Der vergessene Alchimist

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Operndaten
Titel: Der vergessene Alchimist
Der vergessene Alchimist. sirene Operntheater 2009.jpg

Szenenbild

Form: Kammeroper
Originalsprache: Deutsch
Musik: François-Pierre Descamps
Libretto: Kristine Tornquist
Literarische Vorlage: Leo Perutz: Nachts unter der steinernen Brücke
Uraufführung: 5. Juni 2009
Ort der Uraufführung: Wien, sirene Operntheater in der Ankerbrotfabrik
Spieldauer: ca. 1 Stunde
Ort und Zeit der Handlung: Prager Judenstadt, 1592
Personen

Der vergessene Alchimist[1] ist die erste Kammeroper des französischen Komponisten François-Pierre Descamps aus dem Jahr 2009 in Zusammenarbeit mit Kristine Tornquist (Libretto) und dem sirene Operntheater Wien. Die Geschichte des Hofalchimisten Jakobus van Delle ist dem Roman Nachts unter der steinernen Brücke von Leo Perutz entnommen. Es ist darin die zehnte von insgesamt vierzehn Erzählungen und trägt im Roman den Titel Der vergessene Alchimist.

Handlung

Der Kaiser hat finanzielle Probleme. Er ist seit Langem zahlungsunfähig, verschuldet sich aber immer mehr, um Kunstwerke zu kaufen. Er ist verzweifelt, als die Räte ihm für einige Gemälde kein Geld mehr bewilligen wollen. Sein Leibkammerdiener Philipp Lang beruhigt ihn und rät ihm, statt auf Alchimisten wie Jakobus van Delle zu setzen, sich geschäftlich mit dem reichen Juden Mordechai Meisl zusammenzutun.

Der Hofalchimist Jakobus van Delle hat beim Kaiser seinen Kopf darauf verwettet, dass er bis zum St.-Wenzels-Tag einen Barren Gold erzeugt haben werde. Doch die Umwandlung von Blei in Gold ist misslungen und van Delle hat Todesangst.

Sein Freund, der Ofenmeister und ehemalige Hofnarr Brouza, beschließt, ihm zur Flucht aus der Burg und zu Geld für die Weiterreise zu verhelfen. Dazu geht er zum Kaiser und reizt ihn solange, bis der Kaiser auf ihn losgeht. Brouza lässt sich verprügeln, doch danach beklagt er sich, was der verstorbene Vater des Kaisers, dessen liebster Hofnarr er war, dazu sagen würde. Um ihn und sein Gewissen zu beschwichtigen, gibt ihm der Kaiser drei Gulden.

Brouza bringt die drei Gulden zu van Delle und hilft ihm, mit einer Strickleiter aus der Burg zu entkommen. Dabei verletzt sich van Delle und versteckt sich ängstlich in Brouzas kleinem Haus. Die Flucht des Alchimisten wird erst lange Zeit nach dem Wenzelstag bemerkt, doch der Kaiser hat die Wette ohnehin längst vergessen. Und Philipp Lang erklärt dem Brouza, dass der Kaiser einen neuen, erfolgreicheren Goldmacher für sich gewonnen habe. Als van Delle das erfährt, ist er so gekränkt, dass er sich die Pulsadern aufschneidet und stirbt. Sein Freund Brouza ist untröstlich wie damals, als Kaiser Maximilian starb.

Kunst, Gold und Geld

Die Novelle Der vergessene Alchimist ist ein komplexes Gefüge von ökonomischen Zusammenhängen zwischen Metaphysik und Realität. So wird die symbolische – also geistig-transzendete – Goldmacherei des ernsthaften Alchimisten gegen die praktische – materielle – Geldmacherei des Händlers eingetauscht – und zwar, um damit wiederum eine spirituelle Welt einzurichten und zu unterhalten: Rudolfs Kunstsammlung.

Es zeigt sich also als unmöglich, eine rein spirituelle Welt zu denken und die symbolische Welt mit symbolischen Kräften anzutreiben, denn auch das scheinbare Schwerelose der Kunst benötigt den handfesten Untergrund der realen Finanzierung.

Um diesen Zusammenhang noch komplexer zu machen, lässt Perutz den Geldmacher Meisl allerdings von übernatürlichen Kräften darin unterstützt werden. Denn hinter der praktischen Welt des Materials lässt Perutz Gottes Plan stehen, wie in einer anderen Novelle im Roman – Der entwendete Taler – erzählt wird.

Die finanzielle Ordnung lässt sich also nicht gegen den göttlichen Generalplan erstellen, auch Rudolf kann sich nur in diesen großen Handelsplan einfügen, indem er Meisl im Gegenzug Privilegien und gesellschaftliche Werte verkauft – und damit wieder eine immaterielle Ware gegen das Geld tauscht.

Auch wenn Brouza, der Hofnarr Maximilians und Ofenheizer Rudolfs, um den Kunstsammler Rudolf zu reizen, den Handel mit Kunst dem bezahlten Verrat Judas’ an Christus gleichsetzt, um selbst daraus bare Münze zu schlagen, die er wiederum für die Flucht und Rettung seines Alchimistenfreundes benötigt, stehen die Systeme immer in Wechselwirkung: selbst höhere immaterielle Zwecke, selbst immaterielle Mittel zur Erreichung derselben, müssen immer doch die Sphäre der realen Ökonomie durchqueren, um sich in einer realen Welt behaupten zu können.

Wer sich dieser Wechselwirkung entziehen will – wie der Alchimist, der aus dem Immateriellen edles Material gewinnen zu können glaubt – muss scheitern.

Perutz greift mit seiner Geschichte einer historischen Entwicklung voraus. Ein knappes Jahrhundert später kann man Zusammenhänge zwischen der Erfindung des Papiergeldes (Schweden 1661) und dem Niedergang der Alchemie beobachten – die Ablösung des materiellen Wertes vom Material Gold ist eine Abstraktion der Ökonomie, die seither laufend zugenommen hat, sodass die Ökonomie scheinbar selbst immateriellen, symbolischen Charakter angenommen hat.

Perutz spielt hier auf den historischen Ofenheizer Bartholomäus Blahel an. Von Blahel ist überliefert, dass er unbeeindruckt war von Einfluss und Macht des Kammerherrn Philipp Lang, dessen unsaubere Bereicherungen er als einer der ersten erkannt und benannt haben soll.

Perutz bezieht sich auf den konvertierten Juden, Hofpoeten und (wenig bedeutenden) Alchimisten Mardochäus de Delle an, der Gedichte über alchimistische Metallverwandlungen verfasste und mit dem Kaiser experimentierte. Die Geschichte mit dem auf der Flucht verletzten Fuß leiht sich Perutz aber von einem der berühmtesten Alchimisten an Rudolfs Hof, Edward Kelley.

Gegen Ende seines Lebens, als sein psychischer und geistiger Zustand immer schlechter wurde, mied Rudolf die höheren Ränge und Adeligen und war mit einer Reihe von Kammerdienern dafür umso vertrauter. Philipp Lang, konvertierter Jude aus Tirol, war einer von ihnen. Er hatte großen Einfluss, intrigierte am Hof, bereicherte sich ungeniert und wurde zuletzt dafür auch vor Gericht gestellt.

Die seidene Leiter, auf der Perutz den van Delle fliehen lässt, ist nach Mandelartz eine Anspielung auf die Jakobsleiter als Verbindung zwischen Himmel und Erde.

Gestaltung

Szenenfolge

  1. 1592. Rudolf II., der Kaiser
  2. Jakobus van Delle, der Alchimist
  3. Phillip Lang, der Kammerdiener
  4. Brouza, ehemaliger Ofenmeister
  5. Der Kaiser und der Hofnarr
  6. Die Flucht des Alchimisten
  7. Der Jude Mordechäus Meisl
  8. Reichtum
  9. Verzweiflung
  10. Der Tod des Alchimisten
  11. Der Rabbi Löw

Besetzung

Werkgeschichte

Der Uraufführung[2] fand am 5. Juni 2009 in der Ankerbrotfabrik Wien statt. Es folgte eine Aufführung am 06. Juni. Die beiden Aufführungen waren der dritte Teil des über neun Wochen angelegten Opernuraufführungsprojektes Nachts[3] des sirene Operntheaters, bei dem neun Erzählungen aus Perutz’ Roman Nachts unter der steinernen Brücke ausgewählt, als jeweils eigenständige Kammeroper ausgearbeitet und in einem zusammenhängenden Zyklus wöchentlich zur Uraufführung gebracht wurden.[4]

Die musikalische Leitung übernahm François-Pierre Descamps, Regie führte Kristine Tornquist. Es spielte das österreichische Ensemble PHACE (damals ensemble_online).

Sänger

  • John Sweeney (Jakobus van Delle)
  • Raimund Klebel (Brouza)
  • Rupert Bergmann (Kaiser Rudolf II.)
  • Petr Strnad (Philipp Lang)
  • Johann Leutgeb (Mordechai Meisl)
  • Dimitrij Solowjow (Rabbi Löw)

Leading Team

Musikerinnen und Musiker

  • Birgit Böhm (Flöte)
  • Reinhold Brunner (Klarinette)
  • Angela Radanovics (Harfe)
  • Johannes Dickbauer (Violine)
  • Jacqueline Kopacinski (Viola)
  • Nikolay Gimaletdinov (Violoncello)
  • Tibor Kövesdi (Kontrabass)
  • Berndt Thurner (Schlagwerk)

Den Ehrenschutz der Uraufführung übernahm die damalige Ministerin für Unterricht, Kunst und Kultur der Republik Österreich Claudia Schmied.

Weblinks

Einzelnachweise