Disaccharide

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Saccharose (Rohrzucker), das am häufigsten vorkommende Disaccharid aus Glucose und Fructose, welche 1,2-verknüpft sind

Disaccharide (veraltet Zweifachzucker[1], selten Biosen[2]) sind organisch-chemische Verbindungen aus der Gruppe der Kohlenhydrate. Formal bilden sich Disaccharide durch Wasserabspaltung zwischen zwei Monosacchariden.[3] Die beiden Monosaccharide (Einfachzucker) sind im Disaccharid kovalent über eine glycosidische Bindung verknüpft. Disaccharide zählen zur Gruppe der Oligosaccharide.[4]

Das wirtschaftlich wichtigste Disaccharid ist der Rohr- und Rübenzucker, die Saccharose. Dieser wird heute industriell aus dem Zuckerrohr und aus Zuckerrüben gewonnen und stellt keinen essenziellen Bestandteil der menschlichen Ernährung dar. Allen Disacchariden gemeinsam ist ihr süßer Geschmack, und vor allem Saccharose dient heute als Süßungsmittel in der menschlichen Ernährung.

Nomenklatur

Nummerierung von β-Glucose 1 und α-Glucose 2, es sind nur die Nummern der Kohlenstoffatome 1, 4 und 6 angegeben.

Die Nummerierung der Kohlenhydrate beginnt am Kohlenstoffende mit dem höchst oxidierten Kohlenstoffatom, das in der offenkettigen Form der Monosaccharide einen Aldehydrest trägt oder benachbart zu einem Keton ist. Die Bezeichnungen α und β legen die Stereochemie am anomeren Zentrum fest.

Eine verkürzte Schreibweise verwendet eine Kurzbezeichnung aus drei Buchstaben für die Monosaccharide und die Suffixe f und p für Furanose und Pyranose.

Eigenschaften

Disaccharide sind farblose Feststoffe, die in Wasser leicht, in Ethanol schwerlöslich und in den meisten organischen Lösemitteln unlöslich sind. Man kennt sowohl α- als auch β-verknüpfte Disaccharide, sowie Verknüpfungen an jeder Position. Die 1,4- und 1,6-verknüpften Disaccharide kommen in der Natur bei weitem am häufigsten vor. Disaccharide sind wie auch die Monosaccharide temperaturempfindlich und zersetzen sich beim Erhitzen auf Temperaturen über ihren Schmelzpunkt oder bereits am Schmelzpunkt und sind daher auch im Vakuum nicht destillierbar. Die Reinigung erfolgt daher normalerweise über Umkristallisation oder in kleiner Menge durch Chromatographie. In Lösung sind Disaccharide meist stabil bei pH-Werten ≥7, hydrolysieren jedoch schon im schwach sauren Bereich. Bei der sauren Hydrolyse von Disacchariden entstehen zwei Monosaccharide, so entstehen aus Saccharose (Summenformel C12H22O11) beispielsweise die Monosaccharide D-Glucose (C6H12O6) und D-Fructose (Summenformel C6H12O6).[5] Das bekannteste und auch am häufigsten vorkommende Disaccharid ist die Saccharose, der Haushalts-, Rohr- und Rübenzucker.

Je nachdem, wie die beiden Einfachzucker verbunden sind, werden reduzierende und nichtreduzierende Disaccharide unterschieden. Bei den reduzierenden Disacchariden ist mindestens ein anomeres Kohlenstoffatom nicht an der glycosidischen Bindung beteiligt. Bei den nichtreduzierenden Disacchariden sind die beiden anomeren Kohlenstoffatome direkt verbunden. Reduzierende Zweifachzucker sind zwar im basischen pH-Bereich stabil gegenüber Hydrolyse, jedoch sehr empfindlich gegenüber Oxidationsmitteln.

Im kristallinen Zustand und in wässriger Lösung sind viele Disaccharide wie Cellobiose, Lactose und Saccharose durch intramolekulare Wasserstoffbrücken (HBB) stabilisiert, wodurch auch die jeweils stabilste Konformation des Moleküls festgelegt wird. Die HBB können bei nichtwässrigen Lösungsmitteln auch variieren.

Vorkommen

Die Zuckerrübe [Beta vulgaris subsp. vulgaris (Altissima-Gruppe)] ist die bedeutendste Zuckerpflanze der gemäßigten Breiten.
Zuckerrohr (Saccharum officinarum) enthält reichlich Saccharose.[6]
Würfelzucker

Disaccharide kommen in tierischen Organismen selten vor. Die Ausnahmen sind die Trehalose in der Hämolymphe der meisten Insekten, sowie die Lactose in der Milch der Säugetiere. Sehr häufig sind Disaccharide in Pflanzen zu finden. Saccharose findet sich in Obst und vielen Frucht- und Gemüsesäften; aus Zuckerrohr oder Zuckerrüben wird er als Haushaltszucker gewonnen. Trehalose kommt auch in Hefen und Pilzen sowie Algen vor. Maltose findet sich nicht in freier Form, entsteht jedoch während des enzymatischen Abbaus von Stärke, etwa bei der Verdauung. Ein bekanntes Spaltprodukt ist der Invertzucker, welcher der Hauptbestandteil des Honigs ist und zu gleichen Teilen aus Fructose und Glucose besteht und aus Saccharose (z. B. im Blüten-Nektar) gebildet wird.

Häufige Disaccharide

Die beiden Monosaccharid-Einheiten des Disaccharides können auch an verschiedenen Stellen miteinander verbunden sein sowie an der Verbindungsstelle verschiedene Stereochemie aufweisen. Dadurch entsteht eine Vielzahl von Disacchariden.

Struktur und Vorkommen von Disacchariden
Name chemische Verbindung Vorkommen
Cellobiose Glucose-β-(1→4)-Glucose Disaccharid der Cellulose
Gentiobiose Glucose-β-(1→6)-Glucose Glykoside (Amygdalin)
Isomaltose Glucose-α-(1→6)-Glucose Verzweigungen im Glykogen und in der Stärke
Isomaltulose Glucose-α-(1→6)-Fructose enzymatische Gewinnung aus Saccharose
Lactose Galactose-β-(1→4)-Glucose Milchzucker
Lactulose Galactose-β-(1→4)-Fructose Reversionsprodukt der Lactose
Laminaribiose Glucose-β-(1→3)-Glucose Abbauprodukt von Laminarin, entsteht auch beim Bierbrauen
Maltose Glucose-α-(1→4)-Glucose Malzzucker oder Disaccharid der Stärke, in Zuckerrübe, Bienenhonig
Maltulose Glucose-α(1→4)-Fructose Reversionsprodukt der Maltose
Melibiose Galactose-(1→6)-Glucose in Kakaobohne
Neohesperidose Rhamnose-(1→2)-Glucose in Glykosiden (Naringin, Neohesperidin)
Neotrehalose Glucose-(1→1)-Glucose in Kojiextrakt (Aspergillus oryzae)
Nigerose Glucose-(1→3)-Glucose in Bienenhonig, Bier
Rutinose Rhamnose-(1→6)-Glucose in Anthocyanen, Glykoside (Hesperidin)
Sambubiose Xylose-β-(1→2)-Glucose in Anthocyanen
Sophorose Glucose-(1→2)-Glucose in Anthocyanen, in Leguminosen
Saccharose Glucose-α-(1→2)-Fructose Rohr- oder Rübenzucker
Trehalose Glucose-α,α'-(1→1)-Glucose in der Hämolymphe niederer Tiere, Mutterkorn, junge Pilze

Enzymatischer Abbau

In der Nahrung vorkommende Disaccharide können nicht direkt in die Glykolyse eintreten, sondern müssen zunächst extrazellulär zu Monosacchariden hydrolysiert werden. Die entsprechenden Abbau-Enzyme aus der Gruppe der Glycosidasen werden als „Disaccharidasen“ bezeichnet. Sie sind beim Menschen und vielen Säugetieren in den Mikrovilli der Dünndarmschleimhaut lokalisiert. Beispiele solcher Hydrolasen sind die Maltasen (Lysosomale α-Glucosidase und Maltase-Glucoamylase), Lactase, β-Galactosidase, Invertase (auch „Saccharase“) und Trehalase.

Literatur

  • Belitz, Grosch, Schieberle: Lehrbuch der Lebensmittelchemie. 6. Auflage. Springer, 2007, ISBN 978-3-540-73201-3, doi:10.1007/978-3-540-73202-0.
  • Römpp – Lebensmittelchemie. 9. Auflage, Thieme, Stuttgart 1995; S. 272, 273; ISBN 3-13-736601-1.

Weblinks

Wiktionary: Disaccharid – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Englisch-Deutsch-Wörterbuch: Zweifachzucker (Disaccharid)
  2. Eintrag zu Biosen. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 26. Februar 2013.
  3. Joachim Buddrus: Grundlagen der Organischen Chemie, 4. Auflage, de Gruyter Verlag, Berlin, 2011, S. 774–776, ISBN 978-3-11-024894-4.
  4. Siegfried Hauptmann: Organische Chemie, 2. durchgesehene Auflage, VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig, 1985, S. 649, ISBN 3-342-00280-8.
  5. Joachim Buddrus: Grundlagen der Organischen Chemie, 4. Auflage, de Gruyter Verlag, Berlin, 2011, S. 775, ISBN 978-3-11-024894-4.
  6. Albert Gossauer: Struktur und Reaktivität der Biomoleküle. Verlag Helvetica Chimica Acta, Zürich 2006, ISBN 3-906390-29-2, S. 340.