Census of Antique Works of Art and Architecture Known in the Renaissance

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Der Census of Antique Works of Art and Architecture Known in the Renaissance (kurz: Census) ist ein interdisziplinäres Forschungsprojekt, das dem Forschungsfeld der Antikenrezeption in der Renaissance gewidmet ist. Zentraler Bestandteil des Projekts ist die Datenbank, in der die in der Renaissance bekannten antiken Bild- und Bauwerke und die zugehörigen frühneuzeitlichen Dokumente erfasst und miteinander verknüpft werden. Das Projekt ist am Institut für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin angesiedelt.

Aufgabe

Der Census ging aus dem Gedanken hervor, mehr Klarheit über die tatsächlichen Antikenkenntnisse der Künstler der Renaissance zu schaffen. Seit seiner Gründung verfolgt das Projekt daher das Ziel, alle in der Renaissance bekannten antiken Monumente und die sie rezipierenden frühneuzeitlichen Dokumente zu erfassen. Im Jahr 2015 enthielt die Census-Datenbank ca. 15.000 Datensätze antiker Bild- und Bauwerke sowie ca. 36.000 Bild- und Schriftquellen aus der Renaissance[1] und wird bis heute ständig erweitert. Die antiken Monumente umfassen Skulptur und Plastik, Architektur, Inschriften, Münzen, Malerei und Mosaiken. Unter den Renaissancedokumenten finden sich neben Zeichnungen, Druckgraphiken, Skulpturen, Gemälden und Medaillen auch Sammlungsinventare, Reiseberichte, Künstlerviten und archivalische Dokumente.

Bis auf die Ausweitung des betrachteten Zeitraums und die Erweiterung der Datenbank um die antike Architektur und Münzen, hat sich die inhaltliche Ausrichtung des Census bis heute nicht verändert. Durch die Kooperationen des Projekts mit dem Corpus Winckelmann und dem Corpus Medii Aevi weitet sich die Zeitspanne der Census-Datenbank außerdem vom Mittelalter über die Renaissance bis ins 18. Jahrhundert aus.

Geschichte

Der Census entstand 1946 am Warburg Institute in London als Kooperationsprojekt mit dem Institute of Fine Arts an der New York University. Initiiert wurde das Projekt von den Kunsthistorikern Fritz Saxl und Richard Krautheimer und dem Archäologen Karl Lehmann, mit dem Ziel, ein dokumentarisches Forschungsinstrument für ein besseres Verständnis vom Nachleben der Antike in der Renaissance zu entwickeln. Für die Umsetzung ihrer Idee konnten sie die Archäologin Phyllis Pray Bober gewinnen, die ab 1947 am Aufbau eines Karteikartensystems arbeitete. Die antiken Monumente wurden in alphabetischer Ordnung und nach Gattungen getrennt auf den Karteikarten verzeichnet und neben Angaben zur Datierung, Autorschaft, Ikonographie etc. die zugehörigen Bild- und Schriftquellen aus der Renaissance erfasst. In der Anfangszeit lag der Fokus vorerst auf der antiken Skulptur und ihrer frühneuzeitlichen Dokumentation in Texten und Zeichnungen. Ab 1954 wurden die handschriftlichen Karteneinträge durch fotografische Aufnahmen der Monumente und Reproduktionen der Renaissancedokumente aus der Fotothek des Warburg Institute ergänzt.

Neben Bober, die stets in New York für das Projekt gearbeitet hatte, erhielt der Census im Jahr 1957 durch Ruth Rubinstein am Warburg Institute in London eine weitere langjährige Protagonistin. Ab diesem Zeitpunkt wurden in New York und London zwei parallele Karteien und Fotosammlungen fortgeführt. Aus Forschungen im Umfeld des Census gingen in der Folge zahlreiche Editionen von Renaissanceskizzenbüchern hervor. Zu den wichtigsten Publikationen, die im Rahmen des Census-Projekts entstanden sind, gehört das gemeinsam von Bober und Rubinstein selbst erarbeitete „Handbuch“ (Renaissance Artists and Antique Sculpture: A Handbook of Sources), das 1986 erschien.

Im Zuge der Kooperation des Census mit der Bibliotheca Hertziana in Rom ab Anfang der 1980er Jahre wurde das Forschungsprojekt nun auch auf die antiken und in der Renaissance bekannten Bauwerke ausgeweitet. Gleichzeitig wurde die schon kurz zuvor entstandene Idee, das analoge Karteikartensystem in eine computergestützte Datenbank umzuwandeln, wiederaufgenommen. Mithilfe des neu gestarteten Art History Information Program des Getty Center for the History of Art and the Humanities (heute Getty Research Institute) wurde ab 1981 die erste Census-Datenbank entwickelt und programmiert. Unter der Leitung von Arnold Nesselrath in Rom und in Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Informatiker Rick Holt wurden ein objektrelationales Datenmodell erarbeitet und eine Software für UNIX-Systeme programmiert, was einen Datenzugriff nicht mehr allein über die Monumente, sondern von allen Seiten her ermöglichte.

Mit dem Ende der Förderung durch die Bibliotheca Hertziana wechselte der Census 1995 an die Humboldt-Universität zu Berlin, wo sich Horst Bredekamp erfolgreich für die Angliederung des Projekts an das Kunstgeschichtliche Seminar (heute Institut für Kunst- und Bildgeschichte) eingesetzt hatte. Zusätzlich erhielt das Census-Projekt eine Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). In den Folgejahren wurde die Datenbank auf das MS-DOS basierte Datenbank-System Dyabola umgestellt und die Eingabe von mehreren PC-Arbeitsplätzen ermöglicht. 1998 erfolgte die erstmalige Veröffentlichung der Datenbank auf CD-ROM (später auf DVD), die durch jährliche Updates ergänzt wurde. Die erste Internet-Version der Census-Datenbank stand für Abonnenten ab 2000 zur Verfügung.

1999 erschien der Dokumentarfilm „Das Census-Projekt“, produziert von Ingo Langner und der Deutschen Welle, der die damalige Zeit der Neuerungen und Umwandlung des Projekts zeigt.

Nach Auslaufen der BMBF-Förderung wurde der Census 2003 in das Akademienprogramm der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften aufgenommen und war bis Ende 2017 ein Vorhaben der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, dessen Arbeitsstelle an der HU Berlin angesiedelt war. Während dieser Zeit wurde die Datenbank in eine webbasierte Software (easydb) überführt, sie ist seit 2007 im Open Access im Internet konsultierbar.

Im Juni 2020 übernahm die US-amerikanische Kunsthistorikerin Kathleen Christian die Leitung des Census. In den Jahren 2021–22 wird die Datenbanksoftware des Census aktualisiert und eine neue Benutzeroberfläche eingerichtet. Mit einem Pilotprojekt an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, das von der Senatskanzlei Berlin gefördert wird, steht derzeit das Ziel im Vordergrund, die Census Datenbank in Linked Open Data zu überführen.

Publikationen

Seit 1999 bringt der Census jährlich das mehrsprachige Periodikum Pegasus – Berliner Beiträge zum Nachleben der Antike heraus. Es dient hauptsächlich als Diskussionsforum für verschiedene mit der Antikenrezeption befasste Disziplinen und weitet den Blick auf alle nachantiken Epochen aus. Zudem werden hier Forschungsergebnisse präsentiert, die aus der Arbeit mit der Census-Datenbank hervorgegangen sind.

Außerdem erscheint in unregelmäßigen Abständen die Schriftenreihe Cyriacus – Studien zur Rezeption der Antike, die der Census gemeinsam mit der Winckelmann-Gesellschaft, Stendal, und dem Winckelmann-Institut für Klassische Archäologie der Humboldt-Universität zu Berlin herausgibt. Die Reihe dient als Publikationsplattform von Tagungsakten und monographischen Untersuchungen.

Kooperationen

Der Census steht in Kooperation mit den Projekten Corpus Winkelmann und Corpus Medii Aevi, die innerhalb derselben Datenbank die Antikenrezeption und -transformation anderer Epochen dokumentieren.

Das Corpus Winckelmann bzw. Corpus der antiken Denkmäler, die Johann Joachim Winckelmann und seine Zeit kannten ist eine Datenbank der Winckelmann-Gesellschaft und versammelt die Bild- und Schriftdokumente des 17. und 18. Jahrhunderts, insbesondere die Textzitate Johann Joachim Winckelmanns, die sich auf antike Monumente beziehen. Das Corpus Medii Aevi ist ein Projekt des Adolph-Goldschmidt-Zentrums zur Erforschung der romanischen Skulptur. Hier werden die Bildwerke des Mittelalters zusammengetragen, an denen sich die Rezeption und Transformation der Antike in der mittelalterlichen Kunst zeigt.

Literatur

  • Tatjana Bartsch: „distinctae per locos schedulae non agglutinatae“ – Das Census-Datenmodell und seine Vorgänger. In: Pegasus. Berliner Beiträge zum Nachleben der Antike, Heft 10, Berlin 2008, S. 223–260. PDF
  • Arnold Nesselrath: Ruth Rubinstein. 30.6.1924 – 29.8.2002. In: Pegasus. Berliner Beiträge zum Nachleben der Antike, Heft 4, Berlin 2003, S. 179–191. PDF
  • J. B. Trapp: The Census: its Past, its Present and its Future. In: Pegasus. Berliner Beiträge zum Nachleben der Antike, Heft 1, Berlin 1999, S. 11–21. PDF
  • J. B. Trapp: Phyllis Pray Bober. 2.12.1920 – 30.5.2002. In: Pegasus. Berliner Beiträge zum Nachleben der Antike, Heft 4, Berlin 2003, S. 167–178. PDF
  • Zur Geschichte des Census. In: http://www.census.de/geschichte/
  • Census Pilotprojekt In: https://www.bbaw.de/bbaw-digital/telota/forschungsprojekte-und-software/census-pilotprojekt

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Strauch, Timo: Von Flussgöttern, Rossebändigern und Tempeln. Auf den Spuren antiker Kunst und Architektur in der Renaissance. In: Jahrbuch der Heidelberger Akademie der Wissenschaften für 2015, S. 111. PDF