Die Darbringung Christi im Tempel (Giovanni Bellini)
Die Darbringung Christi im Tempel ist eine Darstellung der Heiligen Familie des italienischen Malers Giovanni Bellini. Das Ölgemälde auf Holz mit einer Größe von 80 cm × 105 cm, dessen Entstehung zwischen 1450 und 1475 datiert wird, befindet sich in der Fondazione Querini Stampalia in Venedig. Die Darstellung des Herrn wird im Lukasevangelium beschrieben, wonach Jesus wie jeder erstgeborene Sohn 40 Tage nach der Geburt im Tempel präsentiert und mit einem Opfer ausgelöst wurde.[1]
Datierung
Die Datierung des Werkes ist ungewiss, es wird jedoch allgemein angenommen, dass Bellini das Motiv von seinem Schwager Andrea Mantegna übernahm, welcher dieses um 1454/1455 mit dem gleichen Titel Die Darbringung Christi im Tempel malte. Die Kompositionen beider Künstler sind kongruent, da Bellini eine sehr ähnliche Platzierung der Figuren übernahm. Die Hauptfiguren sind die gleichen wie in Mantegnas Werk, Bellinis Bild enthält noch zwei Figuren zusätzlich. Bei beiden Werken ist unbekannt, ob sie im Auftrag entstanden und ob die Figuren, wie manchmal vermutet, Mitglieder der Familien ihrer Urheber darstellen.[2]
Bei Bellinis und Mantegnas Gemälden Darbringung im Tempel wird auch angenommen, dass das Jesuskind beschnitten wurde.[3][4]
Das Gemälde wurde von der Fondazione Querini Stampalia in Venedig konserviert.
Beschreibung und Stil
Bellinis Gemälde ist etwas größer als Mantegnas, aber der Maßstab der Halbfiguren identisch.[4] Die Jungfrau Maria hält das Jesuskind, dessen Füße auf einem Kissen stehen, während der langbärtige Prophet Simeon im Begriff ist, das Kind entgegenzunehmen. Im Mittelpunkt befindet sich noch der heilige Josef, der nach Ansicht einiger Wissenschaftler ein Porträt von Bellinis Vater Jacopo sein könnte. An den Seiten fügte der Maler zwei weitere Figuren hinzu. Die beiden Männer auf der rechten Seite werden als das Selbstporträt des Autors (der den Betrachter ansieht) sowie das Porträt seines Bruders Gentile identifiziert, während die Frauen auf der linken Seite seine Ehefrau Ginevra Bocheta (oder seine Schwester Nicolosia[5]) mit ihrer Mutter Anna sein könnten.
Das Bild seines Schwagers Mantegna ist von einem Rahmen umschlossen, den Bellini durch eine tiefe Brüstung ersetzte, wodurch seine Darstellung weniger konzentriert, dafür mehr erzählend wirkt. Mantegna richtet das Bildlicht auf die Hauptfiguren Christus, Maria und Simeon, während Bellinis Figuren gleichmäßig ausgeleuchtet sind.[2]
Marias Kopfschmuck ist weiß und ihr Kleid ist weniger kostbar als in seinem Gemälde Die Beschneidung Christi. Das kleine Loch in Marias langem Ohrläppchen, das zum Tragen eines Ohrrings gedacht ist, wird nicht nur als Zeichen jüdischer Identität interpretiert, da nur jüdische Frauen vor dem 15. Jahrhundert Ohrringe trugen, sondern der von Maria getragene Ohrring hat auch in der christlichen Kunst verschiedene Bedeutungen. Neben ihrer jüdischen Identität zeigt es ihre orientalische Herkunft und interpretiert ihre Person als Kirche (Mater Ecclesia), wie von Bernhard von Clairvaux angegeben. Der rote Kopfschmuck der beiden Frauen wird den sephardischen (d. h. spanischen) Juden in Venedig zugeschrieben, woher Bellinis christliche Familie stammte. Daher ist die Interpretation der roten Farbe nicht klar, weil christliche Frauen Rot trugen. Die Darstellung im Tempel zeigt also eine enge Beziehung zwischen den Gläubigen und den in der Szene gezeigten Personen.[5]
Sonstiges
Von Bellini existiert noch eine weitere Darbringung Christi im Tempel im Kunsthistorischen Museum Wien.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Staatliche Museen zu Berlin: Erfindung oder Nachahmung. In: Mantegna+Bellini. Abgerufen am 11. Juli 2020 (deutsch).
- ↑ a b Brigit Blass-Simmen, Stefan Weppelmann: Padua and Venice: Transcultural Exchange in the Early Modern Age. Walter de Gruyter GmbH & Co KG, 2017, ISBN 978-3-11-046540-2 (google.de [abgerufen am 11. Juli 2020]).
- ↑ Yaron Harel, Mauro Perani: The Jews in Italy: Their Contribution to the Development and Diffusion of Jewish Heritage. Academic Studies PRess, 2019, ISBN 978-1-64469-258-5 (google.de [abgerufen am 13. Juli 2020]).
- ↑ a b Renate Prochno: Konkurrenz und ihre Gesichter in der Kunst: Wettbewerb, Kreativität und ihre Wirkungen. Oldenbourg Verlag, 2010, ISBN 978-3-05-004991-5, S. 83–85 (google.de [abgerufen am 11. Juli 2020]).
- ↑ a b Yaron Harel, Mauro Perani: The Jews in Italy: Their Contribution to the Development and Diffusion of Jewish Heritage. Academic Studies PRess, 2019, ISBN 978-1-64469-258-5 (google.de [abgerufen am 13. Juli 2020]).