Diskussion:Jean-François Lefèbvre, chevalier de la Barre

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Hallo Ralph: Was hast du gegen die "verbotenen Schriften", die ich anstelle deiner "clandestinen Drucke" eingesetzt hatte und jetzt wieder einsetze? Meinst du wirklich, dass jeder Schüler oder Student (d.h. der normale Wiki-Benutzer) weiß, was "clandestin" ist? (Mein Rechtschreibprogramm kennt das Wort schon mal nicht.) Auch weiß ich nicht, warum du die Angabe wieder einfügst, dass La Barre Voltaires Dictionnaire in der Erstausgabe besaß. Die Richter hätten auch die zweite Auflage als Beweisstück gegen ihn verwendet, und unseren eventuellen Lesern sind die Auflagennummern hier zu recht völlig wurscht. Dass du das Gericht von Abbeville wieder zum "Seneschallamt" gemacht hast, ist zwar nicht unkorrekt, aber welcher deutsche Leser kennt dieses Wort? Wahrscheinlich kennen es sogar Franzosen nicht unbedingt, denn m.W. war der Titel sénechal eine nordfranzösische Besonderheit. Weiterhin waren durchaus nicht alle "Philosophen Frankreichs" (wie du formulierst) über das Urteil gegen La Barre bestürzt, denn unter denen gab es ja auch stockkonservative, die sich vielleicht sogar freuten. Bestürzt waren vielmehr nur die sog. "philosophes", wie sich damals die Parteigänger der Aufklärungsphilosophie nannten. Warum schließlich lässt du Voltaire den Kampf gegen ominöse "Hintermänner des Urteils" aufnehmen (wer wäre das gewesen?) und nicht einfach gegen das Urteil selbst, was doch allemal reicht? Im Übrigen werden von der neuen Rechtschreibung nicht alle -ß- durch -ss- ersetzt. Die Wörter "preußisch" und "anschließend" z.B. schreibt man nach wie vor mit -ß-. Gert pinkernell 19:31, 19. Mär. 2007 (CET)

Hallo Gert,

ad 1 ) der Begriff Clandestine Literatur ( deutsch ), Clandestine literature ( englisch ) und Clandestine littérature kennzeichnet die ohne Privileg und Impressum erschienenen Schriften der frühen Aufklärung am Besten. Er ist international im Gebrauch. Gib doch bitte die drei Begriffe in Google ein, und reklamiere Dein Schreibprogramm. Ein Schüler im Leistungskurs oder ein Student der Romanistik sollte eigentlich Probleme haben, wenn er einen Basisbegriff zum wichtigsten Medium der Aufklärung nicht parat hat. Wir sollten ihm daher dabei helfen und vielleicht den Begriff " clandestin" erläutern.

Hoffentlich überschätzt du deine Leser nicht! Aber vielleicht liegt es ja an mir, dass ich mit neueren Anglizismen nicht so up to date zu sein scheine.
Das mit den Anglizismen ist schon etwas her; clandestin gehört, glaube ich, schon zu den wieder aufkommenden Latinismen.
Habe die drei "clandestinen" Schriften nun doch wieder schlicht zu "verbotenen" gemacht, nachdem ich auf die Information gestoßen bin, dass zwei davon eher nur der sexuellen Aufklärung dienten.

Eine der Finten Voltaires bei der Veröffentlichung des Dictionnaire war, daß unter diesem Titel bereits ab 1751 eine harmlose nette Kompilation philosophischer Versatzstücke in mehreren Auflagen mit Privileg erschienen war: das "Dictionnaire Philosophique Portatif ou Introduction a la Connaissance de l'homme von CHICANEAU DE NEUVILLE. Das Dictionnaire Voltaires wurde stetig erweitert und wechselte 1769 den Titel zu "La Raison par Alphabet". Seit der kehler Gesamtausgabe sind alle alphabetisch geordneten Artikel unter diesem Titel zusammengefasst. Die in Abbéville verhandelte Orginalfassung unterscheidet sich daher von der heutigen Fassung.

Ist und war mir bekannt. Dennoch: Für La Barres Richter war vor allem der Name "Voltaire" der Stein des Anstoßes. Die Auflage des Dictionnaire war ihnen genau so egal wie dessen Inhalt im Einzelnen. Wahrscheinlich hatten sie ebenso wenig jemals reingeschaut wie die Mullahs in die "Satanischen Verse". Wir sollten aber unsere Leser nicht mit unnötigen bzw. ablenkenden Details behelligen.

Es besteht ein kleiner Unterschied zu den Mullahs. An den Schriftsteller kamen die Richter nicht ran, der saß sicher auf eigenem Boden direkt auf der Staatsgrenze und hatte weitreichende Beziehungen. An den Verleger konnten sie sich auch nicht halten, wenn ich es recht in der Erinnerung haben gab es allein 1764 und 1765 etwas über 20 verschiedene europäische Ausgaben. Ihnen bleibt nur der Leser, an den sie sich gehalten haben. Und das unterscheidet die Richter doch noch von den Mullahs.

Abbéville liegt in der Pikardie. Wegen der komplizierten Struktur der Gerichtsbarkeit des XVIII Jahrhundets in Frankreich ( unter Louis XIV hinzugekommene Provinzen behielten in der Regel ihre Rechtssysteme ) habe ich es vorgezogen den Begriff "Sénéchaussée d´Abbeville"( Seite 23 der Rey-Ausgabe der Rélation de la Mort... von 1768 ) möglichst wortgetreu mit Seneschallamt von Abbéville zu übersetzen. Der Seneschall war seit der Merowingerzeit ein Hofbeamter mit richterlichen Befugnissen.

o.k., o.k., aber was soll der Leser hier damit? Der will wissen, wieso La Barre verurteilt wurde, und nicht, wie die regionalspezifische Bezeichnung des Gerichtes lautete, das ihn verurteilt hat.

In der Relation de la Mort... sind es immer wieder die Details, die monströsen Dimensionen der Geschichte aufzeigen. Das Seneschallamt war eine Verwaltungsbehörde in der Provinz mit richterlichen Befugnissen; eine schon damals überholte Konstruktion. Auf die heutige Zeit übersetzt wäre das, als ob ein Landratsamt in einer abgelegenen Provinzstadt, aufgrund eines nur regional bestehenden Gerichtamtes, die Höchststrafe für eine verbreitete städtische Ordnungswidrigkeit verhängen würde: etwa eine lebenslängliche Haft für einen Sprayer, die dann durch das Oberlandesgericht bestätigt wird. Faktum: Ein pervertierter Verwaltungsbescheid, der durch ein opportunistisches Obergericht abgesegnet wird. Das Wofür spielt in der Geschichte eine Nebenrolle genauso wie das Wieso, das nur ein Exempel des Exempel willens beinhaltet. Bezeichnenderweise setzte man sich mit der Frage ob überhaupt eine Schändung des Kruzifixes vorlag nicht auseinander. Lassen wir den Chevalier am Tag der Hinrichtung selbst zu Wort kommen: "Ich glaubte nicht, daß man einen Edelmann aus so geringem Anlaß zu Tode bringen könnte".

Wenn ich von Philosophen schrieb, waren natürlich nur die Philosophes nach der Definition und dem Verständnis von Dumarsais gemeint. Trusson, R., 1994: "L´exécution de la Barre jette la consternatiom et l´horreur chez les philosophes". Der Begriff Philosoph richtet sich nach der Definition Du Marsais in seiner Schlüsselschrift " Le Philosophe" und fand auch im deutschen seíne Entsprechung, wenn z.B. Lavater Lessing unter die Philosophen einreiht.

Wieder o.k. Aber denk an deine Leser, die das Wort "Philosoph" in seiner neudeutschen Bedeutung zu verstehen neigen und dann daneben liegen.

Ich stimme Dir gerne zu, hier lohnt sich eine Erläuterung. Mutuant tempores... In der italienischen Hochrenaissance hatten die Begriffe "antik und modern" gegenüber der heutigen Aufassung eine völlig diametrale Bedeutung. Für das Verständnis der frühen Aufklärung ist meiner Ansicht nach die zeitspezifische Definition des Begriffes Philopsoph unverzichtbar.

Voltaire sah die Hauptschuld bei den 15 Richtern des Parlaments un dieser Institution selbst, die entgegen des Antrages des Generalanwalts das barbarische Urteil aus der Provinz in seinen scheußlichsten Einzelheiten bestätigten. Man wollte eben ein Exempel um jeden Preis statuieren, daher ging es gar nicht mehr um das beschädigte Kruzifix sondern nur noch um die Erhaltung der weltlichen Ordnung. Letzlich trug Voltaire publizistische Aktivität zur vorübergehenden Auflösung des Parlaments durch Maupeou bei. Die Wiedereinrichtung des Parlaments gehörte zu den Kardinalfehlern Ludwig XVI. Somit hatte u.a. die Affäre um den Tod des Chevalier de la Barre weitreichende historische Konsequenzen.

Voltaire kämpfte in erster Linie (nehmen wir das zu seinen Gunsten mal an) für La Barre und gegen das Urteil. Mittelbar hatte er es natürlich auch auf die Institution Parlement abgesehen, die er für reformbedürftig hielt. Dass er zur Justizreform Maupeous beitrug, war ebenso ein kurioses Abfallprodukt wie Beaumarchais' ungewollter Beitrag zu deren Rückgängigmachung.

Voltaire hat in seiner Konsternation nicht unmittelbar für de la Barre publiziert. Die Relation wurde 1767 ein Jahr nach der Hinrichtung verfasst und erst 1768 unter einem Pseudonym eines Advokaten Cassen veröffentlicht. Zunächst stand auch nicht die Frage der Rehabilitierung an. Hauptanliegen der Veröffentlichung war die nüchterne Darstellung der Fakten und damit das Aufzeigen der unverantwortlichen und skandalösen Rechtsprechung, die dringend einer Reform bedurfte.

Selbst die Inschrift auf dem Sarkophag Voltaires im Pantheon hat einen Rechtmeiselfehler. Ich bitte um Entschuldigung.

Meiselte der Meisel denn deutsch?

vor allem meiselte er unbedacht

Ich habe die Ehre zu sein usw.

Ralph,

Fühle mich geehrt und belehrt,/Freundlich grüßend bin ich der G.

J´ai l´honneur d´etre &c.

Ralph

Schreibung des Namens Étallonde

@Docteur Ralph:

  • Im Artikel kommen vor: „Étallonde“, gegen Ende auch einmal „Étalonde“
  • Im korrespondieenden Artikel des französischen Wikipedia: durchweg „Etallonde“

Könnte sein, dass in fr-wp die nicht seltene Unsitte der Franzosen praktiziert wird, bei Majuskeln den Akzent nicht zu setzen. Andererseits gibt es durchaus Namen, die auch bei sorgsamer Schreibung keinen Akzent haben, obwohl das betreffende e als /e/ und nicht als /æ/ ausgesprochen wird, zum Beispiel beim ersten E des Nachnamens von Georges Clemenceau. Man sollte die Frage, ggf. durch Rücksprache mit den frz. Kollegen, klären und dann die Schreibung vereinheitlichen

Übrigens gibt es auch eine Gemeinde Étalondes in Seine-Maritime, also nicht allzuweit von Abbéville, von der der Adelstitel vielleicht herrührt. Die Schreibung des Familiennamens könnte selbst das unterstellt allerdings abweichen.

--Silvicola Disk 03:44, 4. Apr. 2018 (CEST)

@Silvicola: In der älteren zeitgenössischen Literatur dominiert die Schreibweise d’Etalonde alias Morival. Die ist mir im Laufe des Schreibens beim Schreiben durchgerutscht. Sinnvollerweise ändere ich auf die heutige Schreibweise ab. Danke für den Hinweis.—Docteur Ralph (Diskussion) 14:00, 6. Apr. 2018 (CEST)

Danke meinerseits. erledigtErledigt --Silvicola Disk 14:26, 6. Apr. 2018 (CEST)