Der schweigende Stern

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Film
Deutscher Titel Der schweigende Stern (DDR),
Raumschiff Venus antwortet nicht (Bundesrepublik Deutschland)
Originaltitel Der schweigende Stern,
Milcząca Gwiazda
Produktionsland DDR, Polen
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahr 1960
Länge 90 Minuten
Altersfreigabe FSK 12
Stab
Regie Kurt Maetzig
Drehbuch Jan Fethke,
Wolfgang Kohlhaase,
Günter Reisch,
Günther Rücker,
Alexander Graf Stenbock-Fermor
Produktion DEFA, Gruppe „Roter Kreis“
Film Polski, Gruppe „Iluzjon“
Musik Andrzej Markowski
Walter Greene
Kamera Joachim Hasler
Schnitt Lena Neumann
Besetzung

Der schweigende Stern ist der erste Science-Fiction-Film des DEFA-Studios für Spielfilme (Gruppe „Roter Kreis“) aus dem Jahr 1960, der in Co-Produktion zwischen der DDR und Polen entstand. Gleichzeitig war es der erste polnische Science-Fiction-Film.

Der Spielfilm kam am 26. Februar 1960 in die Kinos der DDR. In die Lichtspielhäuser der Bundesrepublik Deutschland kam der Film am 9. September 1960 im Verleih der Constantin Film unter dem Titel Raumschiff Venus antwortet nicht. Heute ist der Film wieder unter dem Originaltitel erhältlich.

Handlung

Im Jahr 1970 finden Wissenschaftler in der Wüste Gobi eine fremdartige Spule mit einer verschlüsselten Botschaft. Während an der Entschlüsselung der Nachricht gearbeitet wird, bringen Wissenschaftler den Fund mit dem Tunguska-Ereignis von 1908 in Verbindung. Dabei stellt man fest, dass der vermeintliche Asteroidenabsturz in Sibirien die Explosion eines Raumschiffs der Venus war. Wissenschaftler vermuten daher, dass die Datenspule vor dem Absturz von der Besatzung des Raumschiffs abgeworfen wurde, um sie zu retten. Die Nachricht auf der Datenspule kann zunächst nur in Teilen entschlüsselt werden. Sie enthält unter anderem eine Aufzählung der auf der Erde befindlichen chemischen Elemente.

Nachdem alle Versuche, mit der Venus bzw. deren Bewohnern Kontakt aufzunehmen, gescheitert sind, wird beschlossen, eine Expedition zur Venus zu senden. Die acht Mitglieder der Mannschaft sind unterschiedlicher Nationalität. Zu ihr zählen die japanische Ärztin Dr. Sumiko Ogimura, der deutsche Pilot Brinkmann, der sowjetische Kosmonaut Arsenjew, ein afrikanischer Techniker namens Talua und der US-amerikanische Atomphysiker Hawling. Ebenfalls zur Besatzung gehören der indische Mathematiker Sikarna und der chinesische Linguist Tschen Yü sowie der polnische Chefingenieur Soltyk. Die Besatzung startet mit dem Raumschiff Kosmokrator zur Venus.

Während des Fluges kann die Nachricht vollständig entschlüsselt werden. Sie sagt aus, dass die Venusbewohner einen Angriff auf die Erde vorbereiten. Dennoch entschließt sich die Besatzung zum Weiterflug, denn da der Angriff bisher nicht stattgefunden hat, besteht vielleicht noch eine Chance zur friedlichen Kontaktaufnahme.

Nach der Landung stellt sich heraus, dass auf der Venus eine erhöhte Radioaktivität messbar ist. Die Expedition findet auf dem Planeten technische Anlagen und Maschinen, deren Funktion zunächst nicht geklärt werden können, sowie einige unbekannte Pflanzensamen, jedoch keine lebenden Wesen. Die Menschen folgen einer Energieleitung bis zu einer verlassenen Stadt und finden dort ein Gebäude, das offenbar eine Art Kommandozentrale war. Aus Unachtsamkeit setzen sie dort einen Mechanismus in Gang, der eine Strahlenkanone zum Beschuss der Erde aktiviert.

Die Menschen finden heraus, dass die Venuszivilisation während der Vorbereitungen zum Überfall der Erde in einer nuklearen Katastrophe ausgelöscht wurde, wobei ungeklärt bleibt, ob ein Krieg oder ein nuklearer Unfall die Ursache gewesen ist.

Gerade rechtzeitig gelingt es, den Mechanismus anzuhalten. Drei Besatzungsmitglieder verlieren dabei ihr Leben, die übrigen werden mit dem Kosmokrator ins All geschleudert und können zur Erde zurückkehren.

Produktion

Science Fiction vor dem Hintergrund des Kalten Krieges

Der nach Stanisław Lems erstem Roman von 1951 „Die Astronauten“ (bzw. „Der Planet des Todes“) in Totalvision gedrehte Farbfilm mit 4-Kanal-Magnetton[1] wurde genau zu jener Zeit produziert, als der erste künstliche Flugkörper im Rahmen der sowjetischen Lunik-Mission gezielt auf der Mondoberfläche aufschlug.

Hauptthema des Films ist die Warnung vor einer nuklearen Katastrophe – einer Gefahr, die angesichts des Kalten Krieges und der Atombombentests in den USA und der Sowjetunion in den 1950er Jahren gegeben war. Dargestellt wird es im Film am Beispiel der Bewohner des Planeten Venus, die die Erdbevölkerung mit „Nuklearstrahlen“ ausrotten wollten, stattdessen aber durch ihre eigenen Waffen umkamen. Zudem wird im Film an mehreren Stellen auf den Atombombenabwurf auf Hiroshima Bezug genommen: Sumiko Ogimura erlebte als elfjähriges Mädchen den Bombenabwurf mit und ist deshalb unfruchtbar, Hawling arbeitete am Manhattan-Projekt mit.

Stanisław Lem äußerte sich kritisch zur propagandistischen, vereinfachenden Filmfassung seines Romans.[2]

Produktionsnotizen

Produziert wurde der Film in Studios in Babelsberg und in Breslau, Außenaufnahmen entstanden im polnischen Zakopane sowie auf dem Gelände des Flugplatzes Berlin-Johannisthal. Das dort aufgebaute Modell des Kosmokrators veranlasste eine Westberliner Tageszeitung, von einer vermeintlich echten Rakete zu berichten, der ersten in der Sowjetzone gebauten, was sich aber schon wenige Tage später als Falschmeldung erwies.[3]

Der Film kostete etwa 5.750.000 Mark der DDR; der DEFA-Anteil belief sich auf 80 % oder 4,6 Millionen DDR-Mark.[4]

Die Handlung wurde nur zehn Jahre in die Zukunft verlegt, was für einen Science-Fiction-Film an sich ungewöhnlich ist. Die Drehbuchautoren steckten hier in einem Dilemma: Natürlich war klar, dass es noch einige Jahrzehnte dauern würde, bis Reisen zu einem anderen Planeten möglich sind. Andererseits durfte sich aber der Zeitrahmen nicht so weit vom Bombenabwurf auf Hiroshima entfernen, wollte man nicht auf ein wichtiges Element der Handlung verzichten. Ähnliche DEFA-Produktionen von utopischen Filmen sind Signale – Ein Weltraumabenteuer von 1970, Eolomea von 1972 und Im Staub der Sterne von 1976.

Die technischen und visuellen Effekte waren zur damaligen Zeit bemerkenswert und besitzen noch einen ganz eigenen Charme (für die Landesequenz des Kosmokrators am Ende des Films wurde z. B. einfach die Startsequenz rückwärts abgespielt). Interessant anzusehen sind auch die Computer und Steuertafeln im Raumschiff, die einen Blick in eine „vergangene Zukunft“ erlauben.

Dies ist der letzte Film, den Ruth Maria Kubitschek mit der DEFA drehte; noch vor dem Erscheinen im Jahr 1960 verließ sie die DDR.

Vertrieb

Unter dem Titel First Spaceship on Venus gelangte eine auf 82 Minuten gekürzte Version in die USA und nach Großbritannien. Diese Version bekam eine neue Filmmusik von Gordon Zahler und ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil in dieser Version aus dem Leiter der Mission, dem Russen Arsenjew, der Amerikaner Heddingway wurde und aus dem Polen Soltyk der Franzose Durand. Der ursprüngliche Amerikaner im Film, Hawling, der sich dieser internationalen Mannschaft anschloss, wurde zu einem Professor Orloff. An Dialogen wurde alles entfernt, was auf Hiroshima hinwies. So entfernte man sowohl den Tod von Sumikos Mutter durch die Atombombe als auch ihre eigene Unfruchtbarkeit durch die Strahlung. In einer Szene zeigt der Amerikaner Hawling dem Russen Arsenjew ein Bild, gemalt von seinem Sohn, welches beide Wissenschaftler zusammen in einem „Raumschiff zu den Sternen“ zeigt. Diese Szene wurde ebenfalls entfernt.

Der amerikanische Verleih des Films, Crown International Pictures, entfernte auch den Hinweis auf das Filmmaterial von Agfacolor und gab an, der Film sei im Format „Totalvision in Technicolor“ gedreht worden.

Kritiken

„Der in Co-Produktion zwischen der DDR und Polen entstandene Science-Fiction-Film kleidet seine warnende politische Botschaft in ein utopisches Gewand. Ein ehrgeiziges Projekt der frühen DEFA, die hier mit Geschick und Improvisationskunst die aufwendigen ‚westlichen‘ Kinofilme zu kopieren versuchte.“

„Fans und Kritik lobten international die Spezialeffekte und die Bauten (vor allem das Raumschiffinnere).“

Lexikon des Science Fiction Films: [6]

Nachwirkung

Der schweigende Stern gehört mit über 4,37 Millionen Besuchern zu den 50 erfolgreichsten DEFA-Filmen.[7]

Eine kurze Sequenz aus dem Film ist 1980 als Film im Film in der US-amerikanischen Low-Budget-Science-Fiction-Parodie Galaxina genutzt worden.

Auszeichnungen

  • 1964: Goldenes Raumschiff beim Filmfest von Triest.

Literatur

  • Günter Agde (Hg.): Kurt Maetzig. Filmarbeit. Gespräche, Reden, Schriften. Henschelverlag Kunst und Gesellschaft, Berlin, S. 121–124, 275–278. ISBN 3-362-00039-8.
  • Burghard Ciesla: Droht der Menschheit Vernichtung? Der schweigende Stern – First Spaceship on Venus: Ein Vergleich. In: Apropos Film. Bertz, Berlin 2002, ISBN 3-929470-23-3, S. 121–136. (ein ausführlicher Nachweis der Änderungen in der US-amerikanischen Version des Filmes).
  • Sonja Fritzsche: Dreams of „Cosmic Culture“ in „Der schweigende Stern“. In: Re-imagining DEFA. East German cinema in its national and transnational contexts, hrsg. Seán Allan, Sebastian Heiduschke. New York 2016, ISBN 978-1-78533-107-7, S. 210–226.
  • Karsten Kruschel: Leim für die Venus. Der Science-Fiction-Film in der DDR. In: Wolfgang Jeschke (Hrsg.): Das Science Fiction Jahr. 22. Ausgabe, Heyne Verlag, München 2007, ISBN 3-453-52261-3, S. 803–888.
  • Gerhard Wiechmann: Leit- und Feindbilder im Science-fiction-Film. Die DDR-Produktion „Der schweigende Stern“. In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Leit- und Feindbilder in DDR-Medien. (Schriftenreihe Medienberatung, Heft 5), Bonn 1997, S. 9–27.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. F.B. Habel: Das große Lexikon der DEFA-Spielfilme, Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2000, Seite 525
  2. „Filmowe światy Stanisława Lema“, zit. im Buch Thus Spoke... Lem
  3. Die Ost-Venusier . Der Spiegel, 23. Juni 1959, abgerufen am 30. Mai 2021.
  4. Herbert Heinecke: Zukunft im Film: sozialwissenschaftliche Studien zu Star Trek und anderer Science Fiction. Scriptum-Verlag, Magdeburg 2000, ISBN 978-3-933046-47-5, S. 60.
  5. Der schweigende Stern. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 2. März 2017.
  6. Ronald M Hahn und Volker Jansen: Lexikon des Science Fiction Films. München 1997, Band 1, S. 725.
  7. Die erfolgreichsten DDR-Filme in der DDR. In: insidekino.de, abgerufen am 10. August 2016.