Lutz Dammbeck

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Lutz Dammbeck im Frankfurter Filmmuseum, November 2015

Lutz Dammbeck (* 17. Oktober 1948 in Leipzig) ist ein deutscher Maler, Grafiker und Filmemacher.

Leben

Dammbeck wuchs in Leipzig als Sohn des Rennpferd-Trainers Walter Dammbeck und der Sekretärin Gertrud Dammbeck, geborene Hoyk auf.[1][2] Seine Jugend wurde zum einen durch das regelmäßige Tennisspielen in der Südvorstadt geprägt, zum anderen durch die Tätigkeit des Vaters auf der Pferderennbahn.[3] Seit er acht war, half Dammbeck in den Sommerferien im Stall aus. Die Arbeit band die ganze Familie ein, zog sie auf die Rennplätze verschiedener Städte und bestimmte den Lebensrhythmus. „Mir gefiel diese Mischung aus Sport, Zirkus und Geschäftemachen.“[4] Ab den 1950ern beherbergte die Familie Messegäste aus der BRD.[5] Am 17. Juni 1953 konnte er den Einzug russischer Panzer in Leipzig beobachten.[4]

Seine Mutter meldete ihn in einem privaten Zeichenzirkel einer ehemaligen Bauhaus-Schülerin an.[6] Die Aufnahme in die Erweiterte Oberschule gelang mit Intervention der Mutter bei einer Klassenkameradin mit notwendigem Einfluss. Für den Abschluss musste er, im Zuge eines Schulexperiments, zusätzlich eine Facharbeiterprüfung abschließen. Seine erste Wahl für den Lehrberuf war Landschaftsgestalter, für den alle Plätze vergeben waren. Dammbeck entschied sich Schriftsetzer zu werden, ohne zu wissen, was sich damit verband,[3] und fand Gefallen am Beruf.

„Den Alltag im Betrieb bestimmten Materialmangel, Schlamperei und von Ideologie geleitete Planvorgaben. Staunend vernahmen wir Schüler den scharfen Spott der Arbeiter über ihren Staat. […] Mir gefielen der proletarische Witz und das Standesbewusstsein der Setzer und Drucker, das sich aus alten Traditionen speiste. Aber auch die Arbeit mit Bleilettern, […] das Herstellen der Probedrucke und der Geruch von Terpentin und Druckfarbe. Ich zeichnete gern, wollte aber künftig gern was mit Schrift machen.“[7]

Zur Studiumsvorbereitung und Mappenberatung besuchte er Typografie-Kurse der Abendhochschule der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. 1966 begann er dort sein Grundstudium in der Abteilung Buchgestaltung. An der Hochschule lehrten u. a. Egon Pruggmayer, Jan Tschichold, Walter Schiller und Heinz Wagner, in dessen Plakatklasse Dammbeck wechselte.[3] Er hatte u. a. Kontakt mit Karin Plessing, Günther Huniat, Lutz Friedel,[8] Thomas Ranft, Hans-Hendrik Grimmling, Gil Schlesinger, Günter Firit und Frieder Heinze.[1][9] Im mitgestalteten Studentenklub gab es Barbetrieb, Konzerte von Bands mit Auftrittsverbot, Jazz-Sessions und Tanz. Weitere Orte seines Studentenlebens waren u. a. eine Bar des Ring-Cafés und im Besonderen das Kino Casino. 1968 erlebte er, auf dem Rückweg von den Weltfestspielen in Sofia, die Besetzung Prags durch sowjetische Truppen.[10]

In den frühen 1970er Jahren entdeckte Dammbeck den Animationsfilm als Experimentierfeld und Ausdrucksmittel.

Inspirationsquellen für ihn sind u. a. Franciszek Starkowieyski, Jan Lenica, Walerian Borowczyk, Filme im westdeutschen Fernsehen seit 1967, Filme von Michelangelo Antonioni und Jean-Luc Godard, amerikanische Cartoons, Pop Art und Rock-Musik (Cream, Vanilla Fudge, Jefferson Airplane, Renft), sowie die jährliche internationale Dokumentarfilmwoche in Leipzig.[11]

Seit 1974 ist er freier Maler und Grafiker. Seit 1976 war er auch als Autor, Animator und Regisseur verschiedener Experimental- und Animationsfilme der DEFA und eigener Produktion tätig.[12] 1978 nahm er an der XIII. Kunstausstellung der DDR in Dresden teil. Seit 1979 arbeitete er an verschiedenen Aktions- und intermedialen Ausstellungsprojekten, gab eine Künstlerzeitschrift heraus und stiftete den alternativen Mogollon-Kunstpreis. Er nahm an der Internationalen Triennale der Handzeichnung in Zürich und Lausanne teil.

Fasziniert von den Filmen der klassischen Avantgarde, des Expanded Cinema und der Pop Art, begann Dammbeck Ende der 1970er Jahre sein Werk weg von der reinen Grafik und Zeichnung zu entwickeln. Er verwendete Fotografien, mischte Zeichnung und Realfilm, kombiniert mit Found Footage und Teilen aus Archivfilmen. Im Anschluss an die Uraufführung von Metamorphosen I erhielt er Zuspruch von Wieland Herzfeld, Bruder des von Dammbeck verehrten John Heartfield. Dies nahm Dammbeck als „Ritterschlag“ wahr.[13]

Er notierte zu Hommage à la Sarraz:

„Über das Formale hinaus war für mich der Bezug auf den Geist von La Sarraz sowohl Polemik [als auch] … ein Verweis darauf, dass es nicht nur Bezugs- und Traditionslinien in der Zeit vor 1933 gab, die Slatan Dudow, Brecht und Kuhle Wampe hießen, sondern auch Fischinger, Richter, Eggeling, … und dass ich daran anknüpfen kann und will.“[13]

1982 begann er mit der Arbeit am Herakles-Konzept,[14] einem permanent fortgeschriebenen Gesamtkunstwerk aus Malerei, Collagen, Installationen, Filmen und Medieninszenierungen, Archiv und Collage zugleich,[15][16] inspiriert durch den Text Herakles 2 oder Die Hydra Heiner Müllers, dem er das Märchen vom eigensinnigen Kind gegenüberstellt.[17] Als Monteur sammelt, bearbeitet und fügt er Zeitungsausschnitte, Archivalien und Fotografien zu einer Archäologie der Erinnerung zusammen.

Seit 1984 arbeitete er an Mediencollagen aus Malerei, Tanz, Film und Musik, u. a. für das Bauhaus Dessau und die Internationalen Musikfestspiele Dresden, und konzipierte mit Freunden den 1. Leipziger Herbstsalon, eine außerhalb des Verbandes Bildender Künstler organisierte Ausstellung im Leipziger Messehaus.[18] 1985 nahm er an der Internationalen Biennale in São Paulo teil.

Nach Ablehnung des zehnten Reiseantrags auf Genehmigung einer „Studienreise in das nichtsozialistische Ausland“ stellte er 1986 einen Ausreiseantrag und übersiedelte nach Hamburg. Dort setzte er das Herakles-Konzept fort und wendete sich verstärkt dem Dokumentar- und Animationsfilm zu. 1990 gründete er eine eigene Filmproduktionsfirma.[1] Von 1992 bis 1993 war er Gastprofessor an der Fachhochschule für Gestaltung Hamburg und von 1998 bis 2015 Professor an der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Er nahm u. a. an der Ausstellung Deutschlandbilder 1997 im Martin-Gropius-Bau Berlin und der Ausstellung Das XX. Jahrhundert teil.

2005 erhielt er den Käthe-Kollwitz-Preis und den Preis der DEFA-Stiftung zur Förderung der deutschen Filmkunst.[19] 2019 tourte Lutz Dammbeck unter der Überschrift Art & Power: Lutz Dammbeck mit seinem filmischen Werk durch die USA.[20]

Lutz Dammbeck ist seit 2015 Mitglied der Freien Akademie der Künste in Hamburg.[21]

Einzelausstellungen (Auswahl)

Jahr Ort Titel
1979 Galerie Wort und Werk (mit Hendrik Grimmling), Leipzig
1980 Galerie Mitte, Dresden
1983 Kunstkabinett, Erfurt
1985 Galerie Oben, Karl-Marx-Stadt
1986 Bauhaus Dessau Lutz Dammbeck – Bilder, Collagen, Aktionsdokumentationen
1988 Künstlerhaus Hamburg
1990 Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, Realismusstudio, Berlin
1994 Galerie Atelier Sainte Anne, Brüssel
1997/98 Haus am Waldsee, Berlin / Lindenau-Museum, Altenburg / Städtische Galerie Rähnitzgasse, Dresden / Kunstverein Heidelberg Herakles Konzept
2000 Brecht-Zentrum Berlin Krieg der Viren II
2005 Akademie der Künste Berlin All Systems Go
2006 Akademie der Künste Berlin Paranoia
2007 Galerie COMA Berlin Re_Re-Education
2010 Kunst-Raum des Deutschen Bundestages, Berlin Atlasmacher
2010 Sprengel Museum Hannover Re_Re-Education

Filme (Autor, Animator, Regisseur, Produzent)

Titel Land Jahr Länge Art Produktion
Der Mond DDR 1975 6' Animationsfilm DEFA-Studio für Trickfilme, Dresden
Lebe! DDR 1978 10' Animationsfilm DEFA-Studio für Trickfilme, Dresden
Metamorphosen I DDR 1978/1979 7' Experimentalfilm Mogollon Film, Leipzig
Der Schneider von Ulm DDR 1979 14' Animationsfilm DEFA-Studio für Dokumentarfilme, Potsdam-Babelsberg
Einmart DDR 1981 15' Animationsfilm DEFA-Studio für Trickfilme, Dresden
Hommage à la Sarraz DDR 1981 12' Experimentalfilm Mogollon Film, Leipzig
Die Entdeckung DDR 1983 17' Animationsfilm DEFA-Studio für Trickfilme, Dresden
1. Leipziger Herbstsalon DDR 1984/2006 20' Dokumentation Lutz Dammbeck Filmproduktion
Die Flut DDR 1986 10' Animationsfilm DEFA-Studio für Trickfilme, Dresden
Der Maler kam aus fremdem Land... BRD 1988 44' Dokumentarfilm Cinecentrum Hamburg für den SWF, Baden-Baden und den WDR, Köln
Herakles Höhle Deutschland 1983/1990 45' Experimentalfilm Lutz Dammbeck Filmproduktion für den SWF, Baden-Baden
Zeit der Götter Deutschland 1992 92' Dokumentarfilm Lutz Dammbeck Filmproduktion für den SWF, Baden-Baden
Herzog Ernst Deutschland 1984/1993 45' Animationsfilm Lutz Dammbeck Filmproduktion für La Sept/Arte und den WDR, Köln
Dürers Erben Deutschland 1995 59' Dokumentarfilm Lutz Dammbeck Filmproduktion für den MDR, Leipzig und Arte, Strasbourg
Das Meisterspiel Deutschland 1998 106' Dokumentarfilm Lutz Dammbeck Filmproduktion für den WDR, Köln
Das Netz – Unabomber, LSD und Internet Deutschland 2003 121' Dokumentarfilm Lutz Dammbeck Filmproduktion für den SWR, Baden-Baden
Besuch bei Rudolf Arnheim Deutschland 2004 20' Dokumentation Lutz Dammbeck Filmproduktion, Hamburg
Overgames Deutschland 2007/2015 164' Dokumentarfilm Lutz Dammbeck Filmproduktion, Hamburg, in Co-Produktion mit dem RBB, Brandenburg, in Zusammenarbeit mit Arte, Strasbourg
Bruno & Bettina, Gespräch mit Masao Adachi Deutschland 2018 105' Dokumentarfilm

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Lutz Dammbeck: Herakles-Konzept. Verlag der Kunst G+B Fine Arts Verlag GmbH, Amsterdam 1997, ISBN 90-5705-072-2, Lutz Dammbeck – Biografie, S. 156 (159 S.).
  2. Lutz Dammbeck − Filmmacher, Grafiker. In: CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film
  3. a b c Lutz Dammbeck: Filme und Mediencollagen 1975-1986. In: Filmmuseum Potsdam und Filmmuseum München (Hrsg.): Edition Filmmuseum. Band 38. München 12. September 2008, Gespräch mit Lutz Dammbeck (2007) – Part 1, DVD 1.
  4. a b Lutz Dammbeck: Besessen von Pop. 1. Auflage. Verlag Lutz Schulenburg, Hamburg 2012, ISBN 978-3-89401-765-1, S. 5 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  5. Lutz Dammbeck: Besessen von Pop. 1. Auflage. Verlag Lutz Schulenburg, Hamburg 2012, ISBN 978-3-89401-765-1, S. 10 (books.google.de).
  6. Lutz Dammbeck: Besessen von Pop. 1. Auflage. Verlag Lutz Schulenburg, Hamburg 2012, ISBN 978-3-89401-765-1, S. 7 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  7. Lutz Dammbeck: Besessen von Pop. 1. Auflage. Verlag Lutz Schulenburg, Hamburg 2012, ISBN 978-3-89401-765-1, S. 14 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  8. Michael Hametner: Flugzeuge, Holz und Heuhaufen. In: Der Freitag. 16. Mai 2008, abgerufen am 17. März 2020.
  9. Thomas Mayer: Künstler, Organisator, Kommunikator: Günther Huniat wird am Montag 80. In: Leipziger Volkszeitung. 23. September 2019, abgerufen am 17. März 2020.
  10. Lutz Dammbeck: Herakles-Konzept. Verlag der Kunst G+B Fine Arts Verlag GmbH, Amsterdam 1997, ISBN 90-5705-072-2, "... allein in die Schlacht mit dem Tier!", S. 34 (159 S.).
  11. Inka Schube: Re_Re-Education. Lutz Dammbeck. Filme 1979–2003. Katalog zur Ausstellung vom 19.05.–26.09.2010. Hrsg.: Inka Schube. Sprengel Museum Hannover, Hannover 2010, ISBN 978-3-89169-213-4, Education / Re-Education / Re_Re-Education. Lutz Dammbeck. Filme 1979–2003, S. 8 ff. (104 S.).
  12. Lutz Dammbeck. DEFA-Filmografie. In: DEFA-Stiftung. Abgerufen am 17. März 2020.
  13. a b Inka Schube: Re_Re-Education. Lutz Dammbeck. Filme 1979–2003. Katalog zur Ausstellung vom 19.05.–26.09.2010. Hrsg.: Inka Schube. Sprengel Museum Hannover, Hannover 2010, ISBN 978-3-89169-213-4, Education / Re-Education / Re_Re-Education. Lutz Dammbeck. Filme 1979–2003, S. 15 (104 S.).
  14. Radek Krolczyk: Heiner Müller-Bewunderer: Im Kampf gegen eine alte Ordnung. In: Die Tageszeitung: taz. 18. Juni 2015, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 17. März 2020]).
  15. PM: Lutz Dammbecks Herakles Konzept im Museum der bildenden Künste. In: Leipziger Volkszeitung. 10. Mai 2016, abgerufen am 17. März 2020.
  16. Lutz Dammbeck. In: Goethe-Institut Japan. September 2017, abgerufen am 17. März 2020.
  17. Lutz Dammbeck: Herakles-Konzept. Verlag der Kunst G+B Fine Arts Verlag GmbH, Amsterdam 1997, ISBN 90-5705-072-2, "... allein in die Schlacht mit dem Tier!", S. 37 (159 S.).
  18. Jens Kassner: Drei Wochen Ausnahmezustand. In: Der Freitag. 26. Januar 2015, abgerufen am 18. März 2020.
  19. Marion Pietrzok: Eigensinnig. In: Neues Deutschland. 4. Juni 2005, abgerufen am 18. März 2020.
  20. o. V.: Art & Power: Lutz Dammbeck. In: ecommerce.umass.edu. Abgerufen am 11. Februar 2021.
  21. Mitglieder der Freien Akademie der Kuenste in Hamburg. In: akademie-der-kuenste.de. www.akademie-der-kuenste.de, abgerufen am 5. Juni 2016.