Der Riesentöter

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Der Riesentöter (Originaltitel: The Giant-Slayer) ist ein Kinderbuch des kanadischen Schriftstellers Iain Lawrence. Erzählt wird die Geschichte des jungen fantasievollen Mädchens Laurie, die ihren an Polio erkrankten Freund Dickie im Krankenhaus besucht. Dort erzählt sie ihm und den anderen Patienten eine lebhafte Geschichte über fantastische Wesen. Dabei werden Themen wie Freundschaft und Imagination aufgegriffen.

The Giant-Slayer erschien 2009 beim Verlag Random House in englischer Sprache und 2017 beim Verlag Freies Geistesleben in deutscher Übersetzung. Das Buch wurde von Alexandra Ernst ins Deutsche übersetzt und wird vom Verlag für Kinder ab 10 Jahren empfohlen.[1]

Das Buch war unter anderem für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2018 nominiert.[2]

Inhalt

Laurie Valentine lebt mit ihrem Vater in den 1950er Jahren in Nordamerika. Da dieser als Spendensammler für eine gegen Kinderlähmung kämpfende Organisation namens March of Dimes arbeitet und seine Frau Mrs. Valentine im Kinderbett verstorben ist, verbringt das Mädchen viel Zeit mit ihrer Nanny Mrs. Strawberry.

Durch die weit verbreitete und sehr ansteckende Krankheit Polio ist es Laurie nicht gestattet, sich an viel besuchten Orten wie Spielplätzen oder Schwimmbädern aufzuhalten. Aus diesem Grund hat sie keinen einzigen Freund, bis im Frühjahr 1955 ein Junge namens Dickie Espinosa in den Block zieht. Die beiden sind von ihrem ersten Treffen an unzertrennlich und spielen gemeinsam im nahegelegenen Bach. Dies verärgert Lauries Vater und Nanny, die ihr weitere derartige Aktionen verbieten. Kurze Zeit später erfährt Laurie, dass Dickie in einer Eisernen Lunge im Bishop’s Memorial Krankenhaus liegt. Sie möchte ihren Freund besuchen, doch weder ihr Vater noch Mrs. Strawberry wollen ihr den Aufenthalt im Hospital erlauben. Laurie beginnt, das Krankenhaus heimlich aufzusuchen. Dort lernt sie Dickies Zimmerkameraden Carolyn und Chip sowie die fröhliche Krankenschwester Mrs. Freeman kennen, welche ihr anfangs nur ausnahmsweise den Zutritt ohne elterliche Erlaubnis gewährt.

Laurie beginnt, den kranken und ans Bett gefesselten Kindern eine fantasievolle Geschichte über einen Riesentöter namens Jimmy zu erzählen, welcher auf seiner Reise vielen interessanten Menschen begegnet. Als sich ihre Besuche häufen, erzählt sie ihre Geschichte weiter und erfährt nebenher von den persönlichen Geschichten der Kinder, wodurch sie diese besser kennenlernt. Mit der Zeit freundet sich auch Carolyn mit der Anwesenheit Lauries an, obwohl sie zuerst skeptisch und gemein zu dem Mädchen war. Mehr Kinder erfahren von der Geschichte, die Laurie erzählt, und setzen sich während ihrer Besuche dazu, um ebenfalls zuzuhören. Im Verlauf der fiktiven Geschichte Lauries erkennen sich einige der Kinder in den Charakteren wieder, da der Werdegang der Figuren dem der kranken Kinder ähnelt.

Lauries Vater erfährt von ihren heimlichen Besuchen und holt sie am selben Tag aus dem Krankenhaus ab, an dem ein Impfstoff gegen Polio auf den Markt kommt. Nachdem die beiden sich versöhnen, bekommt Laurie als eins der ersten Kinder den Impfstoff gespritzt. Am nächsten Tag besucht sie ihre Freunde im Krankenhaus und setzt die Geschichte fort. Als sie sich auf den Weg nach Hause macht, kriegt Laurie Kopfschmerzen und bricht zusammen. Sie wird von einer Krankenschwester zurück in die Klinik gebracht und in eine Eiserne Lunge gelegt. In den nächsten Tagen stellt sich heraus, dass der Impfstoff fälschlicherweise noch lebende Erreger beinhaltete und somit viele Kinder, die ihn erhalten haben, infiziert. Lauries Vater und ihre Nanny Mrs. Strawberry sind über die Neuigkeiten erschüttert und besuchen das Mädchen im Krankenhaus. Dort lernt Mr. Valentine die neuen Freunde seiner Tochter kennen, erfährt von Lauries Geschichte und bedauert seine mangelnde Aufmerksamkeit gegenüber seiner Tochter. Die kranken Kinder versuchen, die Geschichte zu beenden und tun dies schließlich mit Lauries Hilfe, nachdem sie aus dem Koma erwacht.

Als Laurie wieder vollständig auf den Beinen ist, darf Carolyn nach Hause gehen und Dickie und Chip werden in ein größeres Krankenhaus verlegt. Mr. Valentine teilt seiner Tochter mit, dass der Kampf gegen Polio weiter andauert und verspricht, ihr in Zukunft mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Figuren

Hauptfiguren

Laurie Valentine

Laurie ist kreativ und hat viel Fantasie, was sie in ihren Zeichnungen und selbsterstellten Karten ausdrückt, die sie auch ‚Karten ihres Lebens‘ nennt. Sie ist auch einsam, da sie nicht mit anderen Kindern draußen spielen darf und ihr Vater kaum Zeit für sie hat. Sie trägt eine große Brille, welche ihr stets die Nase herunterrutscht und die sie immer wieder hochschieben muss. Obwohl Laurie Respekt vor ihrer Nanny hat und sich normalerweise an ihre Regeln hält, entwickelt sie mit der Zeit ihren eigenen Kopf und spielt zum Beispiel mit ihrem neuen Freund Dickie verbotenerweise am nahegelegenen Bach. Sie ist sauer, als sie dafür Ärger bekommt und auch als es ihr nicht erlaubt wird, den kurze Zeit später erkrankten Dickie im Krankenhaus zu besuchen. Aus diesem Grund tut Laurie es heimlich. In der Klinik, in welcher sie Dickie regelmäßig besucht, möchte sie den Patienten mit ihrer Geschichte über den Riesentöter Jimmy gute Laune machen. Dabei versucht sie, einfühlsam zu sein und die Kinder nicht zu bemitleiden. Nachdem Laurie durch einen unfertigen Impfstoff selbst erkrankt, wird sie ebenfalls in eine Eiserne Lunge gelegt. Sie erholt sich jedoch und kann schon nach kurzer Zeit wieder selber selbstständig atmen und laufen.

Riesentöter Jimmy

Jimmy ist ein von Laurie erfundener Junge, der mit seinen Eltern in einer Schenke namens „Zum Drachenzahn“ lebt. Er wird als Kleinkind durch den Wunsch seines Vaters verhext und wächst von seinem dritten Lebensjahr an nicht mehr. Da Jimmys Mutter fortgeht und sein Vater ihn nicht als eigenen Sohn liebt, entschließt sich der Junge an seinem 12. Geburtstag von zu Hause wegzulaufen. Auf seinem Weg durch die von Laurie gemalte Zauberwelt begegnet er vielen unterschiedlichen Menschen, Wesen und Tieren, die ihn zeitweise auf seiner Reise begleiten. Als Jimmy von einer Hexe erfährt, dass er als Riesentöter geboren wurde und aus diesem Grund die Aufgabe hat, den gefährlichen Riesen Collosso zu töten, macht er dies zum Ziel seiner Reise. Jimmy ist mit Hilfe von anderen Charakteren erfolgreich und wird für seine Tat bejubelt. Er trifft seine Mutter wieder und lebt glücklich mit ihr bis ans Ende seiner Tage.

Nebenfiguren

Mr. Valentine

Mr. Valentine erzieht seine Tochter Laurie Valentine allein, da seine Frau bei der Geburt ihrer gemeinsamen Tochter gestorben ist. Er arbeitet mit Leidenschaft für die gegen Polio kämpfende Hilfsorganisation March of Dimes und hat deswegen wenig Zeit für seine Tochter, die er jedoch bedingungslos liebt und vor jeglicher Krankheit beschützen möchte. Für Laurie ist ihr Vater nach dem Nikolaus »der zweitklügste Mann der Welt« und »eine Art Soldat« (S. 12), da er den Kampf gegen Polio mit einem Krieg vergleicht. Er ist ein stiller und introvertierter Mann, der jeden Tag einen braunen Anzug, einen Filzhut und eine Krawatte trägt. Während er auf andere einen zerstreuten Eindruck macht, findet Mrs. Strawberry nur, dass der Mann »so sehr mit großen Dingen beschäftigt [ist], dass er für die kleinen Dinge einfach keine Zeit hat« (S. 13).

Mrs. Strawberry

Mrs. Strawberry ist die Nanny von Laurie Valentine. Sie bewundert die Fantasie des Mädchens und liebt es wie ihre eigene Tochter. Aus diesem Grund ist sie sehr streng und erlaubt Laurie keinerlei Aktivitäten, bei denen sie sich mit Polio anstecken könnte. Gleichzeitig macht sie sich Sorgen um Lauries Einsamkeit und spricht oft mit ihrem Mann über das Thema. Mrs. Strawberry glaubt, dass das Kind sie durch die vielen Verbote für eine »schreckliche alte Frau« (S. 14) hält.

Dickie Espinosa

Der Junge zieht im Frühjahr 1955 in Lauries Nachbarschaft und freundet sich schnell mit ihr an. Die beiden Kinder spielen gemeinsam und Dickie bringt seiner neuen Freundin bei, eine Modelleisenbahn zu bedienen. Dickie erhält Privatunterricht, da er in seiner alten Schule oft verprügelt wurde. Nachdem er sich mit Polio ansteckt, liegt er in einer Eisernen Lunge im Krankenhaus. Er erkennt sich als erster in Lauries Geschichte wieder und hört seiner Freundin gerne zu. Als Dickie in ein anderes Krankenhaus verlegt wird, folgen ihm seine Eltern und ziehen bei seiner Tante ein.

Dickie identifiziert sich mit dem rätselhaften Einhornjäger Kahn, was unter anderem daran liegt, dass er oft von Khan träumt und so zufälligerweise viele Taten des Jägers vorhersagen kann. Kahn ähnelt äußerlich eher einem Tier als einem Menschen, da seine Kleidung aus Haut und Fell besteht. Er schenkt dem Drachentöter Jimmy bei ihrer ersten Begegnung einen glücksbringenden Talisman aus einer Knochenkugel. Später befreit er ihn aus der Gefangenschaft der Knüppler, die ihn und viele Gnome zum Arbeiten festhalten. Khan ist von Jimmys Mut begeistert und unterstützt ihn auf der Reise zum Schloss des Riesen. Nach der erfolgreichen Mission bietet er Jimmy an, ihn auf der Jagd zu begleiten, doch dieser fühlt sich einem anderen Weg bestimmt. Khan reitet demnach auf den Horizont zu und verschwindet »in einer wilden und menschenleeren Welt« (S. 305).

Carolyn Jasmin Jewels

Carolyn ist 14 Jahre alt und »so schön wie ein Filmstar« (S. 41) mit ihren langen blonden Haaren. Sie liegt schon seit acht Jahren in der Eisernen Lunge und bekommt schon lange keinen regelmäßigen Besuch mehr von ihren Eltern, die ein weiteres Kind bekommen haben und mit diesem viele schöne Orte bereisen, die Carolyn nie sieht. Aus diesem Grund ist sie frustriert und wütend und verhält sich ihren Zimmerkameraden und den Krankenschwestern gegenüber trotzig. Lauries Geschichte findet sie anfangs kindisch, mit der Zeit hört sie jedoch gerne zu. Langsam öffnet sie sich den anderen Patienten gegenüber. Am Ende des Romans darf Carolyn die Eiserne Lunge verlassen und auf Wunsch ihrer Eltern nach Hause gehen, wo sie an ein Beatmungsgerät angeschlossen werden soll.

Sie identifiziert sich mit der Moorhexe Jasmin, welche als schönes Mädchen ihre liebende Zigeunerfamilie verlässt und gegen Ende der Geschichte zu ihren Eltern und ihrer Schwester zurückkehrt. Die Hexe lebt hinter dem bodenlosen Moor, sieht seit ihrer Einsamkeit aus wie ein Frosch und bekommt aus diesem Grund nur sehr selten Besuch. Sie ist stark beeinflussbar und fürchtet sich vor dem Riesen Collosso. Da sie sich dies jedoch nicht anmerken lässt und sicher auftritt, hören die umliegend lebenden Tiere auf sie. Jimmy und seine Begleiter Khan und Finnegan nehmen sie mit zum Riesen, da Jasmin ihr Moor jedoch nicht verlassen kann, füllt die Gruppe den Wagen mit Schlamm und die Hexe setzt sich hinein. Durch Jimmys Bitte an den Wunschbringer, sie alle glücklich leben zu lassen, wird die Hexe wieder so, wie sie als junges Mädchen war. Nur ihr äußeres Erscheinungsbild bleibt gleich.

Chip

Chip ist seit circa einem Jahr in der Eisernen Lunge. Es ist ihm unangenehm, dass alle anderen Besuch oder Post bekommen, aus welchem Grund er Miss Freeman darum bittet, fremde Fotos und Karten auf Flohmärkten zu besorgen und als Post an ihn auszugeben. Einige Fotos zeigen Autos und somit spielt er vor, viel über die Fahrzeuge zu wissen und sie mit seinem Vater reparieren zu können. In Wahrheit erinnert er sich jedoch kaum an seinen Vater, da er seit seinem sechsten Lebensjahr in unterschiedlichen Pflegefamilien aufwächst. Er ist von Laurie und ihrer Geschichte begeistert und stellt eifrig Nachfragen zum Geschehen. Als sich die anderen Kinder mit einzelnen Charakteren der Geschichte identifizieren und auch er jemandem zugewiesen wird, muss er zugeben, dass die Fotos nicht wirklich ihn zeigen und dass er in Wahrheit nicht weiß, wie man Autos repariert.

Er identifiziert sich mit dem Reiter Finnegan Flanders, der vorgibt, der beste Viehtreiber auf der großen Nordroute zu sein. In Wahrheit ist er jedoch kein Wagenlenker und weiß nicht, wie er den von Collosso zerstörten Wagen reparieren soll. Finnegan Flanders trifft den Riesentöter Jimmy und den Einhornjäger Khan, nachdem er mit der Hilfe von tatsächlichen Viehtreibern frei herumlaufende Ochsen in die Stadt gescheucht hat, um sie dort zu verkaufen. Er schließt sich ihnen an und begleitet die beiden zum Schloss des Riesen, um ihn zu töten. Nachdem dies vollbracht ist, genießt er als einziger den Jubel der Menge und reitet mit sechs jungen Damen auf seinem Sattel davon. Später lernt er, wie man Wagen baut, und verkauft erfolgreich das Modell ‚Flanders-Wagen‘. Er zieht in große Abenteuer und erkundet dabei die ganze Welt.

James Miner

James ist ein junger Patient im Bishop’s Memorial Krankenhaus, der von der Geschichte erfährt und sich dazugesellt, wenn Laurie zu Besuch ist. Er ist stets bäuchlings auf einem Rollbrett unterwegs, um seine Arm- und Beinmuskeln zu trainieren. An seine Mutter erinnert James sich kaum und sein Vater besitzt ein billiges Lebensmittelgeschäft, in welchem James ihm vor seiner Erkrankung immer helfen musste. Er ist im Krankenhaus, da sein Vater ihn für eine finanzielle Aufwandsentschädigung an einem Poliotest hat teilnehmen lassen, der zur Findung eines Impfstoffes helfen sollte. James ist ein aufgeweckter und interessierter Junge, der, während Laurie ihre Geschichte erzählt, gerne in Zeitschriften blättert. Gegen Ende lernt James, wieder zu laufen, woraufhin er fotografiert und in der Zeitung abgelichtet wird. Der Artikel bezeichnet den Jungen als »Polio-Pionier« (S. 342), der beinahe sein Leben lassen musste, um die medizinische Wissenschaft voranzutreiben, und ohne den die Krankheit wahrscheinlich nie hätte besiegt werden können.

Er identifiziert sich mit dem Riesentöter Jimmy, welcher ebenfalls von einem gemeinen Vater und ohne Mutterfigur zum Arbeiten erzogen wurde. Außerdem wurden beide während eines Gewitters geboren.

Miss Freeman

Miss Freeman ist eine hübsche schwarzhaarige Krankenschwester im Bishop’s Memorial Krankenhaus. Die jungen Patienten liegen ihr sehr am Herzen und sie erlaubt Laurie, ihren Freund Dickie ohne Einwilligung ihrer Eltern zu besuchen. Die Schwester ist freundlich und lässt sich unangenehme Situationen, wie zum Beispiel den Gestank beim Wechseln der Bettpfannen, nicht anmerken. Man sieht sie stets »mit einem strahlenden Lächeln und einer fröhlichen Stimme« (S. 36).

Literarische Kritik

Der Riesentöter erhielt ein insgesamt sehr positives Presseecho. Die Süddeutsche Zeitung lobt das Aufgreifen des weitgehend unbekannten Abschnittes der Medizingeschichte und bezeichnet Iain Lawrences Werk als einen »aufwühlende[n] Roman, der den Leser fesselt« und durch die Macht der Fantasie dazu in der Lage ist, den Zusammenhalt und die Solidarität zwischen kranken Kindern zu fördern.[3] Kurz nach dem Erscheinen der deutschen Übersetzung listete der Deutschlandfunk den Roman als eines von den besten sieben Büchern für Kinder auf.[4]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Der Riesentöter, geistesleben.de, abgerufen am 13. Juli 2019
  2. Buch: Der Riesentöter. In: jugendliteratur.org. Arbeitskreis für Jugendliteratur e.V., abgerufen am 11. Juli 2019.
  3. Der Riesentöter von Iain Lawrence. In: buecher.de. Abgerufen am 12. Juli 2019.
  4. Ute Wegmann: Kritik – Die besten 7 Bücher für junge Leser im Monat November (Archiv). In: deutschlandfunk.de. Deutschlandfunk, 4. November 2018, abgerufen am 11. Juli 2019.