Codices Latini Antiquiores

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Die Codices Latini Antiquiores (C.L.A.) sind ein Katalog aller heute bekannten lateinischen Handschriften (Bücher und Rollen) vor dem 9. Jahrhundert. Elias Avery Lowe regte dieses Projekt 1929 an und leitete es ab 1936 selbst.

Inhalt und Ausgaben

Der Katalog enthält nur Bücher von literarischem Inhalt, damit auch Gesetzestexte, jedoch keine Briefe oder Urkunden. Grundlage der Edition ist allein die Paläographie (Stilkunde der Handschriften). Jeder Codex bzw. jeder Titel in einem Codex ist durch eine Zusammenfassung seines Inhalts, eine Beschreibung des Erhaltungszustands, des Schrifttyps, des wahrscheinlichen Erstellungsortes und Alters sowie seiner Überlieferungsgeschichte dokumentiert. Zudem ist stets eine Schwarz-Weiß-Fotografie im Maßstab 1:1 beigegeben.

Aufbau

Die Codices Latini Antiquiores bestehen aus elf nach Aufbewahrungsländern gegliederten Bänden, einem Supplementband von 1971 und zwei Ergänzungen von 1985 und 1992.

Schwesterunternehmen und Nachdruck von 1988

Für die Urkundenschriften ist das Schwesterunternehmen der Chartae Latinae Antiquiores ins Leben gerufen worden.[1]

Der Nachdruck des C.L.A. von 1988 ist deutlich kleiner als das Original. Diese Veränderung ist allerdings weder erwähnt noch erkennbar, da die Originalausgabe bei den Bildern auf Längenmaßstäbe verzichtet.

Autor und Mitarbeiter

Die C.L.A sind das bedeutendste Werk der Paläographie und das Lebenswerk von Elias Avery Lowe an der University of Oxford und am Institute for Advanced Study in Princeton.[2] Als in Cornell graduierter Altphilologe setzte Lowe ab 1902 seine Studien in Deutschland fort und wurde zum Schüler von Georg Wissowa in Halle, danach von Ludwig Traube in München.[3] Auf Traubes Vorschlag schrieb er seine Dissertation mit dem Titel Die ältesten Kalendarien aus Monte Cassino (1908), die später den Anstoß zu den Codices Latini Antiquiores gab.

Der deutsche Paläograph Bernhard Bischoff begann die Arbeit an den C.L.A. 1933 noch als unbekannter Student. Er übernahm die Bearbeitung der Grenzzeit um 800, die sehr viele Codices umfasst.

Die Aufgabenstellung

Lowe hatte für seine Dissertation weit mehr Bücher ausgewertet, als von früheren Autoren für vergleichbare Fragestellungen herangezogen worden waren. Es zeigte sich deutlicher als je zuvor, wie breit die alten Manuskripte verstreut waren. Erst nachdem nahezu alle gesichtet sein würden, würde man einen Überblick gewinnen können, was wann und wo verfasst worden war. Und erst dann würde sich die Bedeutung einzelner Schreibschulen für ihre Zeit abschätzen sowie deren Produktion in der Spätantike und im frühen Mittelalter quantifizieren lassen.

Zur Statistik der Handschriften

Zeitliche und räumliche Verteilung

Mit allen Ergänzungen enthält der Katalog heute 1.884 Bücher, die Anzahl der Titel, also der eigentlichen Handschriften, beträgt deutlich über 2.000, meist sind es Fragmente. Vor der Mitte des 4. Jahrhunderts datieren ausschließlich archäologische Funde, danach, bis 800, herrschen theologische Titel absolut vor. Im 6. und 7. Jahrhundert erlosch das Kopieren oder Erstellen säkularer Texte beinahe vollständig.

Erstaunlich sind die Daten aus Italien: Für die Zeit vor 350 ist der Verlust total, wobei aber zu beachten ist, dass bis ins 3. Jahrhundert nicht der Kodex, sondern die Papyrusrolle die normale Buchform war. Danach, zwischen 400 und 800, zeigt sich eine praktisch konstante Buchproduktion, ein lineares Anwachsen der Überlieferungsmenge. Die extremen Wirren der Völkerwanderungszeit und der vernichtende Krieg mit Byzanz im 6. Jahrhundert scheinen weder die Produktion noch die Verlustrate der italienischen Klöster wesentlich beeinflusst zu haben.

Die italienischen Codices (und davon fast nur theologische) wurden ins ganze christliche Europa exportiert, bis dort selbst die Produktion anlief. In Frankreich geschah dies ab etwa 650, in England und Irland ungefähr ab 730 und in Deutschland und der Schweiz erst gegen 800. Für das 5. bis Mitte des 7. Jahrhunderts sieht man einen starken Fluss von Italien nach Frankreich. Für das 8. Jahrhundert ist ein deutlicher Fluss an Codices von Frankreich und England/Irland nach Deutschland auffallend. Dies waren vor allem theologische Werke. Eine Bewegung heidnischer Klassiker kann für den gesamten geografischen und zeitlichen Bereich der C.L.A. statistisch nicht nachgewiesen werden. Die im Bewegungsmuster erfassten 14 Klassiker sind wahrscheinlich erst später oder als Palimpsest migriert.

Grafiken

Literatur

Codices Latini Antiquiores. A palaeographical guide to Latin ms. prior to the 9th century, herausgegeben von Elias Avery Lowe:

  • The Vatican City, Oxford 1934 (Codices Latini Antiquiores 1).
  • Great Britain and Ireland, Oxford 1935; 2. Auflage 1972 (Codices Latini Antiquiores 2).
  • Italy. Ancona – Novara, Oxford 1938 (Codices Latini Antiquiores 3).
  • Italy. Perugia – Verona, Oxford 1947 (Codices Latini Antiquiores 4).
  • France. Paris, Oxford 1950 (Codices Latini Antiquiores 5).
  • France. Abbeville – Valenciennes, Oxford 1953 (Codices Latini Antiquiores 6)
  • Switzerland, Oxford 1956 (Codices Latini Antiquiores 7).
  • Germany. Altenburg – Leipzig, Oxford 1959 (Codices Latini Antiquiores 8).
  • Germany. München – Zittau, Oxford 1959 (Codices Latini Antiquiores 9).
  • Austria, Belgium, Czechoslovakia, Denmark, Egypt and Holland, Oxford 1963 (Codices Latini Antiquiores 10).
  • Hungary, Luxembourg, Poland, Russia, Spain, Sweden, USA and Yugoslawia, Oxford 1966 (Codices Latini Antiquiores 11).
  • Supplement, Oxford 1971 (Codices Latini Antiquiores 12).
  • Index of scripts. Comp. by Rutherford Aris. Osnabrück: Zeller 1982.
  • Addenda to Codices latini antiquiores. Bernhard Bischoff and Virginia Brown. Toronto, 1985 (Sonderdruck aus: Mediaeval studies 47, S. 317–366).
  • Addenda to Codices latini antiquiores (II). Bernhard Bischoff, Virginia Brown, and James J. John. Toronto, 1992 (Sonderdruck aus: Mediaeval studies 54, S. 286–307).

Fußnoten

  1. Vgl. Chartae Latinae Antiquiores Online.
  2. James J. John: Lowe, Elias Avery. In: Ward W. Briggs (Hg.): Biographical dictionary of North American classicists. Greenwood Press, Westport 1994, ISBN 0-313-24560-6, S. 376–378, hier S. 377.
  3. Bernhard Bischoff: Elias Avery Lowe, 15. Oktober 1879 – 8. August 1969. In: Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Jg. 1970, ISSN 0084-6090, S. 199–203.