Diskussion:Debitismus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Kritik von Paul C. Martin am Wikipedia-Artikel vom 31.12.2003:

An dem Wiki-Eintrag sind diverse Korrekturen anzubringen, die ich gern zur Diskussion stelle.

>Hab mal ein wenig auf wikipedia.de rumgeguckt (macht süchtig) und auch mal nach dem Begriff Debitismus gefragt. Da kam dann diese Erklärung: >------------ >Debitismus >aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie >Die Theorie des Debitismus wurde von den Bremer Professoren Heinsohn und Steiger zum ersten Mal im Buch "Eigentum, Zins und Geld" beschrieben. Paul C. Martin hat diese Theorie beschrieben und weiterentwickelt.

Stimmt so nicht. Der D. wurde zwar ausgehend von früheren Überlegungen von H & S (Wirtschaften auf der Basis von Kontrakterfüllungsdruck, Geld dabei definiert als Schuldendeckungsmittel) entwickelt, aber als sich daraus ergebendes "Kettenbriefsystem" zum ersten Mal 1986 in "Der Kapitalismus" (1987) so benannt. EZ&G ist erst 1996 in EA erschienen.

Der ausformulierte D. nennt heute vier Gruppen von Schuldverhältnissen:

1. Urschuld. Hat der einzelne sich selbst bzw. den von ihm abhängigen Personen (Familie) gegenüber. Sie kann durch Produktion und anschließendem Selbstverbrauch des Produzierten getilgt werden. Wird sich nicht getilgt, scheiden die Betreffenden physisch aus.

2. Religiöse Schuld. Wird durch Opfer bzw. Abgaben an religiöse Instanzen getilgt ("Zehnte" usw.). Bei Nichterfüllung erfolgt soziale Ächtung bzw. eine "Bestrafung" nach Ableben des Schuldners ("Jenseitsvorstellungen").

3. Kontraktschuld. Zwischen kontraktfähigen natürlichen oder juristischen Personen nach Abschluss eines entsprechenden Schuldvertrages, der Leistung und Gegenleistung, Termin sowie Sanktion bei Nichterfüllung beinhalten muss (---> Arbeitsteilung, ---> Vollstreckung).

4. Abgabenschuld. Wird vom jeweiligen Machthalter (Herrscher, Staat) ex nihilo festgesetzt. Diese Festsetzung erfordert ausgeübten oder angedrohten Waffeneinsatz ("coercive power"). Sie ist zuerst Tribut (externalisiert), nach Übernahme der Tributgebiete bzw. Einbeziehung der Tributpflichtigen in das ursprüngliche Machtareal zur Steuer (internalisiert). Da "coercive power" ihrerseits finanziert bzw. vorfinanziert werden muss, ergibt sich bei Ausdehnung des Machtareals bzw. bei Kämpfen um das Machtausübungs-Monopol in der Geschichte regelmäßig der Zwang zum Vorgriff auf künftige Abgabenschulden ("Staatsschulden").

>Inhaltsverzeichnis [Verbergen] >1 Theorie >2 Kritik >3 Bedeutung >4 Literatur > >Theorie >Der Debitismus lehnt das Konzept der Quantitätsgleichung mitsamt der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes ab, sondern definiert alle Wirtschafttransaktionen als Schuldenaufnahme bzw. Schuldentilgung, denen eine entsprechende Guthabenbildung bzw. Guthabenvernichtung gegenübersteht. >Eine zentrale Rolle im debitistischen Konzept spielt der Staat, der zur Finanzierung seiner Machtausübung von den Bürgern Steuern "erpresst" (sog. Räuberstaat). Zur Bezahlung dieser Steuern müssen die Bürger Schulden aufnehmen, wodurch sich eine Schuldenspirale in Gang setzt, die nur durch periodische Wirtschaftskrisen und damit verbundene Revolutionen unterbrochen werden können.

Da allerdings auch der "Nichträuberstaat" selbst Kosten hat, die entstehen, um sein Machtmonopol zu sichern und um das Wirtschaften mit Besicherung von Eigentum an Personen (auch der eigenen) und Sachen, Vollstreckung von Kontrakten, sonstiger allgemeiner "Rechtssicherheit" überhaupt erst zu ermöglichen und ohne Wirtschaften keine auf dieses bezogene Besteuerung definierbar ist, endet jedes Staatssystem in einer Aporie: Es hat bereits Auszahlungen zu leisten, bevor er überhaupt Einzahlungen erhalten kann.

Auszahlungen des Nichtsstaatssektors an den Staat sind erst denkbar, nachdem "privat" gewirtschaftet wurde, was jedoch erst geschehen kann, nachdem der Staat seinerseits Auszahlungen geleistet hat, um das "private Wirtschaften" überhaupt zu ermöglichen. Der Zwang zur Staatsverschuldung (= Zession künftiger Einzahlungen an den Staat geschuldet vom Nichtstaatssektor an den Nichtstaatssektor) ist ebenso unausweichlich wie das Ende des Staates in Überschuldung und Staatsbankrott. Dieser tritt spätestens ein, wenn die Summe der bereits abgetretenen Staatseinnahmen über der Summe der laufenden Staatseinnahmen liegt (Zinsen auf bereits zedierte Staatseinnahmen > [höher als] überhaupt noch mögliche Steuereinnahmen).

>Der Zeitunterschied zwischen dem (frühen) Steuertermin des Bürgers und dem (späten) Zeitpunkt seines Einkommens erklärt und rechtfertigt für Paul C. Martin die Erhebung von Zinsen.

Der erste Zins ist historisch die Abgabe (census) selbst und ist erforderlich, sofern überhaupt gewirtschaftet werden soll. Ist die Abgabe beim Abgabenschuldner zum Termin nicht vorhanden und will der Abgabenschuldner nicht die ex ante feststehende Sanktion bei Nichtleistung der Abgabe tragen (Schuldknechtschaft, Vollstreckung in seine sonstigen Vermögenswerte, "Steuerstrafen", usw.), muss er sich das (in was auch immer festgelegte) Abgabengut "leihen". Dabei zediert er seinerseits später bei ihm eintreffende oder von ihm erwartete Abgabengüter. Darunter fällt auch "Geld" in Form des "gesetzlichen Zahlungsmittels" (legal tender), mit dessen Hilfe Abgabenschulden getilgt werden können. Der "Geldzins" ist ein Abgaben-Derivat und ohne Abgabe nicht definierbar. Auch der "Notenbankzinssatz" ist kein "Zins", sondern eine Steuer auf das Abgabengut "gesetzliches Zahlungsmittel", fällig bei Beschaffung bei der Notenbank.

>Der Begriff Zeit spielt in der debitistischen Theorie eine extrem wichtige Rolle. Dabei geht es nicht um den Zeitablauf, sondern um den Zeitpunkt, zu dem geleistet werden muss. Güter oder Geld, die keinen Termin haben, zu dem sie erscheinen, geliefert, geleistet oder gezahlt werden müssen, sind ökonomisch irrelevant. Auch Knappheit "als solche" existiert nicht, sondern Güter und Geld sind nur als "knapp" und "auspreisbar" zu jeweiligen Termin. Die traditionelle ökonomische Theorie, die vom "kalten Stern der Knappheit" ausgeht (Erich Schneider), hat das Phänomen des Termins und die mit dem Termin definitionsgemäß verbundene Sanktion bei Nichterfüllung zum Termin, bisher nicht berücksichtigt.

>Kritik >Das Konzept des Räuberstaates mag für die Staaten der frühen Neuzeit und während der kolonialistischen Expansion der europäische Staaten gültig gewesen sein. Die modernen europäischen Staaten beruhen jedoch auf einem komplexen Entscheidungsprozess, der einkommensunabhängige Steuern nur noch als kleinere Objektsteuern vorsieht (Grundeigentum, KfZ, o.ä.). Da der moderne Staat seine Ausgaben im (früheren) Haushaltgesetz bereits festlegt, bevor er Kenntnis über die Höhe der jeweiligen (späteren) Einkommen und Umsätze haben kann ("Steuerschätzung"), riskiert er laufende und sich dann automatisch vergrößernde Defizite.

Diese lassen sich weder ex ante begrenzen ("Maastricht-Kriterien") noch dadurch aus der Welt schaffen, dass Staatsschulden nur in Höhe der Investitionen aufgenommen werden dürfen (Art. 115 Grundgesetz). Da der Staat kameralistisch rechnet, berücksichtigt er nicht mit Hilfe von Thesaurierung entsprechender Mittel Abschreibungen bzw. Wertberichtigungen seiner Investitionen, sondern verschuldet sich entsprechend zusätzlich.

>Bedeutung >Der Debitismus wird nicht nur im privaten Kreis diskutiert. Er wird von einigen Professoren (u.a. Heinsohn und Steiger, Malik) als Alternative zur gegenwärtigen Wirtschaftstheorie angesehen.

Als größtes Manko der gegenwärtigen Wirtschaftstheorie kann gelten, dass sie ihre Modelle in einem zunächst macht-und staatsfreien Raum ansiedeln und den Staat als "wealth or utility generating ruler" (Douglas C. North) hereinbitten (---> Gesellschaftsvertrag) ohne zu erklären, von welcher ökonomischen Basis aus der "ruler" selbst operiert.

>Literatur

  • Martin/Lüftl: "Formeln für den Staatsbankrott"
  • Martin: "Der Kapitalismus"
  • Stelter: "Deflationäre Depression"
  • Heinsohn und Steiger: "Eigentum, Zins und Geld"
  • Murphy und Nagel: "The Myth of Ownership"
  • Malik: "Richtig denken - richtig handeln"
  • Haas: "Money Upside Down"
  • Martin: "Power, the State and the Institution of Property"

Würde mich über weitere Anregungen freuen.

Gruß!

--217.82.138.4 11:11, 20. Mai 2004

--91.46.168.152 15:06, 16. Apr. 2009 (CEST)


>Moderne Staaten sind also keine Räuberstaaten und erheben nur noch einkommensabhängige Abgaben? Ausnahmen: Mehrwertsteuer, MAUT, Verbrauchssteuern wie bei Kraftstoff-, Alkohol-, Tabak-, Grundsteuer usw.), Parkraumbewirtschaftung und -ablösegebühr sowie weitere Abgaben für Genehmigungen, Berufszulassungen, Verwaltungs- und Kontrollaufwand, Kinderbetreuung (um dadurch sonstige Steuerlast bezahlbar zu machen) usw., womit in der Regel die Durchsetzung eines status quo ungleicher Besitzverhältnisse und Lebensbedingungen über das Gewaltmonopol finanziert wird. Es ist schlicht unwahr, dass der Staat erst den Markt ermögliche. So gab es einen Markt und Tauschgeschäfte weit vor jeder uns bekannten Staatsgründung, existiert ein solcher Markt auch in heutigen staatenlosen bzw. von der noch amtierenden Regierung nicht mehr kontrollierten Gebieten, finden auf einem illegalen schwarzen Markt weltweit erhebliche Umsätze und sogar mit Einbindung von hauptamtlichen Staatsdienern bzw. Förderung durch hauptamtliche Staatsdiener statt - und das oft weit billiger als mit der staatlichen Dienstleistung der Oberaufsicht und Regelung. Viele Staaten verweigern sich auch nicht Handelsgeschäften mit nicht in Staaten erfassten Tauschpartnern, bei denen zu Konditionen, die in etwa dem Verhältnis des zur Verfügung stehenden Gewaltpotentials entsprechen, Bodenschätze (z.B. während der Bürgerkriege im Kongo), Land (im Tausch gegen Indianerreservate und Lebensmittellieferungen in den heutigen USA) gekauft werden. Seltsamerweise nutzt kein mir bekannter Staat die Möglichkeit der Gegensteuerung gegen exponentielles Wachstum von Geldvermögen bei wenigen und Schulden bei allen anderen, dabei wäre es einem Inhaber des Gewaltmonopoles durchaus möglich, mit einer noch aggressiveren Exponentialfunktion extreme Ungerechtigkeiten abzufangen. Zum Beispiel könnte die jeden Mehrwert abschöpfende Bodenrente (Miete, Pacht, Immobilienspekulation, Leerstand zur künstlichen Marktverknappung) leicht durch eine sehr sanft beginnende, aber sich jährlich verdoppelnde oder verdreifachende Leerstandssteuer auf ein marktschonendes Maß herabgeregelt werden, weil dann nach wenigen Jahren jeder Vermieter, Verpächter oder Verkäufer den Preis solange reduziert, bis er auch einen Nutzer findet. Alle mir bekannten Staaten erheben, soweit ich weiß, nur ausnahmsweise Steuern und Abgaben in Form einer an Verbrauch oder Einkommen angelegten Exponentialfunktion - und wenn sie dies, wie z. B. bei der deutschen Einkommenssteuer, einmal tun, dann verhindern sie eine Wirkung auf die extrem hohen Einkommensbezieher durch eine Kappungsgrenze. Diese Kappungsgrenze wird oft sogar auf lineare Systeme der Abgabemlast angewandt (Sozialversicherung), so dass nur eine Barriere für das Nachrücken von Leuten aus dem Mittelstand in den Kreis der bereits wirklich Reichen unterstellt werden kann. Insofern lehne ich die Unterscheidung von alten und neuen Staaten anhand der Räubermotivation generell ab, bis ein moderner Staat das Gegenteil beweist. --80.78.161.67 18:11, 8. Dez 2005 (CET)


Kritik

ähnlich wie die klassischen liberalen Auffassungen Habe ich herausgenommen, da es hier um Kritik am Debitismus und nicht am Liberalismus gehen sollte. --62.47.93.204 02:26, 29. Apr. 2006 (CET)

Bedeutung

Zu folgendem Abschnitt:

"Der Debitismus wird nicht nur im privaten Kreis diskutiert. Er wird von einigen Professoren (u.a. Heinsohn und Steiger) als Alternative zur gegenwärtigen Wirtschaftstheorie angesehen."

Der letzte Satz ist sachlich falsch. Heinsohn und Steiger haben sich zu Martins Debitismus gar nicht geäußert, und sie bezeichnen ihren eigenen Ansatz nicht als Debitismus, sondern als Eigentumsökonomik.

Habe deshalb obigen Abschnitt durch einen meineswissens zutreffenderen ersetzt. --Thewolf37 21:43, 13. Feb. 2007 (CET)

Neutralität, Theorieetablierung, Belege

Ich habe nach reiflicher Überlegung den Artikel auf einen frühen Stand zurückgesetzt. Aufgabe der Wikipedia ist es nicht, die Sichtweise der ursprünglichen Theorieentwickler auf Basis ihrer Veröffentlichungen darzustellen sondern anhand der fachlichen Rezeption. Der Artikel verzichtet, auch in dieser alten Version, weitgehend auf die fachlich-historische Einordnung und verwendet ausschließlich extrem übersichtlich rezipierte Werke. --Millbart talk 00:11, 20. Jan. 2022 (CET)