Christina von Retters

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Christina von Retters (auch Christina von Hane) (* um 1269 im Raum Worms; † um 1292 in Bolanden, Kloster Hane) war eine mittelalterliche Erlebnismystikerin.

Nach neueren Forschungen war Christina von Retters sehr wahrscheinlich eine der Töchter Walrams II. von Nassau und die Schwester des Königs Adolf von Nassau.[1]

Christina wurde mit sechs Jahren von ihren Verwandten bzw. ihren Eltern in ein Kloster, das Prämonstratenserinnenstift zu Hane (Pfalz) gegeben. Vermutlich lebte Christina nie in Retters, sondern in Hane.[2][3] Mittermaier, der Herausgeber ihrer Vita, schreibt, dass Christina womöglich die Schwester des späteren deutschen Königs Graf Adolf von Nassau gewesen sei, also aus dem Hochadel stammte.[3][4]

Ihre Lebensbeschreibung liegt in mitteldeutscher Sprache vor, vermutlich war es keine Übersetzung aus dem Lateinischen.[5] Der unbekannte Autor des Textes, womöglich der Beichtvater Christinas, deutet an, dass er die Lebensbeschreibung von Christina selbst gehört habe.[6] Die Handschrift ist unvollendet; sie bricht unvermittelt und ohne Darstellung bzw. Erwähnung ihres Todes ab.

Mit sechs Jahren bereits habe Christina Gott mit Venien (Niederwerfungen) gedient und sich in die Betrachtung der Passion Jesu Christi versenkt. Als Kind um das zehnte Lebensjahr wollte sie immer allein sein und habe erste Erscheinungen des Jesuskindes gehabt.[7] In der Vita werden zahlreiche Auditionen und Visionen geschildert. Christina von Retters gehört zu den Mystikerinnen, die sich härtesten Übungen der Askese unterwarfen. Sie kasteite sich häufig, setzte sich der Kälte aus und biss sich in die Zunge. Besonders fürchtete sie ihre sexuellen Begierden. Daher verletzte sie sich wiederholt selbst ihre Vagina, auch mit Hilfe eines brennenden Holzstücks: „Zu einem anderen Mal nahm sie ein brennendes Holz und stieß dasselbe also glühend in ihren Leib, also daß das leibliche Feuer das Feuer ihres Begehrens mit großen Schmerzen verlöschte.“[8] Der Mentalitätshistoriker Peter Dinzelbacher schreibt dazu: „Trotz ihrer Verbrennung ihres Geschlechts wurde sie weiter von sexuellen „Wollüsten“ geplagt. Deshalb füllte sie ihre Vagina mit Kalk und Essig, daß sie acht schmerzenreiche Tage ohne natürliche Ausscheidung blieb, dann folgte drei Tage lang Blut. Aber nicht einmal das half. Erst eine Wiederholung mit Kalk und Harn brachte sie an den Rand des Todes und tiefe Depression.“[9] Danach geriet sie in einen Lähmungszustand und fühlte sich von ihren Phantasien verschont. Sie führte aber weiterhin sehr harte Form der Kasteiung aus.

Christina starb mit 23 Jahren. Sie wurde als Selige verehrt.

Literatur

  • Franz Paul Mittermaier (Hrsg.): Lebensbeschreibung der sel. Christina, gen. von Retters. In: Archiv für Mittelrheinische Kirchengeschichte, 17, 1965, S. 209–252 und 18, 1966, S. 203–238.
  • Peter Dinzelbacher: Christliche Mystik im Abendland. Ihre Geschichte von den Anfängen bis zum Ende des Mittelalters. Schöningh, Paderborn u. a. 1994, S. 233–236.
  • Ralph Frenken: Kindheit und Mystik im Mittelalter. Peter Lang, 2002, S. 127–141.
  • Franz Paul Mittermaier: Wo lebte die selige Christina, in Retters oder in Hane? In: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 12, 1960, S. 75–97.
  • Kurt Ruh: Geschichte der abendländischen Mystik. 3 Bände. C. H. Beck, München (Band I: 1990, Band II: 1993, Band III: 1996).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. „Retters, Christina von“. Hessische Biografie. (Stand: 26. Februar 2013). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  2. Franz Paul Mittermaier: Wo lebte die selige Christina, in Retters oder in Hane? In: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 12, 1960, S. 75 ff.
  3. a b Kurt Ruh: Geschichte der abendländischen Mystik, Bd. 2. C. H. Beck, München 1993, S. 121.
  4. Franz Paul Mittermaier: Wo lebte die selige Christina, in Retters oder in Hane? In: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 12, 1960, S. 86.
  5. Franz Paul Mittermaier (Hrsg.): Lebensbeschreibung der sel. Christina, gen. von Retters. In: Archiv für Mittelrheinische Kirchengeschichte, 17, 1965, S. 223.
  6. Franz Paul Mittermaier (Hrsg.): Lebensbeschreibung der sel. Christina, gen. von Retters. In: Archiv für Mittelrheinische Kirchengeschichte, 17, 1965, S. 229 u. 231.
  7. Franz Paul Mittermaier (Hrsg.): Lebensbeschreibung der sel. Christina, gen. von Retters. In: Archiv für Mittelrheinische Kirchengeschichte, 17, 1965, S. 227.
  8. Franz Paul Mittermaier (Hrsg.): Lebensbeschreibung der sel. Christina, gen. von Retters. In: Archiv für Mittelrheinische Kirchengeschichte, 17, 1965, S. 235. Neuhochdeutsche Übertragung nach Ralph Frenken: Kindheit und Mystik im Mittelalter, Peter Lang, 2002, S. 127–141
  9. Peter Dinzelbacher: Christliche Mystik im Abendland. Ihre Geschichte von den Anfängen bis zum Ende des Mittelalters. Schöningh, Paderborn u. a. 1994, S. 235.