Diskussion:Bruno Tesch (Chemiker)
Fehlurteil?
Textauszug des Urteils Ich halte es für fragwürdig. Leider gibt es m. W. keine Literatur, die sich mit dem Urteil auseinandersetzt. Deshalb können meine nachfolgend begründeten Bedenken nicht im Lemmatext aufgenommen werden Wikipedia:Theoriefindung. (OR)
- Der von Tesch verfasste Reisereport, in dem Tesch angeblich sein Wissen von der Tötung von Menschen mittels Zyklon B niederschrieb, lag nicht vor.
- Dieses belastende Schreiben war jedoch im Büro nicht unter Verschluss, sondern für jedermann einsehbar - diese Unvorsichtigkeit weckt Zweifel.
- Die Aussage der Belastungszeugen ist leider nicht wortgetreu nachzulesen - mögliche (Rache-)Motive ehemaliger Mitarbeiter sind im Urteil nicht diskutiert worden.
- Eine Absprache der Aussage von zwei Belastungszeugen wurde vom Gericht gerügt: The evidence of Pook and his wife supported that of Sehm to a degree, though not in every detail, but the fact that they had discussed the events of 1942 between his and their giving evidence was recognised by the Judge Advocate to be " undoubtedly unfortunate."
Im Falle des mitverurteilten Prokuristen kommt hinzu:
- Es fehlt der zwingende Nachweis, dass Weinbacher den Reisereport kannte oder anderweitig von der missbräuchlichen Nutzung des Entwesungsmittels wusste.
- Die Behauptung, man habe über die Lieferungsmenge auf eine missbräuchliche Verwendung des Zyklon B schließen können, ist sachlich unrichtig (geringe Dosis für warmblütige Lebewesen). --Holgerjan 13:43, 29. Sep. 2011 (CEST)
- Ich finde es befremdlich, dass die Arbeit von Kalthoff u. Werner zwar als Literatur angegeben ist, die übrigens ausführliche Zitaten aus dem Gerichtsprotokoll enthält, aber die weiteren belastenden Aspekte wie Verkaufsmengen undSchulungskurse keine Erwähnung finden.--Assayer (Diskussion) 20:07, 10. Mär. 2014 (CET)
- Ich habe Kalthoff/Werner vorliegen. Dort wird zwar richtig (und vor Dir im Lemma ergänzt) referiert, dass im Prozess vom Ankläger die Menge der Lieferungen (13 to / korrekt: 12174 kg in 1943) eine Rolle spielte. Wie ich in den Prozessunterlagen und bei Ebbinghaus (--> Lit - Internetlink) jedoch gelesen habe, wurde seitens der Verteidigung - zu Recht! - dargelegt, dass aus der großen Liefermenge keine Schlussfolgerung auf eine tatsächliche Verwendung zu Tötungszwecken zu ziehen sei (bei Kalthoff/Werner S. 158 nur knapp als einleitendes Statement des Verteidigers Zippel zitiert). Die Auseinandersetzung um die Liefermengen (auch, ob etwas durch Peters/Degesch zusätzlich geliefert) nahmen im Prozess großen Raum ein und waren insoweit "von großer Bedeutung" wie Kalthoff/Werner einleitend schreiben.
- Tatsächlich lässt sich jedoch nach heutigem Kenntnisstand von der Verkaufsmenge/Liefermenge her kein Tesch belastender Aspekt (re)konstruieren. Pressac und auch das Urteil gegen Gerhard Peters von der Degesch stellen heraus, dass sehr geringe Mengen zur Tötung abgezweigt wurden; angeblich reichten danach 4 kg (!) um 1000 Menschen zu töten. Diese Tatsache war seinerzeit wohl nicht gerichtsbekannt (wie denn das Gericht auch von über vier Millionen Vergasungen in Auschwitz ausging).
- Aus der Urteilsbegündung selbst (gewusst zu haben, wozu das Zyklon B in Auschwitz verwendet wurde) ist nicht ersichtlich, ob die Überzeugung des Gerichts über die Mitwisserschaft Teschs auf der Liefermenge von Zyklon B und/oder allein auf dem vom Zeugen Sehm genannte Geschäftsreisebericht beruht.
- Auch aus der Schulung von SS-Leuten als Desinfektoren lässt sich imo kein strafrechtlich relevanter Vorwurf ableiten, Ebbinghaus (S. 48) gibt allein für 1938-1942 die Schulung von 523 Personen von Wehrmacht, RAD und Waffen-SS an, von denen zweifellos die allermeisten nicht an missbräuchlicher Verwendung in Gaskammern beteiligt waren.
- --Holgerjan (Diskussion) 17:17, 12. Mär. 2014 (CET)
- Man kann auf verschiedenen Ebenen über den Prozeß gegen Tesch diskutieren: Wie plausibel ist sein angebliches Nicht-Wissen? Wie stichhaltig waren die im Prozeß erhobenen Beweise? Wie ist die Strafbarkeit seines Verhaltens zu berurteilen? Für die Frage der Darstellung des Prozesses im Rahmen des WP-Artikels halte ich dies allerdings für vernachlässigbar, zumal man dabei schnell über den durch die Sekundärliteratur vorgegebenen Forschungsstand hinausgerät. Die Interpretation, die Verteidigung habe zu Recht darauf hingewiesen, aus der großen Liefermenge könne man keine Schlussfolgerung auf eine tatsächliche Verwendung ziehen, möchte ich allerdings nicht unwidersprochen lassen, weil der Anklagevertreter auch nicht unplausibel darauf hingewiesen hat, Tesch müsse in seiner Position Überblick und Wissen gehabt haben. Ich fand vor allem aber die bisherige Darstellung problematisch, die allein den Reisebericht erwähnte und Deutungen von Pressac und Ebbinghaus zitierte. Was man aus dem Aspekt der Liefermenge konstruiert, ist nicht die Frage. Anklage und Verteidigung hatten dazu sehr unterschiedliche Ansichten. Auch geht es bei den Schulungen nicht um unmittelbare strafrechtliche Relevanz, sondern die Frage ist wiederum, was Tesch dadurch, dass er solche Kurse etwa auch in Sachsenhausen gab, wußte. Deshalb halte ich es für wichtig, auch die anderen im Prozeß erörterten Gesichtspunkte darzustellen, soweit sie durch die Sekundärliteratur rekonstruiert wurden, gerade wenn man der Begründung nicht entnehmen kann, was für das Urteil ausschlaggebend war.--Assayer (Diskussion) 01:08, 13. Mär. 2014 (CET)
- Ich widerspreche Dir in einem Punkt. Die Verteidigung hat nachweisbar Recht: Aus der Liefermenge kann man keine Schlussfolgerung auf eine tatsächliche Verwendung ziehen und durch diesen Argumentationsstrang kann eine Mitwisserschaft Teschs nicht abgeleitet werden.
- Liefermenge 1942/1943 = 19.000 kg (Kalthoff/Werner, S. 166) / ergo für 1941 bis 1945 insgesamt wohl deutlich mehr als ich für die folgende Berechnung zugrundelege, nämlich als Minimum eine Menge von 24.000 kg / für 1.000.000 Gasmorde wären 4.000 kg ausreichend / das wären ca. 17% missbräuchliche Verwendung / das Gericht ging von 4.000.000 Gasmorden aus = das wären 16.000 kg und somit 66% der Gesamt-Liefermenge / Ein Verdacht missbräuchlicher Verwendung ist auf diese Weise dem Angeklagten keinesfalls zwingend nachzuweisen.
- Zweifellos ist deine Überarbeitung völlig regelkonform und in keiner Weise zu beanstanden. - Wiki-Autoren sind in einer verzwickten Lage, wenn ihnen Unstimmigkeiten auffallen, die sich mangels reputabler Belege höchstens auf der Disku-Seite darstellen lassen. Ich (und das ist meine persönliche Entscheidung) fühle mich aber dann nicht veranlasst, mir unstimmig erscheinende Informationen/Interpretationen (die in diesem Falle auch Ebbinghaus am Rande problematisiert) im Lemmatext breit darzustellen.
- Mit freundlichem Gruß --Holgerjan (Diskussion) 11:07, 14. Mär. 2014 (CET)
- Ich argumentiere nicht, aus der Liefermenge allein könne man auf die tatsächliche Verwendung und auf die Mitwisserschaft schliessen. Auch das britische Militärgericht hat wohl eher eine Zusammenschau der vorgetragenen Beweise und Verdachtsmomente vorgenommen. Hinsichtlich der "Unstimmigkeiten" sehe ich es allerdings so, dass historische Ereignisse wie der Prozeß im Lemmatext zwar nicht unbedingt "breit", aber immerhin doch umfassend dargestellt werden sollten. Gruss, --Assayer (Diskussion) 19:05, 15. Mär. 2014 (CET)
- Man kann auf verschiedenen Ebenen über den Prozeß gegen Tesch diskutieren: Wie plausibel ist sein angebliches Nicht-Wissen? Wie stichhaltig waren die im Prozeß erhobenen Beweise? Wie ist die Strafbarkeit seines Verhaltens zu berurteilen? Für die Frage der Darstellung des Prozesses im Rahmen des WP-Artikels halte ich dies allerdings für vernachlässigbar, zumal man dabei schnell über den durch die Sekundärliteratur vorgegebenen Forschungsstand hinausgerät. Die Interpretation, die Verteidigung habe zu Recht darauf hingewiesen, aus der großen Liefermenge könne man keine Schlussfolgerung auf eine tatsächliche Verwendung ziehen, möchte ich allerdings nicht unwidersprochen lassen, weil der Anklagevertreter auch nicht unplausibel darauf hingewiesen hat, Tesch müsse in seiner Position Überblick und Wissen gehabt haben. Ich fand vor allem aber die bisherige Darstellung problematisch, die allein den Reisebericht erwähnte und Deutungen von Pressac und Ebbinghaus zitierte. Was man aus dem Aspekt der Liefermenge konstruiert, ist nicht die Frage. Anklage und Verteidigung hatten dazu sehr unterschiedliche Ansichten. Auch geht es bei den Schulungen nicht um unmittelbare strafrechtliche Relevanz, sondern die Frage ist wiederum, was Tesch dadurch, dass er solche Kurse etwa auch in Sachsenhausen gab, wußte. Deshalb halte ich es für wichtig, auch die anderen im Prozeß erörterten Gesichtspunkte darzustellen, soweit sie durch die Sekundärliteratur rekonstruiert wurden, gerade wenn man der Begründung nicht entnehmen kann, was für das Urteil ausschlaggebend war.--Assayer (Diskussion) 01:08, 13. Mär. 2014 (CET)
Deutungen zum Urteil
Pressac schreibt auf Seite 17:
- „The head of Testa, Bruno Tesch, was judged by the British Military Tribunal in Hamburg between 1st and 8th March 1946. He was condemned to death simply on the verbal testimony of one of his employees, the book keeper Emil Sohm, who declared that in autumn of 1942. he had seen among the firm’s records, a report of a visit, dictated by Bruno Tesch, in the course of which he is supposed to have suggested to Wehrmacht officers who told him of the "difficulties" caused by the mass executions of Jews by shooting, that they should kill them in disinfestation gas chambers using HIS product, Zyklon B (business first!) containing a powerful poison, prussic acid. In 1940 [false: 1946] , simple malicious gossip could easily lead to someone being hung. I do not know whether the "trip report" was produced before the Tribunal, but is if was not, then, this trial was a masquerade.” = Beleg: Auschwitz. Technique and operation of the gas chambers. Beate Klarsfeld Foundation, New York 1989 (Online). Seite 17
Angelika Ebbinghaus zitiert die beiden letzten Sätze von Pressac auf S. 64 mit Anm. 154 (und korrigiert das Jahr auf 1946). Sie verweist zwar auf entlastende Argumente und stellt manche Schlussfolgerungen infrage, äußert jedoch im Hinblick auf den Angeklagten Tesch: „Der im Prozeß ausführlich erörterte Reisebericht belastete meines Erachtens Tesch eindeutig, weshalb ich auch in der Bewertung dieses Prozesses trotz aller Probleme nie soweit wie Pressac gehen würde.” Historiker sollten nicht die Rolle von Richtern übernehmen. = Beleg: Angelika Ebbinghaus: Der Prozeß gegen Tesch und Stabenow - Von der Schädlingsbekämpfung zum Holocaust. In: 1999 - Zeitschrift für Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts 13(1998), H. 2, S. 64. --Holgerjan 18:58, 17. Okt. 2011 (CEST)
- Historiker sollten nicht die Rolle von Richtern übernehmen?
- Doch: Sie sollten es nicht, aber sie müssen es manchmal. Oder sollten Historiker etwa einem Roland Freisler einen Persilschein ausstellen? (nicht signierter Beitrag von 178.201.160.157 (Diskussion) 15:00, 28. Sep. 2012 (CEST))
- Bitte beachten: Ich zitierte bzw. referierte lediglich, ohne mich inhaltlich mit der Aussage von Ebbinghaus zu identifizieren.
- Ich persönlich halte das Urteil gegen Tesch für fragwürdig mit Tendenz zu "Fehlurteil" und fände es gut, wenn versierte Historiker sich eingehend mit dem Verfahren beschäftigten. Aus diesem Grunde möchte ich Ebbinghaus' Meinungsäußerung nicht zustimmen, die m. E. auf darauf hinausläuft, dass Historiker nicht Urteile überprüfen sollten. Dass NS-Prozesse oftmals mit überaus milden Urteilen oder unverständlichen Freisprüchen endeten, ist die eine Seite; die andere hier bei Tesch, ob ein Todesurteil (bzw. Höchststrafe aus heutiger Sicht) nach ermittelter Sachlage gerechtfertigt war. --Holgerjan (Diskussion) 18:23, 28. Sep. 2012 (CEST)
- Woher stammt eigentlich der Satz "Historiker sollten nicht die Rolle von Richtern übernehmen."? Falls er ein Zitat von Ebbinghaus ist, wäre er als solches zu kennzeichnen, falls er die Meinung eines Wikipedia-Autoren ist, wäre er als POV zu entfernen. --Joerg 130 (Diskussion) 21:12, 8. Aug. 2015 (CEST)
- [1] [2] [3].--Assayer (Diskussion) 13:22, 9. Aug. 2015 (CEST)
- Nach den angeführten Edits ist das ein Zitat von Ebbinghaus, wiedergegeben in indirekter Rede. Das sollte man m.E. eindeutiger darstellen. Aber ist auch dies aus der genennten Quelle oder wäre das anderweitig zu belegen? --Joerg 130 (Diskussion) 14:35, 9. Aug. 2015 (CEST)
- Ja, ist es. Siehe auch den ersten Post dieses Threads. Da ist, was bei WP leider nicht so selten vorkommt, der Beleg verrutscht. Allerdings ist Ebbinghaus' Aussage nicht so apodiktisch, sondern steht in Parenthese zu einem anderen Argument. Ich habe das mal ergänzt.--Assayer (Diskussion) 15:01, 9. Aug. 2015 (CEST)
- Danke! --Joerg 130 (Diskussion) 15:09, 9. Aug. 2015 (CEST)
- Ja, ist es. Siehe auch den ersten Post dieses Threads. Da ist, was bei WP leider nicht so selten vorkommt, der Beleg verrutscht. Allerdings ist Ebbinghaus' Aussage nicht so apodiktisch, sondern steht in Parenthese zu einem anderen Argument. Ich habe das mal ergänzt.--Assayer (Diskussion) 15:01, 9. Aug. 2015 (CEST)
- Nach den angeführten Edits ist das ein Zitat von Ebbinghaus, wiedergegeben in indirekter Rede. Das sollte man m.E. eindeutiger darstellen. Aber ist auch dies aus der genennten Quelle oder wäre das anderweitig zu belegen? --Joerg 130 (Diskussion) 14:35, 9. Aug. 2015 (CEST)
- [1] [2] [3].--Assayer (Diskussion) 13:22, 9. Aug. 2015 (CEST)
- Woher stammt eigentlich der Satz "Historiker sollten nicht die Rolle von Richtern übernehmen."? Falls er ein Zitat von Ebbinghaus ist, wäre er als solches zu kennzeichnen, falls er die Meinung eines Wikipedia-Autoren ist, wäre er als POV zu entfernen. --Joerg 130 (Diskussion) 21:12, 8. Aug. 2015 (CEST)