Donaueschinger Musiktage

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Pierre Boulez bei den Donaueschinger Musiktagen 2008

Die Donaueschinger Musiktage sind ein jährlich von der Gesellschaft der Musikfreunde, dem Südwestrundfunk und der Stadt Donaueschingen in den Donauhallen und anderen Orten in Donaueschingen veranstaltetes Festival für zeitgenössische Kunstmusik, das jeweils am dritten Oktoberwochenende stattfindet. Es ist das älteste Festival für Neue Musik,[1] und besteht in der Regel ausschließlich aus Uraufführungen. Derzeit wird es gefördert durch das Land Baden-Württemberg, die Kulturstiftung des Bundes und die Ernst von Siemens Musikstiftung. Seit einigen Jahren werden alle Konzerte live im Kulturprogramm SWR2 des Südwestrundfunks und im Internet übertragen.

Geschichte

1921–1933

Die Musiktage wurden 1921 als „Donaueschinger Kammermusikaufführungen zur Förderung zeitgenössischer Tonkunst“ gegründet und sind somit das älteste und traditionsreichste Festival für Neue Musik weltweit. Treibende Kraft hinter der Gründung war Heinrich Burkard, der seit 1913 künstlerischer Leiter der Gesellschaft der Musikfreunde war. Im Zusammenhang mit der Gründung des Festivals wurde Burkard am 1. Juli 1921 der Titel des "Direktors der Musikabteilung der Fürstlichen Hofbibliothek (Musikdirektor)" verliehen. Als Protektor fungierte bei den Kammermusikaufführungen wie auch bei den Musikfreunden Max Egon II. zu Fürstenberg. Im ersten Konzert der Donaueschinger Kammermusik-Aufführungen zur Förderung zeitgenössischer Tonkunst am 31. Juli 1921 wurde das Quartett für 2 Violinen, Viola und Violoncello, op. 16 von Paul Hindemith aufgeführt. In den folgenden Jahren fanden u. a. Uraufführungen von Werken Alban Bergs, Arnold Schönbergs und Anton Weberns im Festsaal des Schlosses Donaueschingen statt.

1934–1945

Unter der künstlerischen Leitung von Hugo Herrmann erfolgte die Gründung eines Musikfestes, das „den nationalsozialistischen Anschauungen“ entsprach. Titel der Festivals lauten u. a.: „Donaueschinger Musikfeiern“, „Alte und neue Kammermusik aus dem schwäbisch-alemannischen Raum“ und „Oberrheinisches Musikfest“.

1946–1949

Bereits 1946 veranstaltete die „Gesellschaft der Musikfreunde“, genehmigt von der französischen Besatzungsregierung, als „Neue Musik Donaueschingen“ ein erstes Festival, weiterhin unter der Leitung von Hugo Herrmann.

1950–1969

1949 nahm die „Gesellschaft der Musikfreunde“ Kontakt mit Heinrich Strobel, dem Leiter der Musikabteilung des Südwestfunks Baden-Baden auf. Eine Zusammenarbeit wurde vereinbart. Seither trägt der Südwestfunk die künstlerische Verantwortung für das Festival. (Erst) mit dem Einstieg des SWF erfolgte die programmatische Akzentverschiebung auf Orchestermusik. Unter Strobels Leitung fanden im Oktober 1950 die „Donaueschinger Musiktage für zeitgenössische Tonkunst“ statt. Erstmals trat das SWF-Sinfonieorchester unter Leitung seines Chefdirigentens Hans Rosbaud auf.

1970–1974

Nach dem Tod von Heinrich Strobel übernahm Otto Tomek die künstlerische Leitung des Festivals, das 1971 erstmals unter dem Namen „Donaueschinger Musiktage“ sein Publikum empfing. 1972 wurde erstmals der Karl-Sczuka-Preis des Südwestfunks während der Musiktage verliehen.

1975–1992

1975 übernahm Josef Häusler die künstlerische Leitung, ab 1981 unterstützt durch Christof Bitter.

1992–2014

Von 1992 bis 2014, also 22 Jahre lang, hatte Armin Köhler die künstlerische Leitung des Festivals inne. Er hat die Donaueschinger Musiktage einem breiteren Publikum geöffnet, auch ermöglicht durch die kontinuierliche Förderung durch die Kulturstiftung des Bundes. Klangkunst und alternative Präsentations- und Rezeptionsformen nahmen unter Leitung Köhlers breiteren Raum ein. 1996, als Peter Voß, der Gründungsintendant des Südwestrundfunks (SWR), das Budget um 300.000 DM (von insgesamt 1,5 Mio.) kürzen wollte, standen die Musiktage vor dem Aus. Ein breiter und internationaler Protest hat dies verhindert. Auch die Umwandlung in eine Biennale wurde verworfen.

Seit 2014

Im Oktober 2014 wurde Björn Gottstein als künstlerischer Leiter ab 2017 benannt, übernahm aber durch den Tod Köhlers im November 2014 das Amt bereits 2015.

Die Donaueschinger Musiktage 2020 wurden kurzfristig aufgrund der COVID-19-Pandemie abgesagt.[1]

Zum 1. März 2022 hat Lydia Rilling als Nachfolgerin von Björn Gottstein die künstlerische Leitung der Donaueschinger Musiktage übernommen.[2]

Filme

  • 75 Jahre Donaueschinger Musiktage – Das Ende der Musik? Dokumentarfilm (60 Minuten) von Harold Woetzel, SWF 1996 (YouTube-Video)

Literatur

  • Josef Häusler: Spiegel der Neuen Musik: Donaueschingen. Chronik – Tendenzen – Werkbesprechungen. Kassel etc.: 1996 – ISBN 3-7618-1232-9
  • Reinhard Oehlschlägel: Zur Disposition? – Zu den Donaueschinger Musiktagen, in: MusikTexte Nr. 64, April 1996, S. 3–4 (pdf-download)
  • Gesellschaft der Musikfreunde Donaueschingen (Hrsg.): Festschrift 75 Jahre Donaueschinger Musiktage 1921–1996. Pfau, Saarbrücken 1999, ISBN 3-89727-069-2.
  • Michael Wackerbauer: „Mythos Donaueschingen“. Zur Rolle einer Idee im Wandel von Festspielkonzeptionen, in: Colloquium Collegarum. Festschrift für David Hiley zum 65. Geburtstag, hrsg. v. Wolfgang Horn/Fabian Weber (Regensburger Studien zur Musikgeschichte, Bd. 10), Tutzing 2013, S. 303–336, ISBN 978-3-86296-058-3
  • Michael Wackerbauer: Die Donaueschinger Musikfeste 1921 bis 1926. Regesten zu den Briefen und Dokumenten im Fürstlich-Fürstenbergischen Archiv mit einer historischen Einführung [1] (Regensburger Studien zur Musikgeschichte, Bd. 12), Regensburg 2017, ISBN 978-3-940768-73-5
  • Björn Gottstein, Michael Rebhahn (Hrsg.): Gegenwärtig. 100 Jahre Neue Musik. Die Donaueschinger Musiktage. Henschel, Leipzig 2021, ISBN 978-3-89487-828-3 (216 S.).

Weblinks

Commons: Donaueschinger Musiktage – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Henrik Oerding: Donaueschinger Musiktage 2020 abgesagt: Ältestes Festival für Neue Musik muss entfallen. Bayerischer Rundfunk, 13. Oktober 2020, abgerufen am 16. Oktober 2020.
  2. Donaueschinger Musiktage – Lydia Rilling wird neue Künstlerische Leiterin. In: SWR. 15. April 2021;.