der römisch-deutsche Kaiser Friedrich III. seit 1477 in einen katastrophal verlaufenden Krieg mit König Matthias Corvinus von Ungarn verwickelt war, gewannen die bayerischen Herzöge aus dem Haus Wittelsbach in Süddeutschland an Macht und Ansehen. Friedrich III. verlor schließlich alle seine Ländereien an den König von Ungarn, musste fast völlig mittellos im Reich umherziehen und sich von Klöstern aushalten lassen. Sein Neffe, Herzog Sigmund von Österreich, verpfändete inzwischen die Grafschaft Tirol an die bayerischen Herzöge und verkaufte ihnen 1487 Vorderösterreich mit Ausnahme von Vorarlberg.
In dieser Situation schritt Kaiser Friedrich III. ein, setzte Sigmund unter Vormundschaft und vertrieb alle wittelsbachisch gesinnten Adligen aus dessen Ländern. Darunter befanden sich einige Herren, die im Burgrecht mit der Eidgenossenschaft standen, z. B. Graf Georg von Sargans und Graf Gaudenz von Matsch, die in der Eidgenossenschaft daraufhin Stimmung gegen Habsburg machten. Um den Wittelsbachern entgegenzutreten, vereinigten sich 1488 auf habsburgische Initiative die süddeutschen Reichsstädte, der in der Adelsgesellschaft des St. Georgenschilds vereinigte süddeutsche Adel, der Graf von Württemberg und die Lande Sigmunds, Vorderösterreich und Tirol, im Schwäbischen Bund. Die Eidgenossen schlugen die Einladung zum Beitritt aus. Der Schwäbische Bund war nun neben der Eidgenossenschaft und dem Herzogtum Bayern die stärkste Macht in Süddeutschland. 1491 schloss die Eidgenossenschaft auf Betreiben Frankreichs einen Freundschafts- und Neutralitätsvertrag mit den Herzögen von Bayern ab.
Während sich der Landshuter Herzog Georg schon zuvor zurückgezogen hatte, stand bei Kaufering das Heer Bayern-Münchens Mitte Mai 1492 den zahlenmäßig überlegenen Truppen des Schwäbischen Bundes gegenüber; 1492 gab Herzog Albrecht daraufhin die besetzte Reichsgrafschaft Abensberg und die Stadt Regensburg im Frieden von Augsburg zurück. Kaiser Friedrich III. hatte in der Zwischenzeit seinen Sohn Maximilian 1486 zum deutschen König wählen lassen. Dieser war durch seine Ehe mit Maria von Burgund, der Tochter Karls des Kühnen, in den Besitz der Niederlande und des Herzogtums Burgund gelangt und gewann bedeutend an Macht. 1500 trat Herzog Albrecht selbst dem Schwäbischen Bund bei.
Chronologie der Herzöge
Bayern-München ist blau, Bayern-Ingolstadt grün, Bayern-Landshut gelb und Straubing-Holland rot dargestellt.
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Das Ende der Teilungen
Herzog Albrecht IV. von Oberbayern-München vereinigte nach dem verheerenden Landshuter Erbfolgekrieg von 1504/05 Altbayern im Jahr 1506 wieder. Durch ein Primogeniturgesetz beendete er die Teilungen. Allerdings gingen 1504 die ursprünglich bayerischen Ämter Kufstein, Kitzbühel und Rattenberg an Tirol verloren. In den drei genannten Gerichtsbezirken galt aber bis in das 19. Jahrhundert weiterhin das Landrecht Ludwigs des Bayern, so dass diese innerhalb Tirols eine juristische Sonderstellung einnahmen. Auch das Gebiet um den Mondsee ging damals an Habsburg verloren. Mit Pfalz-Neuburg entstand aus weiteren Landshuter Gebieten ein unabhängiges Fürstentum.
Die Vitztumsämter wurden 1507 im Zuge einer großen Verwaltungsreform nach dem Landshuter Erbfolgekrieg in Rentämter umgewandelt, die in Bayern neben der Finanzverwaltung auch für juristische, administrative und militärische Aufgaben zuständig waren[4]:
Das Herzogtum stand auf dem Reichstag an zweiter Stelle im Reichsfürstenrat, ab 1623 war es im Kurfürstenrat vertreten. Gemäß Reichsmatrikel (1521) stellte es 60 Soldaten zu Pferd und 277 zu Fuß. Es gehörte seit der Gründung im Jahr 1500 zum Bayerischen Reichskreis und stellte meist den Kreisobristen.
Bayern im Zeitalter der Gegenreformation
In Altbayern verhinderten die bayerischen Herzöge eine größere Ausbreitung der Reformation. Wilhelm IV. ließ sich bereits 1524 vom Papst durch die Abtretung der Hoheitsrechte über die bayerischen Bischöfe und der Einkünfte der kirchlichen Institute für die Sache des Katholizismus gewinnen und war einer der eifrigsten Gegner der Reformation, die er in seinem Land nicht aufkommen ließ. Er nahm auf Seiten Karls V. am Schmalkaldischen Krieg teil.
Jedoch führten auch in Bayern einzelne Territorialherren wie die Grafen von Ortenburg, Neuburg und von Haag, der Herzog von Pfalz-Neuburg und die Herrschaft Hohenwaldeck das lutherische Bekenntnis ein. Um der weiteren Ausbreitung in Altbayern entgegenzuwirken, führte der bayerische Herzog Albrecht V. 1564 einen Gerichtsprozess gegen die sogenannte Bayerische Adelsverschwörung. In Franken breitete sich die Reformation rasch aus, und auch in Ostschwaben fand sie vor allem in Städten wie Augsburg zahlreiche Anhänger, ebenso in der Oberpfalz, die unter der Herrschaft der protestantischen Kurfürsten der Pfalz stand. 1571 wurden von Herzog Albrecht V. alle Lutheraner des Landes verwiesen. Ab 1542 machten die Jesuiten die 1472 gegründete Landesuniversität Ingolstadt zu einem Zentrum der Gegenreformation.[5] Den Ingolstädter Theologe Johannes Eck war ein bekannter Gegner Martin Luthers.
Wilhelm V. beteiligte sich erfolgreich am Krieg gegen den protestantisch gewordenen Erzbischof von Köln, für fast zweihundert Jahre stellten seither bayerische Prinzen den Kölner Kurfürsten. Ab 1577 wurden die Stände, die für die Bewilligung der Steuern für den Herzog zuständig waren, nicht mehr regelmäßig einberufen. Dies führte Bayern an den Rand des finanziellen Ruins und zur Abdankung des Herzogs.[6]
Wilhelms Sohn Maximilian I. entmachtete die Stände, indem er sie durch einen Beamtenapparat ersetzte, der Verwaltung und Finanzen übernahm. Gleichzeitig führte er im Rahmen der Gegenreformation ein kirchliches Polizeiregiment ein.[7]
Bayerns Aufstieg zum Kurfürstentum im Dreißigjährigen Krieg
1607 besetzte der Bayernherzog nach der Störung der katholischen Markusprozession durch Protestanten die freie Reichsstadt Donauwörth und verleibte sie seinem Herzogtum ein. Dies war Anlass für die protestantischen Fürsten und Städte, sich unter Führung des calvinistischen Kurfürsten und Wittelsbachers Friedrich von der Pfalz zur Union zusammenzuschließen. Entsprechend schlossen sich 1609 die katholischen Kräfte unter Führung des bayerischen Herzogs Maximilian I. zur Liga zusammen.
Im Jahr 1619 verbündete sich der bayerische Herzog mit Kaiser Ferdinand II. gegen die protestantischen böhmischen Stände und den von ihnen gewählten Gegenkönig, den Pfälzer Kurfürsten Friedrich V. In der Schlacht am Weißen Berge bei Prag besiegten die Truppen der Liga unter Führung des bayerischen Feldherrn Tilly 1620 die Protestanten. Anschließend ließ Tilly die Pfalz besetzen. Als Dank erhielt Maximilian I. 1623 die Pfälzer Kurwürde und 1628 die von ihm besetzte Oberpfalz als Kriegsentschädigung. Im weiteren Verlauf des Dreißigjährigen Krieges wurde Bayern 1632/34 und 1648 von feindlichen Truppen besetzt und verwüstet. Ostschwaben verlor seine bisherige politische Bedeutung durch die Zerstörungen fast völlig. Die Reichsgrafschaft Wiesensteig in Schwaben fiel zu zwei Dritteln 1642 durch Kauf an Bayern und zu einem Drittel an die Fürsten von Fürstenberg, die ihren Anteil 1752 ebenfalls an Kurbayern veräußerten.[8]
Im Westfälischen Frieden von 1648 wurden die Kurfürstenwürde und die Gebietsgewinne Bayerns bestätigt. Seit der Erlangung der Kurwürde durch die Herzöge von Bayern bis zum Erlöschen der bayerischen Kurwürde 1806 wird vom Kurfürstentum Bayern gesprochen, auch wenn das Herzogtum de jure weiterbestand.
Literatur
- Karl Bosl: Bayerische Geschichte. München 1979, ISBN 3-423-01541-1.
- Ernst Deuerlein: Geschichte Bayerns. Ploetz, Würzburg 1975, ISBN 3-87640-053-8.
- Max Spindler, Andreas Kraus (Hrsg.): Handbuch der bayerischen Geschichte. Beck, 4 Bände:
- Franz Brunhölzl: Das alte Bayern. Das Stammesherzogtum bis zum Ausgang des 12. Jahrhunderts. München 1981, ISBN 3-406-07322-0.
- Dieter Albrecht: Das alte Bayern. Der Territorialstaat vom Ausgang des 12. Jahrhunderts bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. München 1988, ISBN 3-406-32320-0.
Einzelnachweise
- ↑ Adalbert Prinz von Bayern: Die Wittelsbacher. Geschichte unserer Familie. 2. Auflage, Prestel, München 1980, ISBN 3-7913-0476-3.
- ↑ Konrad Ackermann, Walter Jaroschka (Hrsg.): Ludwig der Bayer als bayerischer Landesherr. Probleme und Stand der Forschung. Festschrift für Walter Ziegler (= Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte. Band 60,1). Beck, München 1997 (Digitalisat).
- ↑ Beatrix Ettelt: Der Teilungsvertrag vom 19. November 1392. In: Siegfried Hofmann, Beatrix Ettelt (Hrsg.): Bayern-Ingolstadt, Bayern-Landshut 1392–1506. Glanz und Elend einer Teilung. Stadtarchiv Ingolstadt, Ingolstadt 1992, ISBN 3-932113-06-3, S. 9–17.
- ↑ Georg Ferchl: Bayerische Behörden und Beamte 1550-1804, in: Oberbayerisches Archiv Band 53 (1908–12).
- ↑ Gerhard Wilczek: Epochen der Universität Ingolstadt. Wilczek, Ingolstadt 1998, DNB 954646363.
- ↑ Friedrich Anton Wilhelm Schreiber: Geschichte des bayerischen Herzogs Wilhelm V. des Frommen nach Quellen und Urkunden dargestellt. Ein Beitrag zur vaterländischen Geschichte, München 1860 (Online-Digitalisat der BSB).
- ↑ Felix Stieve: Das kirchliche Polizeiregiment in Baiern unter Maximilian I. München 1876. (Reprint: Verlag Nabu Press, 2010, ISBN 978-1-147-52879-4).
- ↑ Siegfried Hermle: Reformation und Gegenreformation in der Reichsgrafschaft Wiesensteig. Anton H. Konrad Verlag, Weißenhorn 1996, ISBN 978-3-87437-391-3.