DVG NF4

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GT8ND-NF4
DVG Nf4.jpg
Nummerierung: 2001–2049
Anzahl: 49[1]
Hersteller: Bombardier Transportation
Baujahr(e): 2020–2023
Achsformel: Bo'2'2'Bo'
Spurweite: 1435 mm (Normalspur)
Länge: 33,32 m
Höhe: 3,5 m
Breite: 2,3 m
Kleinster bef. Halbmesser: 22 m
Leermasse: 43,3 t
Höchstgeschwindigkeit: 80 km/h
Installierte Leistung: 4× 120 kW
Treibraddurchmesser: 600 mm
Stromsystem: 750 V=
Stromübertragung: Oberleitung
Anzahl der Fahrmotoren: 4
Antrieb: Drehstrom-Asynchronmotor
Zugbeeinflussung: Siemens Trainguard MT Zub

Totmannschaltung

Kupplungstyp: Albertkupplung
Sitzplätze: 64+6 Klappsitze
Stehplätze: 136
Fußbodenhöhe: 370 mm

450 mm (Laufdrehgestell) 590 mm (Triebdrehgestell)

Niederfluranteil: 70 %
Besonderheiten: Optisches Antikollisionssystem (ODAS)

Klimaanlage W-LAN Spurkranzschmieranlage

Der NF4 (Betriebsinterne Bezeichnung: GT8ND) ist ein achtachsiger Niederflur-Gelenktriebwagen der Straßenbahn Duisburg, der von der Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG) betrieben wird. Es handelt sich um rund 34 Meter lange und 2,3 m breite Fahrzeuge vom Typ Flexity Classic, die von der Firma Bombardier Transportation im sächsischen Bautzen gefertigt werden.[2] Die 49 Fahrzeuge werden als Ersatz für die Hochflur-Straßenbahnwagen des Typs GT 10 NC-DU beschafft und sollen bis 2023 ausgeliefert sein.

Vorgeschichte

Bei Untersuchungen an den Bestandsfahrzeugen wurden im Jahr 2015 vermehrt Korrosionsschäden an den Wagenkästen festgestellt, welche die gesamte Straßenbahnflotte betreffen.[3] Bei tiefergehenden Analysen stellte sich heraus, dass eine Reparatur nur zur Schadensminderung, nicht aber zur vollständigen Beseitigung der Roststellen führen würde. Im Rahmen dieser Reparaturen, die pro Bahn circa 750000 Euro gekostet hat und jeweils 6 Monate dauerte, wurden 38 der ehemalig 45 Bahnen bei externen Firmen aufgearbeitet.[4] Dieses Sanierungsprogramm führte zu einem bis heute bestehenden Fahrzeugmangel, der zur Folge hat, dass der Linienbetrieb seit 2015 nur mithilfe von Ersatzbussen aufrecht gehalten werden kann. Neben dieser Tatsache führten weitere Faktoren zur Entscheidung, die Straßenbahnflotte komplett durch Neufahrzeuge zu ersetzen: Zu einem verfügen die Bestandsfahrzeuge nur über einen Niederfluranteil von 20 %, da die Hochflurfahrzeuge lediglich mit einem Niederflur-Mittelteil ergänzt wurden. Zum anderen sind die Fahrzeuge nicht mit dem neuen Zugsicherungssystem vom Typ Siemens Trainguard MT Zub kompatibel, sodass die Neuanschaffung von 47 Fahrzeugen am 26. September 2016 vom Rat der Stadt Duisburg beschlossen wurde.[5]

Finanzierung und Ausschreibung

Die Kompletterneuerung der Fahrzeugflotte über einen möglichst kurzen Zeitraum stellt eine Stadt wie Duisburg mit ihrem kommunalen Verkehrsunternehmen im Angesicht einer hohen Verschuldung und geringen Steuereinnahmen vor enorme finanzielle Schwierigkeiten, zumal die Neuanschaffungen von Fahrzeugen nicht gefördert wird. Der Auftrag mit einem Umfang von ungefähr 137 Millionen Euro wurde deswegen teilweise fremdfinanziert, da die Stadt diese Mittel aus ihrem eigenen Haushalt nicht leisten kann. Deswegen wurde mit der Helaba ein Finanzierungskonzept erarbeitet, das einerseits für die Bank eine Kreditsicherheit gewährt und andererseits durch die DVG und die Stadt zu annehmbaren Konditionen angenommen werden konnte.[6] Zudem war die Finanzierung an eine Direktvergabe der Verkehrsleistungen an die DVG durch die Stadt für die nächsten 22½ Jahre geknüpft.[7]

Der Ausschreibung begann am 1. März 2017, der Auftrag wurde am 8. Dezember 2017 für rund 2,7 Millionen Euro pro Fahrzeug mit einer Wartung durch den Hersteller über 24 Jahre (mit Option auf 32 Jahre) an Bombardier Transportation vergeben.[8][9]

Auslieferung und Betrieb

Der ursprüngliche Zeitplan aus dem Jahr 2016 sah vor, die ersten beiden Prototypen 2019 zu liefern und danach ein Jahr im gesamten Liniennetz zu testen. Nach erfolgter Zulassung sollte im Sommer 2020 die Serienauslieferung zu beginnen, bei der alle zwei Wochen ein Fahrzeug geliefert werden sollte. Alle Wagen sollten 2022 ausgeliefert worden sein, um in Anschluss die Altbaufahrzeuge ausmustern zu können.[5] Eine Voraussetzung für die Lieferung der Neufahrzeuge ist zudem die Inbetriebnahme der neuen Zugsicherung, bei der ab Dezember 2019 erste Tests abgeschlossen werden konnten.[10]

Dieser Zeitplan verschob aufgrund von Lieferverzögerungen um rund ein Jahr, sodass der erste Prototyp schließlich am 1. September 2020 am Betriebshof Grunewald in Empfang genommen wurde.[11] Dessen Bau dauerte rund 18 Monate.[12] Der zweite Prototyp wurde am 19. November 2020 angeliefert.[13] Nun ist eine beschleunigte Test- und Zulassungsphase vorgesehen, sodass im Sommer 2021 die Serienzulassung erteilt werden könnte. Parallel baut Bombardier bereits die Serienfahrzeuge, wobei die Erfahrungen aus dem Testbetrieb in die Fertigung mit einfließen werden. Später soll dann rund alle zwei Wochen ein neues Fahrzeug angeliefert werden.[14]

Im Sommer 2021 wurde bekannt, dass sich die DVG und Bombardier auf die Lieferung von zwei zusätzlichen Fahrzeugen als Entschädigung für die Lieferverzögerung geeinigt haben.[15]

Bis zum Jahr 2023 sollen dann alle Fahrzeuge ausgeliefert sein; die alten Wagen müssen spätestens zum 31. Dezember 2024 aus dem Linienbetrieb genommen werden, da bis dahin die alte Zugsicherung außer Betrieb genommen werden muss und somit ein Befahren des Tunnels für die Fahrzeuge nicht mehr möglich sein wird.[16]

Die neuen Fahrzeuge werden dann im Linienbetrieb auf den Straßenbahnlinien 901 und 903 unterwegs sein.

Technik und Ausstattung

Wagenbauliches

Der NF4 ist ein zu 70 % niederfluriges Gelenktriebfahrzeug, das aus drei Teilen besteht und insgesamt rund 34 Meter lang ist. Die beiden Endwagen sind 11,8 m lang, der Mittelteil 9,71 m. An den Wagenenden sind die beiden angetriebenen Drehgestelle angeordnet, an denen sich jeweils zwei Drehstrom-Asynchronmotoren befinden, die je 120 kW leisten. Die Endwagen stützen sich auf der anderen Seite auf dem Joch der Mittelwagen ab, die ihrerseits über vier Achsen mit zwei antriebslosen Laufdrehgestellen verfügen. Die Bodenfreiheit über Schienenoberkante beträgt 240 mm und die Einstiegshöhe liegt bei 310 mm. Somit ist ein barrierefreier Einstieg an den 260 mm hohen Niederflur-Bahnsteig gewährleistet, die 50 mm Höhenversatz resultieren aus der Bedingung, dass selbst bei maximal abgenutzten Radreifen (Raddurchmesser reduziert sich um 80 mm) der Einstieg nicht tiefer als der Bahnsteig liegen darf. Im Fahrzeug liegt die Bodenhöhe bei 370 mm, über den Laufdrehgestellen im Mittelteil steigt diese auf 450 mm an. An den Sitzplätzen an den Wagenenden ist eine Stufe zu überwinden, unter der sich die Triebdrehgestelle mitsamt Antrieb befinden. Hier liegt die Bodenhöhe bei 590 mm. Sämtliche für den Fahrgast zugänglichen Türen sind niederflurig angeordnet, sodass das Fahrzeug zwischen den Türen durchgehend stufenlos begehbar ist. Die elektrische Ausrüstung wie Umrichter, Klimageräte und Netzfilter ist, wie bei Niederflurbahnen üblich, auf dem Wagendach untergebracht, um die niedrige Fußbodenhöhe zu ermöglichen.[17]

Ein weiterer Unterschied zu den DVG GT 10 NC-DU besteht in einer um 10 cm vergrößerten Fahrzeugbreite. Dazu waren insbesondere im Norden der Stadt umfangreiche Anpassungen an Strecken notwendig, so mussten in Ruhrort Kurven angepasst werden. Anpassungen an den Bahnsteigen sind nicht erforderlich gewesen. Einer noch höheren Fahrzeugbreite, zum Beispiel 2,65 m mit Bombierung auf Höhe der Bahnsteigkanten, scheiterte am hohen baulichen und finanziellen Aufwand, da bei einigen Bestandsstrecken eine weitere Erhöhung der Kurvenradien nicht möglich ist.[18]

Aufgrund der Eigenschaft als Zweirichtungsfahrzeug und der Tatsache, dass es in Duisburg sowohl Seiten- als auch Mittelbahnsteige gibt sind auf beiden Seiten jeweils fünf Doppel-Außenschwenkschiebetüren für den Fahrgast angeordnet. Für den Fahrer gibt es in den zwei Führerständen jeweils eine manuell bedienbare Tür in Fahrtrichtung rechts.

Technische Ausstattung

Als eines der ersten Serien-Straßenbahnwagen der Welt ist der NF4 mit dem optischen Kollisionswarnsystem ODAS (Obstacle Detection Assistance System) ausgerüstet. Dieses System erstellt mittels dreier, in der Frontscheibe eingelassener Kameras ein dreidimensionales Prüfbild vor der Fahrzeugfront und bremst im Notfall das Fahrzeug selbsttätig ab, falls der Fahrer nicht auf Warnsignale reagiert. Eine weitere Neuerung im Vergleich zur Vorgängerbaureihe betrifft die Rückspiegel, die durch Kameras ersetzt wurden. Zu Beseitigung des Toten Winkels ist dieses System durch eine Bild-Bild-Funktion ergänzt worden, wodurch der Fahrer diesen Bereich ebenfalls einsehen kann.[19] Um den Lärm für Anwohner bei Kurven zu reduzieren, haben die Bahnen eine sogenannte Spurkranzschmieranlage, die automatisch bei Kurvenfahrten aktiviert wird.

Um die Tunnelanlagen der Stadtbahn Duisburg und der Straßenbahn Mülheim befahren zu können, müssen die Fahrzeuge mit einer Zugbeeinflussung ausgestattet sein. Es handelt sich hierbei um die punktförmige Zugbeeinflussung vom Typ Trainguard MT Zub, die auch auf den Tunnelanlagen der Stadtbahn Düsseldorf verwendet wird.[20] Dazu ist pro Fahrtrichtung jeweils links eine Fahrzeugkoppelspule am ersten Drehgestell angebracht. Zur Funkübertragung der Signalbegriffsaufwertung durch die Zugsicherungsanlagen ist zudem pro Führerstand eine 2,4 GHz Empfangsantenne verbaut. Weitere Funkantennen sind auf dem Dach angebracht.

Wie alle modernen elektrischen Triebfahrzeuge sind die NF4 mit einem Einholm-Dachstromabnehmer ausgestattet. Zudem basiert sämtliche Beleuchtung auf LED-Technik; der Führerstand ist zudem größtenteils digital in Form von großen Touch-Displays ausgeführt, sodass es nur wenige Knöpfe gibt.[21]

Innenausstattung

Die Straßenbahnen sind mit einer Klimaanlage ausgestattet und haben W-LAN an Bord. Zur Fahrgastinformation sind in den Frontscheiben weiße LED-Matrixanzeigen eingelassen, je Seite sind zudem im Mittelteil zwei Außenanzeigen über den Fenstern verbaut. Im Fahrzeuginneren sind an der Decke 3 32:9 TFT-Displays angebracht, die eine Übersicht über die nächsten Haltestellen und über die Anschlüsse bieten.

Insgesamt gibt es in 64 feste Sitze und 6 Klappsitze in einer 2+2-Bestuhlung (Die GT 10 NC-DU haben eine 2+1 Konfiguration). Diese Konfiguration wurde durch die um 10 cm größere Fahrzeugbreite ermöglicht. Die Sitze sind mit rotem Kunstleder überzogen, das sich schnell austauschen lässt, wenn ein Sitz beispielsweise durch Vandalismus beschädigt wurde. Damit reagiert die DVG auf die Erfahrungen bei älteren Fahrzeugen mit Ledersitzen, die früher oft beschädigt wurden und hohe Kosten für die DVG verursacht haben. Die Anzahl der Stehplätze wird mit 136 angegeben, somit haben die NF4 eine um 30 Personen höhere Kapazität als die die alten Straßenbahnwagen.

In den Endwagen gibt es zudem jeweils zwei große Mehrzweckbereiche, die das Abstellen von Rollstühlen, Kinderwagen und Fahrräder ermöglichen. Diese Bereiche sind wesentlich größer, um eine Überfüllung in der Hauptverkehrszeit, wie es bei den jetzigen Fahrzeugen häufig der Fall ist, zu vermeiden.

Sonstiges

Fahrzeug vom Typ NF 2 der Ruhrbahn an der Station Rathaus Essen. Insbesondere die Frontpartie weist Ähnlichkeiten mit den Duisburger Triebwagen auf

Da die Fahrzeuge das Resultat einer gemeinsam geplanten Neubeschaffung von Niederflurfahrzeugen für die Essener Verkehrs-AG (EVAG), die Mülheimer VerkehrsGesellschaft und die Duisburger Verkehrsgesellschaft unter dem Dach der Via Verkehrsgesellschaft sind, sind sich die Fahrzeuge vom Typ NF2, NF3, NF4 sowohl im Design, als auch in der Technik sehr ähnlich. Allerdings sind die Wagen in Mülheim und Essen für Meterspur konzipiert und lediglich rund 30 Meter lang.

Fahrzeugübersicht

Triebwagennummer Baujahr Auslieferung Besonderheiten
Tw 2001 2019 01.09.2020 erster Prototyp, diente als Vorführfahrzeug bei einer Pressevorstellung am 08.09.2020
Tw 2002 2020 19.11.2020 zweiter Prototyp
Tw 2003 2021 21.12.2021 Erstes Serienfahrzeug
Tw 2004 2021 04.02.2022

Einzelnachweise

  1. Infoseite der DVG. Abgerufen am 7. September 2021.
  2. Duisburg testet Straßenbahn aus Bautzen. Abgerufen am 8. Dezember 2020.
  3. DVG-Duisburger Verkehrsgesellschaft AG: Das Sanierungsprogramm. Abgerufen am 8. Dezember 2020.
  4. Private Webseite über die Fahrzeuge vom Typ GT10 NC DU. Abgerufen am 8. Dezember 2020.
  5. a b Beschlussvorlage zur Anschaffung von 47 Straßenbahnen. 13. September 2016, abgerufen am 8. Dezember 2020.
  6. Helaba – Bahn frei für neue Geschäfte. Abgerufen am 7. Dezember 2020.
  7. Duisburg: Stadtrat entscheidet über neue Straßenbahnen. Abgerufen am 8. Dezember 2020.
  8. Ausschreibungsbekanntmachung via TED. Abgerufen am 8. Dezember 2020.
  9. Vergabebekanntmachung im TED. Abgerufen am 8. Dezember 2020.
  10. Daniel Wiberny: Duisburg: DVG macht Testfahrten für neue Zugsicherung. 11. Dezember 2019, abgerufen am 8. Dezember 2020 (deutsch).
  11. Erste neue DVG-Straßenbahn ab Mittwoch in Duisburg. 1. September 2020, abgerufen am 8. Dezember 2020 (deutsch).
  12. Die erste neue Straßenbahn ist da: Moderne Bahnen vom Typ "BOMBARDIER FLEXITY" stehen für Sicherheit und Komfort. Abgerufen am 13. Dezember 2020.
  13. Daniel Wiberny: DVG-Tests: Zweite neue Duisburger Straßenbahn kommt in Kürze. 17. November 2020, abgerufen am 8. Dezember 2020 (deutsch).
  14. DVG-Duisburger Verkehrsgesellschaft AG: Neue Bahnen. Abgerufen am 8. Dezember 2020.
  15. Daniel Wiberny: DVG: Wann Fahrgäste in der ersten neuen Bahn sitzen können. 30. August 2021, abgerufen am 7. September 2021 (deutsch).
  16. DVG-Duisburger Verkehrsgesellschaft AG: Zugsicherung. Abgerufen am 8. Dezember 2020.
  17. EK-Verlag GmbH (Hrsg.): stadtverkehr. Nr. 4/2019, ISSN 0038-9013, S. 15 f.
  18. Christian Stade: Gleisplan Straßenbahn Duisburg. In: gleisplanweb.eu. Abgerufen am 4. Januar 2021.
  19. Erste Bombardier Flexity Straßenbahn für Duisburg ausgeliefert. In: Urban Transport Magazine. 9. September 2020, abgerufen am 8. Dezember 2020 (deutsch).
  20. DVG-Duisburger Verkehrsgesellschaft: Zugsicherung. Abgerufen am 4. Januar 2021.
  21. DVG-Duisburger Verkehrsgesellschaft AG: Neue Bahnen. Abgerufen am 4. Januar 2021.