Diskussion:Spanische Staatsangehörigkeit

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Historia

Hierzu: Du beziehst dich bei deiner ersten Einfügung auf "Hampe (1954/60)" und nennst als "Beleg" ein "Ordenamiento Real, Gesetz 19, Titel 3", sowie eine Stelle aus den Siete Partidas.

Zum ersten "Beleg": Abgesehen von der falschen Zitierweise (das Gesetz 19 gehört zum Titel 3, nicht umgekehrt): Welches Ordenamiento Real soll das sein? Ein kastilisches? Die bekannten Gesetzeskompilationen von Alcalá (1348) und Montalvo (1484) sind offenbar nicht gemeint; jedenfalls in dem von Alcalá steht nichts dergleichen (hab ich nachgeschaut). Welches Ordenamiento Real wurde denn unter dem 1396 herrschenden König Heinrich III. (Kastilien) (Kastilien!) verfasst und was könnte der damals zum Thema des Artikels („spanische Staatsangehörigkeit“) angeordnet haben? Wo es ja keinen spanischen Staat gab, dem man angehören konnte. Hast du das überprüft? Wie werden die "Spanier", die Kirchenämter übernehmen durften, in dem Text auf Spanisch oder Lateinisch genannt? Und was hat der 555 Jahre später mitten im Franquismus schreibende Karl Alexander Hampe damit zu tun? Erläutert er diese Unstimmigkeiten? Und wenn ja, warum übernimmst du das nicht?

Zur zweiten Belegstelle ähnlich: Die Siete Partidas stammen von Alfons dem Weisen, seines Zeichens wiederum ein ma. König von Kastilien. Das von dir zitierte Gesetz lässt sich online nachlesen, hier auf Blatt 60 Vorderseite der Ausgabe von 1555, oder noch einfacher in der digitalen Version.

  • Diez maneras pusieron los sabios antiguos de naturaleza. La primera, e la mejor es: la que han los omes a su señor natural, por que tan bien ellos, como aquellos de cuyo linaje descienden, nascieron e fueron raygados: e son en la tierra onde es el Señor. La segunda es: la que auiene por vasallaje. La tercera, por criança: La quarta, por caualleria. La quinta, por casamiento. La sexta, por heredamiento. La setena, por sacarlo de captiuo, o por librarlo de muerte, o deshonrra. La octaua, por aforramiento de que non rescibe precio el que lo aforra. La nouena, por tornarlo Christiano. La dezena, por morança de diez años. que faga en la tierra: maguer sea natural de otra.

Wo steht da etwas über die „spanische Staatsangehörigkeit“? Die Stelle ist bekannt, handelt von dem Erwerb des kastilischen Heimatrechts (bzw. der Weitergabe des Heimatrechts ganz allgemein, ohne den Ort oder das Land überhaupt zu nennen), und lässt sich auch in der Literatur gut wiederfinden (zum Bsp. hier in der Google-Buchsuche, Anm. 14). Aber von "entsprechenden Regeln" in Bezug auf die „spanische Staatsangehörigkeit“ sehe ich da nichts.

Also, diese unsachgemäße historische Herleitung kannst du denke ich weglassen, es reicht für die Darstellung der span. Staatsangehörigkeit völlig, wie gehabt mit 1812 zu beginnen.--Jordi (Diskussion) 11:56, 9. Jun. 2020 (CEST)

Die Gesetzesangaben finden sich so in Hampe, die zugehörige bibliogr. Info im Abschnitt Literatur. --zenwort (Diskussion) 16:04, 9. Jun. 2020 (CEST)
Beides kann ich mir schon denken. Das ist aber keine Rechtfertigung, solche offensichtlich falschen Dinge in den Artikel zu schreiben und nicht zu prüfen oder wenigstens korrekt zu belegen. Wenn du Hampe referieren willst, solltest du das auch tun (mit Seitenangabe etc. pp.) und nicht einfach seine Fußnoten abschreiben, so als hättest du die Quellen selber gelesen oder geprüft, zumal wenn die Quellenangaben total kryptisch sind. Ohne korrekte Fundstelle etc. sind solche Angaben nutzlos. Hast du denn jetzt herausgefunden, auf welches Ordenamiento Real sich Hampe da bezieht? Und was da wirklich drinsteht?
Auch ist ja leicht erkennbar, dass es im Mittelalter keine "spanische Staatsangehörigkeit" gegeben haben kann; ich glaube auch nicht, dass das bei Hampe stand. Und selbst wenn, Hampes Buch stammt aus der dicksten Francozeit, er war damals auch noch kein Historiker und gerade in solchen Fragen der Hispanidad sicherlich dem Zeitgeist verhaftet oder hatte keine vernünftige Literatur zur Hand; als alleinige Quelle für solche ungewöhnlichen Aussagen ist Hampe deshalb völlig ungenügend.--Jordi (Diskussion) 20:10, 9. Jun. 2020 (CEST)
Also, inzwischen habe ich das Gesetz gefunden:
  • Pragmática del rey Enrique III de Castilla, de 24 de septiembre de 1396.
Wurde 1779 (erst sehr spät) in einer Glosse zum Gesetz Nr. 19 im 3. Titel von Buch 1 der fortgeschriebenen Ordenanzas Reales de España (= Ordenamiento Real) aufgenommen, und zwar mit falschem Datum (24. Februar statt 24. September 1396) und falschem Ort (Madrid statt Segovia), und gelangte in dieser Form 1805 in die Novísima Recopilación (Buch I, 14. Titel, Gesetz Nr. 1, Anhang 1), abgedruckt in Los Códigos españoles concordados y anotados, 2. Aufl., Band 7, Madrid 1872, S. 82 in der Google-Buchsuche, wo sie Hampe oder sein Informant gefunden hat.
Neuere Edition als “Pragmática del rey D. Enrique III” de 1396, in: P. Rodríguez Campomanes: Escritos regalistas. Bd. II, Oviedo 1993, S. 331–339.
Antworten auf fast alle Fragen dazu bietet:
Der Rechtsakt gehört in den engeren Kontext der Finanz- und Kirchenpolitik Heinrich III. während des Abendländischen Schismas und seines gespannten Verhältnisses zum Papa Luna in Avignon, sowie in den weiteren Kontext der kastilischen Benefizienpolitik zwischen 1377 und 1480, als sich die Cortes kontinuierlich über den Abfluss von Benefiziengeldern an ausländische Begünstigte beschwerten.
  • Für unsere Belange interessiert eigtl. nur, dass der Text mitnichten "eine Definition von ‘Spaniern’" enthält, sondern wie auch noch die Novísima Recopilación stets von den „aus unseren Reichen Gebürtigen“ (naturales de nuestros reinos) spricht, womit im Originalkontext natürlich die Herrschaftsgebiete Kastiliens gemeint sind. Zu den in dem Gesetz von ihren Kircheneinkünften enteigneten und mehrfach genannten „Ausländern“ (extrangeros) gehören nicht nur die von der Kurie entsandten Franzosen oder Italiener, sondern selbstverständlich auch Portugiesen und Aragonesen, wie Nieto am Beispiel eines aragonesischen Pfründekandidaten verdeutlicht (S. 54). Von einer "Definition von Spaniern" kann also überhaupt keine Rede sein. In einem kurzen Abschnitt auf S. 50 weist Nieto auf den auffälligen Gebrauch der Termini "Nation" und "national" (im Sinne von inländisch) in dem Dekret hin und warnt da auch beiläufig vor einem anachronistischen Verständnis.
  • Von Interesse vielleicht noch der Hinweis, dass die habsburgische Postenvergabepolitik innerhalb der spanischen Monarchie die von dem Pragmat. Gesetz Heinrich III. vorgegebene Linie (Einheimische zu Beamten und Bischöfen in ihren Heimatregionen einzusetzen) gerade nicht weiterverfolgte, sondern genau die gegenteilige Praxis favorisierte (Baudilio Barreiro Mallón: Los problemas del clero vistos desde las Juntas del Reino de Galicia, 1599–1750. In: Obradoiro de Historia Moderna, Nr. 14 (2005), ISSN 1133-0481, S. 7–38; hier: S. 12). Widerstand lokaler Eliten gegen diese Politik sowohl innerhalb Spaniens (vgl. Barreiro Mallón) als auch in den Kolonien (José Antonio Mazzotti: Creole Agencies an the (Post)Colonial Debate in Spanish America. In: Mabel Moraña, Enrique Dussel, Carlos A. Jáuregui: Coloniality at Large. Latin America and the Postcolonial Debate (= Latin America Otherwise). Duke University Press, Durham (North Carolina) 2008, S. 77–111; hier: S. 104, Anm. 3) berief sich deshalb bis in die Bourbonenzeit immer wieder besonders gern und oft auf das alte Gesetz Heinrich III. von 1396, um gegen von der Krone an Ortsfremde vergebene Ämter und Einflusspositionen zu protestieren. Die Feststellung in dem auf Hampe beruhenden Text, die auf dem Gesetz basierenden Regeln seien "fortgeschrieben" worden, ist also auch etwas fragwürdig.
  • Wenn Hampe also das sagt, was du geschrieben hattest, liegt er weitgehend daneben und sollte nicht zitiert werden. Eine andere Sache ist, dass Politiker und Rechtslehrer des 19. Jahrhunderts und dann natürlich besonders auch der Francozeit die Aussagen und Definitionen aus diesem kastilischen Gesetz und auch aus den Siete Partidas als uraltes "spanisches" Recht aufgefasst und entsprechend interpretiert und als Vorläufer des modernen spanischen Staatsbürgerrechts betrachtet haben. Das müsste man aber dann dazu sagen und kann nicht einfach Hampes unreflektierte Übernahme dieser Fiktion wiedergeben.--Jordi (Diskussion) 01:36, 10. Jun. 2020 (CEST)

Nachtrag: Zu dem Thema siehe auch Manuel Álvarez-Valdés y Valdés (1932–2017), La extranjería en la historia del derecho español, Oviedo 1992, bes. S. 151 bzgl. des Inländerbegriffs der Siete Partidas sowie ab S. 425 zur "abolición de la extranjería entre Reinos", die erst in der Neuzeit stattfindet. Das Verständnis von Hampe, die Anfänge der "spanischen Staatsangehörigkeit" ins Mittelalter zu verlegen, war danach schon in den 80er und 90er Jahren, für die Álvarez-Valdés steht, komplett obsolet.--Jordi (Diskussion) 10:30, 13. Dez. 2020 (CET) P.S.: Die pragmática de Castilla de 1396 sobre provisión de cargos eclesiásticos ist bei Álvarez-Valdés auf S. 159 einmal erwähnt:

Por otra parte, una pragmática de Castilla de 1396 sobre provisión de cargos eclesiásticos, definió a los naturales como los nacidos en el reino, de padre y madre castellanos. Como se ve, se suman el ius sanguinis y el ius soli.

Ausdrücklich geht es da also auch nach Álvarez-Valdés um die Zugehörigkeit zu Kastilien (geboren in Kastilien, Vater und Mutter Kastilier), eine "spanische Staatsangehörigkeit" oder gar "eine Definition von ‘Spaniern’" gibt es da keinesfalls. Vielmehr behandelt Álvarez-Valdés das ganze Mittelalter unter dem Leitgedanken der falta de sistemática legal en el concepto de la extranjería, schon weil beim Auswärtigenbegriff oft nicht zwischen extranjeros al Reino y extranjeros a la ciudad (152ff) unterschieden wurde. Den Begriff der Reichsbürtigen (naturales) behandelt er dann in getrennten Unterkapiteln für das Régimen castellano-leonés, aragonés y navarro (162ff) und das Régimen de Cataluña (173f), also vier verschiedene "Staatsangehörigkeiten".--Jordi (Diskussion) 10:40, 13. Dez. 2020 (CET)