Chain Home

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RAF-Basis Poling (West Sussex) im Jahr 1945: vor den Sendetürmen links das verbunkerte Senderhaus, rechts Empfangsantennen mit zugehörigem Gebäude

Chain Home (CH; deutsch: Heimat-Kette) war der Deckname eines Systems von Radar­stationen, die vom britischen Luftfahrtministerium (Air Ministry) vor und während des Zweiten Weltkrieges an den Küsten Großbritanniens zur Frühwarnung vor feindlichen Flugzeugen errichtet wurden.

Die gesamte Chain-Home-Radarkette bestand anfangs aus zwei Gerätetypen: dem AMES Type 1 (Air Ministry Experimental Station; deutsch: Experimentalstation des Luftfahrtministeriums Typ 1) mit einer Wellenlänge von 10 bis 13,5 Metern (Frequenz 30–22 MHz) im Zehnmeterband, die für die Frühwarnung von hochfliegenden Flugzeugen bis in 200 km Entfernung zuständig waren, und des mit 200 MHz auf einer Wellenlänge von 1,5 Metern im Ultrakurzwellenbereich arbeitenden Chain Home Low (CHL)/AMES Type 2, die eine geringere Reichweite von rund 80 km hatten, aber auch tieffliegende Maschinen bis zu 150 Metern Flughöhe über Grund erfassen konnten. Anfang 1943 kam das Chain Home Extra Low (CHEL; AMES Type 13 bzw. 14) zum Einsatz, das im Dezimeterwellenbereich mit Frequenzen um 3 GHz (10 cm Wellenlänge) arbeitete.

Überblick

Radarreichweite 1939–1940
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Der Chain-Home-Mast in Great Baddow

Von Mai bis August 1939 unternahm das deutsche Luftschiff LZ130 zwei Flüge entlang der britischen Küstenlinie, um zu untersuchen, ob die über 100 m hohen, von Portsmouth bis Scapa Flow errichteten Türme der Funkortung von Flugzeugen dienten. Von LZ130 aus wurde eine Reihe von Tests durchgeführt, vom Empfang von Radiowellen, Analyse der Magnetfelder und Radiofrequenzen bis zur Aufnahme von Fotos. Trotz einer umfangreichen Ausrüstung mit Messgeräten konnten keine einer Funkortung zugehörigen Ausstrahlungen festgestellt werden, da man den falschen Frequenzbereich oberhalb 200 MHz (Dezimeterwelle) beobachtete, der damals von den Briten noch nicht benutzt wurde. Das Ergebnis der beiden Aufklärungsflüge war, dass die hohen Türme an der Küste nicht zu einem Radarnetz gehören würden, sondern ein Funknetz der Royal Navy bzw. zur Unterstützung von Rettungsmaßnahmen seien.

Die Chain-Home-Stationen waren entlang der Küste aufgestellt, zuerst am Ärmelkanal im Süden und im Osten an der Nordseeküste Englands, später aber an der gesamten britischen Küste inklusive der Shetland-Inseln. Den ersten Belastungstest bildete die Luftschlacht um England (Battle of Britain) im Jahre 1940, als anfliegende Bomber der deutschen Luftwaffe frühzeitig genug erkannt werden konnten.

Das Chain-Home-System war sehr einfach ausgelegt, und zur Sicherstellung der Gefechtsbereitschaft wurde es eilig von der Forschungsstation Bawdsey des Luftfahrtministeriums unter der Leitung von Robert Watson-Watt in Betrieb genommen. Der Pragmatiker Watson-Watt war der Meinung, dass die drittbeste, aber verfügbare einer nicht verfügbaren zweitbesten und einer niemals verfügbar werdenden besten Lösung vorzuziehen sei. Chain Home war sicherlich das drittbeste System und litt an Ausfällen und Fehlalarmen, aber es war das beste verfügbare System und lieferte dringend notwendige Informationen.

Während der Kämpfe wurden die Chain-Home-Stationen – insbesondere in Ventnor auf der Isle of Wight – zwischen dem 12. und 18. August 1940 mehrfach angegriffen. Einmal wurde der Radarbereich von Kent inklusive der Station in Dover durch einen Treffer auf die Stromversorgung funktionsunfähig. Die Holzhäuser mit der Radarausrüstung wurden beschädigt, aber die Türme blieben durch ihre Stahlfachwerkkonstruktion funktionsfähig. Da die Türme unbeschädigt blieben und die Signalanbindung bald wiederhergestellt werden konnte, ging die Führung der Luftwaffe davon aus, dass es schwierig sei, die Stationen mit Bomben zu zerstören, und ließen sie für den Rest des Krieges unbehelligt. Der deutschen Luftwaffenführung war die Bedeutung der „Chain Home“-Radarstationen für die britische Luftverteidigung entweder nicht bewusst, oder sie ließ sich durch das Verhalten der Briten täuschen, denn verstärkte Versuche einer (Zer-)Störung blieben bis zuletzt aus.

Das Chain-Home-System wurde nach dem Krieg abgebaut, nur einige Stahlgittermasten sind übriggeblieben und einer neuen Verwendung im 21. Jahrhundert zugeführt worden. Einer dieser 110 m hohen Sendemasten befindet sich heute auf dem Werksgelände von BAE Systems in Great Baddow in Essex. Dieser Mast stammt ursprünglich aus Canewdon und ist vermutlich der letzte, der unverändert erhalten ist.

Chain Home verwendete getrennte Sende- und Empfangsantennen. Die Sendeantennen wurden von 110 Meter hohen freistehenden Stahlfachwerktürmen getragen, während die Empfangsantennen von 73,15 Meter hohen Holztürmen getragen wurden.

Das Chain-Home-System ist mit dem deutschen Freya-Radar vergleichbar.

Technische Daten

  • Frequenz: 20–30 MHz
  • Wellenlänge: 15–10 m
  • Impulsleistung: 350 kW (später 750 kW)
  • Impulsfolgefrequenz: 25 Hz und 12,5 Hz
  • Impulsdauer: 20 Mikrosekunden
  • Reichweite: 200 km
  • Suchsektor: 120 Grad, nicht schwenkbar[1]
  • Anzahl der Stationen: 18 (zur Vermeidung von Interferenzen zeitsynchronisiert vom Stromversorgungsnetz)[2]

Standorte Chain Home/Ames Type 1

Literatur

  • Michael Bragg: RDF1 The Location of Aircraft by Radio Methods 1935–1945. Hawkhead Publishing, Paisley 1988, ISBN 0-9531544-0-8, Die Geschichte des Luftüberwachungsradars in Großbritannien während des Zweiten Weltkrieges. (englisch).
  • Colin Latham, Anne Stobbs: Radar A Wartime Miracle. Sutton Publishing Ltd, Stroud 1996, ISBN 0-7509-1643-5, Geschichte des Radars in Großbritannien während des Zweiten Weltkrieges, erzählt von den Männern und Frauen, die dabeigewesen sind (englisch).
  • David Zimmerman: Britain's Shield Radar and the Defeat of the Luftwaffe. Sutton Publishing Ltd, Stroud 2001, ISBN 0-7509-1799-7 (englisch).
  • Louis Brown: A Radar History of World War II. Institute of Physics Publishing, Bristol 1999, ISBN 0-7503-0659-9 (englisch).
  • E.G. Bowen: Radar Days. Institute of Physics Publishing, Bristol 1987, ISBN 0-7503-0586-X (englisch).

Weblinks

Einzelnachweise