David Bergelson

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David Bergelson mit seinem Sohn Lew (Berlin, 1922)

David Rafailowitsch Bergelson (russisch Давид Рафаилович Бергельсон, jiddisch Dovid Bergelson דוד בערגעלסאָן, eingedeutscht David Bergelsohn; * 12. August 1884 in Ochrimowo, Gouvernement Kiew, Russisches Kaiserreich; † 12. oder 13. August 1952 in Moskau, Sowjetunion) war ein jiddisch-sowjetischer Romancier realistisch-sozialer Richtung. Bergelson wurde in der Lubjanka bei der letzten stalinistischen „Säuberungsaktion“ in der sogenannten „Nacht der ermordeten Dichter“, russ.:

Ночь казнённых поэтов

, exekutiert.

Bergelson kam in Ochrimowo, dem heutigen Sarny im Rajon Monastyryschtsche der ukrainischen Oblast Tscherkassy zur Welt. Er beschrieb in Romanen, Erzählungen und Dramen eindringlich und mit zuvor nicht gekannter Subjektivität den Einbruch der modernen Zeit in die jüdischen Gemeinschaften Osteuropas und die Hoffnungslosigkeit vieler Juden, befasste sich in seinen Werken auch mit der bolschewistischen Revolution, später dann auch mit den Judenverfolgungen.

Sein Roman Das Ende vom Lied gilt als Meisterwerk impressionistischer Erzählliteratur.

Leben

David Bergelsons Vater war ein gebildeter Chassid, seine Mutter beschäftigte sich intensiv mit jiddischer Literatur. David erhielt den traditionellen Unterricht im Cheder und ergänzend eine säkulare Ausbildung. Seine ersten Erzählungen sind noch ganz dem Vorbild Tschechows verhaftet. Bergelson schrieb zunächst in Hebräisch und Russisch, literarischer Erfolg stellte sich aber erst ein, als er in seiner Muttersprache Jiddisch zu schreiben begann, und zwar mit der Novelle Arum wogsal, die er noch auf eigene Kosten herstellen ließ.

Bergelson war 1917 in Kiew unter den Gründungsdirektoren der Jidische Kultur Liga und Herausgeber derer literarischen Zeitschriften Ojfgang und Ejgnß.

1920 verlegte er in bewusster Abwendung vom Kommunismus seinen Lebensmittelpunkt nach Berlin, war aber als einer der bekanntesten und vermutlich auch bestbezahlten jiddischen Schreiber der 20er Jahre viel in Europa unterwegs und besuchte auch die Vereinigten Staaten und schrieb ab etwa 1925 für den New Yorker jiddischen Forverts. In Berlin war Bergelson Mitherausgeber der Zeitschriften Milgroim und Schpan.

1926 kehrte er aus dem Berliner Exil nach Russland zurück, nachdem er seine antikommunistische Einstellung öffentlich als Irrtum erklärt hatte. In dieser Zeit empfing die jiddische Kultur staatlicherseits eine große Aufmerksamkeit und bewusste Förderung, so dass Bergelson glaubte, die Sowjetunion werde gemeinsam mit Polen die als „assimilatorisch“ empfundenen Vereinigten Staaten als Zentrum jiddischer Kunst und Kultur bald überflügeln. Von dieser Zeit an schrieb er auch für Blätter der kommunistischen jiddischen Presse, so z. B. Morgn Frajhajt in New York oder Emeß („Wahrheit“) in Moskau. Die Begeisterung hielt allerdings nicht lange an, und Bergelson kehrte wieder nach Berlin zurück und blieb bis zu Hitlers Machtergreifung, die ihn veranlasste, erneut in die Sowjetunion zu gehen. Dort wurde er ein Anhänger der Jüdisch-Autonomen Republik Birobidschan und war auch Mitglied des Jüdisch-Antifaschistischen Komitees während des Zweiten Weltkriegs.

Dennoch wurde er im Januar 1949 inhaftiert, ihm wurde – vermutlich im Geheimen – der Prozess gemacht, und dreieinhalb Jahre später wurde er im Rahmen der judenfeindlichen Kampagne gegen „wurzellose Kosmopoliten“ gemeinsam mit ca. dreißig weiteren jüdischen Persönlichkeiten, darunter die 13 prominentesten jiddischen Dichter, Musiker und Schauspieler, hingerichtet – und erst nach Stalins Tod rehabilitiert. 1961 brachte die Sowjetunion eine Ausgabe seiner Werke heraus.

Werke (Auswahl)

  • Arum wogsal, Warschau 1909 (erfolgreiche Novelle aus dem Kaufmannsleben, die begeisterte Artikel in der jiddischen Presse hervorrief; deutsch „Rings um den Bahnhof“, Berlin 1922)
  • Noch alemen („Nach allem“), 1913 (Roman; gilt als sein bestes Werk; deutsch von Alexander Eliasberg unter dem Titel: Das Ende vom Lied, Berlin 1923; schildert die Generation des Übergangs, die die alten Traditionen verloren, dafür aber nichts Neues gewonnen hat, z. B. im öden Leben der „Mirel Hurwitz“, die wie viele ihrer Bekannten mit ihrer Welt unzufrieden in eine Traumwelt flüchtet und sich gelangweilt in ihr Schicksal findet, anstatt irgend etwas zu tun ...; englisch 1977 unter dem Titel When All Is Said and Done)
  • In fartunklte zajtn, Kiew 1917 (Roman)
  • Ejgenß, Kiew 1918 (Sammelwerk, Herausgeber)
  • Opgang („Abgang“), Berlin 1922 (Roman)
  • Fajwelß geschichtn, Holzschnitte und Lithographien von Lasar Segall, in Jiddisch zuerst Wostock, Berlin 1923. In Jiddisch und in deutscher Übersetzung enthalten in: David Bergelson, Lejb Kwitko, Peretz Markisch, Ber Smoliar: Der Galaganer Hahn. Jiddische Kinderbücher aus Berlin, jiddisch und deutsch, aus dem Jidd. übertr. und hrsg. von Andrej Jendrusch, Ed. DODO, Berlin 2003, ISBN 3-934351-06-9
  • Schturemteg („Stürmische Tage“), Kiew 1927 (Novellensammlung)
  • Weltojß – Weltajn, Warschau 1928 (Novellensammlung)
  • Midas hadin, Moskau 1928 (Roman)
  • Bam Dnjepr („Beim Dnjepr“) (2 Bde.), 1932 und 1936 (Erziehungsroman, z. T. autobiographisch)
  • Naje Derzejlungen („Neue Berichte“), 1947 (Kriegsberichte)

Ausgaben (Auswahl)

  • Ausgewählte Werke, 4 Bde., Berlin 1922
  • Ausgewählte Werke, 1 Bd., Moskau 1961
  • Roman: Das Ende vom Lied (deutsch 1965)

Literatur (Auswahl)

  • Joseph Sherman, Gennady Estraikh (Hrsg.): David Bergelson: from modernism to socialist realism. Legenda, Leeds / London 2007, ISBN 978-1-905981-12-0.
  • Avraham Novershtern: Bergelson, Dovid. In: Gershon David Hundert (Hrsg.): The YIVO Encyclopedia of Jews in Eastern Europe. Yale University Press, New Haven 2008 / YIVO Institute for Jewish Research, New York 2010.
  • Ruth Wisse, Joseph Sherman: Bergelson, David. In: Encyclopaedia Judaica. 2. Aufl., Bd. 3, S. 418f.

Weblinks

Commons: David Bergelson – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien