Chagossianer

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Chagossianer mit Kokosnussernte auf Diego Garcia, 1971

Die Chagossianer (auch: Chagossier, Chagos-Insulaner; in ihrer Sprache Sagosien) oder Îlois (in ihrer Sprache „Inselbewohner“) sind eine Volksgruppe von gemischter madegassischer, mosambikanischer, indischer und französischer Abstammung, die vom Ende des 18. Jahrhunderts an bis zu ihrer erzwungenen Umsiedlung Ende der 1960er Jahre auf Diego Garcia und weiteren Inseln des Chagos-Archipels ansässig war. Heute leben Tausende Menschen chagossianischer Abstammung hauptsächlich auf Mauritius sowie in Großbritannien und den Seychellen.

Ihre Sprache ist die auf dem Französischen basierende Kreolsprache Tschagos-Kreolisch.

Geschichte

1783 erhielt der einflussreiche Zucker- und Kokosplantagenbesitzer Pierre Marie Le Normand aus Mauritius von der damaligen französischen Kolonialmacht eine Konzession, um auf der unbewohnten Insel Diego Garcia eine Kokosplantage zu errichten. Ein Jahr darauf brachte ein Schiff 79 mosambikanische und madegassische Sklaven, einige qualifizierte freie schwarze Arbeiter und Baumaterialien für die Plantage auf die Insel. 1790–1810 wurden drei weitere Kokosplantagen und eine – ebenfalls mit Sklavenarbeit betriebene – Fischereisiedlung errichtet. Auch auf anderen Inseln des Chagos-Archipels wurden Plantagen aufgebaut und Sklaven importiert.

Anfang des 19. Jahrhunderts kam der Chagos-Archipel unter britische Kolonialherrschaft und wurde an die Kolonie Mauritius angeschlossen. 1826 bestand die Bevölkerung aus 375 Sklaven, neun Weißen, 22 freien Farbigen und 42 Leprakranken. Die meisten Chagossianer wanderten nach der Abschaffung der Sklaverei 1835 als Fischer, Bauern und Kokosplantagenarbeiter ein. Vor allem Kontraktarbeiter aus Indien kamen auf die Inseln und vermischten sich mit der bereits ansässigen Bevölkerung, die großenteils zum Katholizismus konvertierte. Bis 1880 war die Einwohnerzahl des Chagos-Archipels auf etwa 760 angewachsen.

Von der Außenwelt waren die Chagossianer weitgehend abgeschnitten, da gerade zwei-bis dreimal im Jahr reguläre Schiffsverbindungen bestanden, die Vorräte brachten, Einwohner und Einwanderer transportierten und Kopra und Kokosöl für den Verkauf in Mauritius mitnahmen. Dies änderte sich für wenige Jahre, als 1882 auf Diego Garcia eine Bekohlungsstation für Dampfschifffahrtslinien durch den Indischen Ozean gebaut wurde. Bis 1888 kamen so weitere Arbeiter aus Somalia, England, Griechenland und Italien, und regelmäßig legten Schiffe aus Australien und Europa an. Als die Station wegen finanzieller Probleme Ende der 1880er Jahre geschlossen wurde, kehrten die Chagos-Inseln zu ihrer Isolation zurück. In der Isolation bildete sich auch das eigene, französisch-basierte Tschagos-Kreolisch als Sprache der Chagossianer heraus, die mit dem Seselwa und dem Morisyen verwandt ist.

Umsiedlung

1965 wurde Mauritius unabhängig, während die Chagos-Inseln zum Britischen Territorium im Indischen Ozean wurden. Im darauffolgenden Jahr verpachtete Großbritannien den Archipel für 50 Jahre an die USA, die auf Diego Garcia einen Militärstützpunkt errichteten. Hierzu wurden die Inseln zum Sperrgebiet erklärt und die damals 1500 bis 2000 Chagossianer in den Jahren 1967 bis 1973 nach Mauritius und auf die Seychellen zwangsumgesiedelt. In Mauritius fanden die Umgesiedelten oftmals prekäre Lebensbedingungen vor. Heute leben dort unterschiedlichen Angaben zufolge 5000 bis 8000 Menschen chagossianischer Abstammung hauptsächlich in Slums bei Port Louis. Andere leben in Großbritannien oder auf den Seychellen.

Flagge der Chagossianer

Gerichtliche Auseinandersetzung um Rückkehrrecht

Bis heute kämpfen die Chagossianer vor britischen und internationalen Gerichten für ihr Recht auf Rückkehr. Im Jahr 2000 gab ihnen ein britisches Gericht Recht, was aber folgenlos blieb. 2002 unterzeichnete Außenminister Jack Straw ein Dokument, mit dem den Chagossianern die britische Staatsangehörigkeit erteilt wird. 2003 entschied der High Court in einem kontroversen Urteil, dass den Chagossianern keinerlei Entschädigung von Großbritannien zustehe. Im Jahr 2004 erließ die Königin Elisabeth II. eine Order-in-Council, die die Chagossianer aus ihrer Heimat verbannt. Im Mai 2006 erklärte das High Court of Justice diese Order-in-Council aber für rechtswidrig. Dies wiederum wurde von der Regierung angefochten und an das Appellationsgericht (Court of Appeal) weitergezogen. Im Februar 2007 drohte der Präsident von Mauritius, aus Protest gegen die „barbarische“ Behandlung der Chagossianer aus dem Commonwealth auszutreten.[1] Im Mai 2007 entschied der Court of Appeal zugunsten der Chagossianer.[2] Die Regierung appellierte weiter an das House of Lords[3], das 2008 gegen die Chagossianer entschied. Dagegen wurde Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erhoben.[4] Ende 2012 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass er keine Jurisdiktion über die Sache der Chagossianer habe.[5] Anfang 2013 reichten die Chagossianer Klage beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag gegen das Vereinigte Königreich ein.[6]

Im April 2006 konnte eine Gruppe von 100 Chagossianern auf Kosten des British Foreign Office den Chagos-Archipel besuchen.[7]

Im April 2012 wurde eine internationale Petition an die Vereinigten Staaten eingereicht, um das Weiße Haus darum zu bitten, den Fall der Chagossianer zu überprüfen. Eine offizielle Antwort wurde auf der Petitionsseite des Weißen Hauses veröffentlicht. Darin wird die Zuständigkeit für den Fall der Chagossianer an das Vereinigte Königreich verwiesen.[8]

Der Pachtvertrag mit den USA über den Chagos-Archipel wurde 2016 um zwanzig Jahre bis 2036 verlängert.

Weblinks

Einzelnachweise