Dr. Paul Lohmann

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Dr. Paul Lohmann GmbH & Co. KGaA

Rechtsform GmbH & Co. KGaA
Gründung 1886
Sitz Emmerthal, Deutschland
Leitung Jürgen Lohmann
Mitarbeiterzahl 526 (weltweit) (2019)[1]
Umsatz 130 Mio. € (2019)[2]
Branche Chemische Industrie
Website www.lohmann-chemikalien.de
Stand: 2019

Die Dr. Paul Lohmann GmbH & Co. KGaA ist ein deutscher Chemiekonzern mit Hauptsitz in Emmerthal in Niedersachsen.

Geschichte

Von der Gründung bis zum Ersten Weltkrieg

1873 errichteten der Apotheker Victor Sertürner und der Chemiker August Rundspaden in Hameln eine chemische Fabrik zur Herstellung von Produkten, die in der ab 1873 im deutschen Reich geltenden Pharmacopoea Germanica definiert wurden. Nachdem die Erbauer sich zerstritten hatten, pachtete 1886 und erwarb Paul Lohmann die Fabrik 1887, um die Produktion fortzuführen und sich selbstständig zu machen. Das wichtigste Produkt der Fabrik war Ferrum hydrogenio reductum, also reduziertes Eisen. Paul Lohmann, der in der Leitung einer chemischen Fabrik unerfahren war, konnte die zu Beginn leere Fabrik innerhalb von vier Jahren in eine profitable Unternehmung verwandeln.[3] 1895 kaufte Paul Lohmann die Klussmann’sche Fabrik in Hameln, die ebenfalls Ferrum hydrogenio reductum herstellte. Da die Hamelner Fabrik von Lohmann und die Klussmann’sche Fabrik die einzigen im deutschen Reich waren, die Ferrum hydrogenio reductum herstellten, nahm die Degussa 1887 und 1902 Kontakt mit Paul Lohmann auf, um seine Produktion zu übernehmen.[4] Neben Pharmazeutika stellte Dr. Paul Lohmann um die Jahrhundertwende Unkrautvernichter, Putzmittel und anderes her und gehört so zu den klassischen Vielproduktunternehmen.[5] Nach der Erweiterung der Fabrik 1903 vereinbarte Paul Lohmann mit der Degussa die Produktion von Ferrum reductum einzustellen und seine Kunden mit Ferrum reductum aus der Produktion der Degussa zu beliefern. Im selben Jahr schlossen sich Dr. Paul Lohmann, Degussa und Merck zu einer Ferrum-Konvention zusammen, die die Preise für das Produkt abstimmte.[6]

Weimarer Republik bis zum Umzug 1955 nach Emmerthal

Nach dem Tod des ältesten Sohnes Fritz 1919, trat der jüngere Bruder Rudolf Lohmann nach dem Ersten Weltkrieg in die Firma ein. 1929 kam es zum Streit um die Ausrichtung des Unternehmens. Paul Lohmann sah in der chemischen Sparte die Zukunft, während sein Sohn Rudolf die Ausrichtung auf Drogerieartikeln und Pharmazeutika bevorzugte.[7] 1931 übernahm Rudolf Lohmann die Unternehmung, verstärkte die Entwicklung pharmazeutischer Chemikalien und übergab diese Sparte 1938 an die Firma Heimbürger, die auch Lohmann gehörte. Die Erzeugung von Eisenchlorür- und Eisenchlorid-Lauge wurde ebenfalls aufgegeben. Im Zweiten Weltkrieg wurde der unternehmerische Spielraum eingeschränkt und die Produktion staatlich gelenkt.[8] 1940 wies das Arbeitsamt der Firma Zwangsarbeiter als Arbeitskräfte zu. Rudolf Lohmann gründete nach dem Verkauf der Firma A. Heimbürger und Nachf. die Firma Lomapharm, um in ihr die pharmazeutischen Produkte zu bündeln und Auftragsarbeit für andere Pharmaunternehmen zu leisten.[9] Nachdem die Stadt Hameln nach dem Krieg stark wuchs und die Fabrik jetzt von der Stadt umschlossen war, kaufte Rudolf Lohmann 1951 die ehemalige Hefefabrik in Emmern und 1954 die ehemalige Seifenfabrik Gomelit in Kirchohsen. Der älteste Sohn von Rudolf Lohmann Ekkehard Lohmann plante und organisierte den Umzug der Fabrik von Hameln nach Emmern und Kirchohsen während die Produktion unvermindert weiterging.[10]

Nachkriegsgeschichte

1959 kaufte Rudolf Lohmann die Firma Neudorff.[11] 1961 übernahm Ekkehard Lohmann die Leitung der Firma.[12] Am 11. Februar 1962 wurde der Grundstein für eine chemische Fabrik in Kalkutta gelegt, die ein Joint Venture zwischen dem Unternehmer Sen Gupta und der Dr. Paul Lohmann in einer Form einer Aktiengesellschaft war. Auf der Reise nach Kalkutta verhandelte Ekkehard Lohmann in St. Louis mit Mallinckrodt Pharmaceuticals, die seit 1895 von Dr. Paul Lohmann mit ferrum reductum beliefert worden war. Mallinckrodt Pharmaceuticals lizenzierte die Produktion von Eisenfumarat durch Dr. Paul Lohmann für die DACH-Region. Ab 1961 arbeiteten mehr und mehr ausländische Arbeitnehmer bei Dr. Paul Lohmann. Waren die ersten Arbeitnehmer aus Italien gekommen, stellten 1973 Spanien und 1979 die Türkei die meisten nicht deutschen Arbeitnehmer.[13] Nachdem das Joint-Venture in Indien wiederholt durch die äußeren Rahmenbedingungen in Schwierigkeiten geraten war, verkaufte Dr. Paul Lohmann die Aktien der Dr. Paul Lohmann (India) Ltd. 1972 an ein Unternehmen aus Bombay.[14] 1972 wurde eine neue Fabrik für Magnesiumsalze in Lüneburg, was im Zonenrandgebiet lag, erbaut und eröffnet. Seit 1987 produziert dort auch die Firma Neudorff.[15]

Rechtsstreit um das KKW Grohnde

1974 erhoben Hans Joachim Lohmann für die Lomapharm und Ekkehard Lohmann für die Dr. Paul Lohmann Einwendungen gegen den Bau des Kernkraftwerk Grohnde. Sie machten geltend, dass von dem Kernkraftwerk Emissionen, Verunreinigungen und klimatische Veränderungen ausgehen könnten, die die Produktion in ihren Unternehmen beeinträchtigen könnten. Ab 1976 klagten die Firmen gegen die Errichtung des Kernkraftwerks Grohnde. Hatten die Kläger zunächst einen Baustopp erreicht, wurde dieser 1979 vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg aufgehoben. Daraufhin legten Hans Joachim Lohmann und Ekkehard Lohmann Verfassungsbeschwerde ein, weil die Aufhebung des Baustopps gegen das Grundgesetz verstoße.[16] 1982 stellte das Oberverwaltungsgericht fest, dass die Betreiber des Kernkraftwerks Grohnde an Dr. Paul Lohmann und die Lomapharm insgesamt 12,2 Millionen Mark zu zahlen haben, damit die Firmen Sicherungs- und Vorsorgeinvestitionen treffen können, um eine Kontamination ihrer Produktion durch das Kernkraftwerk Grohnde auszuschließen.[17] Neben der ständigen Optimierung und Modernisierung der Produktion wurde auch der Umweltschutz verstärkt berücksichtigt. Die Verbesserung der Wasseraufbereitung war dabei besonders wichtig.[18] 1998 übernahm Jürgen Lohmann die Geschäftsführung der Dr. Paul Lohmann GmbH & Co. KGaA von Ekkehard Lohmann. Er veränderte die Firmenstruktur so, dass die Firma von drei Geschäftsführern geleitet wird.

Verwaltung Werk Emmerthal

Das Unternehmen heute

2004 beschlossen die Geschäftsführer Jürgen Lohmann, Uwe Günther und Torsten Cuno die Dr. Paul Lohmann so weiterzuentwickeln, dass den Kunden mehr Service geboten wird, z. B. sollten Lebensmittelherstellern Premixe angeboten werden.[18] Um dieses Ziel zu erreichen, wurde die Produktionskapazität erhöht, die Logistik optimiert und die Bereiche Forschung, Entwicklung und Anwendung erweitert.[19] 2007 kaufte Dr. Paul Lohmann den Geschäftsbereich Mineralsalze von Boehringer Ingelheim. 2013 wurde die Firma Lomapharm an die Private Equity Unternehmen (DUBAG) verkauft. Die Dr. Paul Lohmann stellt gegenwärtig „400 verschiedene Salze in insgesamt über 7000 unterschiedlichen Spezifikationen“[20] für unterschiedliche Anwendungen an den Produktionsstandorten Emmerthal und Lüneburg her.[21] Im Jahr 2021 wurde die Marke Lohtragon eingeführt um den Bereich der Produkte für industrielle Anwendungen auszubauen.[22]

Literatur

  • Gesa Snell: Die Geschichte der Lohmann GmbH KG. Die Chemie stimmt – seit 1886. Barton Verlag, Weilerswist-Metternich 2018, ISBN 978-3-934648-24-1 (Konzept, Text und Bildrecherche von der Autorin).
  • Ekkehard Lohmann: Organisation und Durchführung einer Betriebsverlagerung bei laufender Produktion. (Dargestellt anhand eines praktischen Beispiels aus der chemischen Industrie). Hameln 1959, DNB 574654151 (Freiburg, Schweiz, Juristische Fakultät, Dissertation).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Arbeiten in der Region Hannover-Hameln – Dr. Paul Lohmann. In: lohmann-chemikalien.de. Abgerufen am 23. Mai 2020.
  2. Unternehmen – Azubi4Lohmann. In: azubi4lohmanngruppe.de. Abgerufen am 23. Mai 2020.
  3. Gesa Snell: Die Geschichte der Lohmann GmbH KG. Die Chemie stimmt – seit 1886. Hrsg.: Lohmann GmbH KG. 1. Auflage. Barton-Verlag, Weilerwist-Metternich 2018, ISBN 978-3-934648-24-1, S. 25.
  4. Gesa Snell: Die Geschichte der Lohmann GmbH KG. Die Chemie stimmt – seit 1886. Hrsg.: Lohmann GmbH KG. 1. Auflage. Barton-Verlag, Weilerwist-Metternich 2018, ISBN 978-3-934648-24-1, S. 31.
  5. Gesa Snell: Die Geschichte der Lohmann GmbH KG. Die Chemie stimmt – seit 1886. Hrsg.: Lohmann GmbH KG. 1. Auflage. Barton-Verlag, Weilerwist-Metternich 2018, ISBN 978-3-934648-24-1, S. 33.
  6. Gesa Snell: Die Geschichte der Lohmann GmbH KG. Die Chemie stimmt – seit 1886. Hrsg.: Lohmann GmbH KG. 1. Auflage. Barton-Verlag, Weilerwist-Metternich 2018, ISBN 978-3-934648-24-1, S. 37.
  7. Gesa Snell: Die Geschichte der Lohmann GmbH KG. Die Chemie stimmt – seit 1886. Hrsg.: Lohmann GmbH KG. 1. Auflage. Barton-Verlag, Weilerwist-Metternich 2018, ISBN 978-3-934648-24-1, S. 51.
  8. Gesa Snell: Die Geschichte der Lohmann GmbH KG. Die Chemie stimmt – seit 1886. Hrsg.: Lohmann GmbH KG. 1. Auflage. Barton-Verlag, Weilerwist-Metternich 2018, ISBN 978-3-934648-24-1, S. 78.
  9. Historie – Lomapharm. In: lomapharm.de. Abgerufen am 25. Mai 2020.
  10. Ekkehard Lohmann: Organisation und Durchführung einer Betriebsverlagerung bei laufender Produktion. (Dargestellt anhand eines praktischen Beispiels aus der chemischen Industrie). Hameln 1959, DNB 574654151.
  11. Neudorff: Der kompetente Ratgeber für naturgemäßes Gärtnern. In: neudorff.de. Abgerufen am 25. Mai 2020.
  12. Gesa Snell: Die Geschichte der Lohmann GmbH KG. Die Chemie stimmt – seit 1886. Hrsg.: Lohmann GmbH KG. 1. Auflage. Barton-Verlag, Weilerwist-Metternich 2018, ISBN 978-3-934648-24-1, S. 105.
  13. Gesa Snell: Die Geschichte der Lohmann GmbH KG. Die Chemie stimmt – seit 1886. Hrsg.: Lohmann GmbH KG. 1. Auflage. Barton-Verlag, Weilerwist-Metternich 2018, ISBN 978-3-934648-24-1, S. 114.
  14. Gesa Snell: Die Geschichte der Lohmann GmbH KG. Die Chemie stimmt – seit 1886. Hrsg.: Lohmann GmbH KG. 1. Auflage. Barton-Verlag, Weilerwist-Metternich 2018, ISBN 978-3-934648-24-1, S. 121.
  15. Unternehmen – Dr. Paul Lohmann. In: lohmann-chemikalien.de. Abgerufen am 25. Mai 2020.
  16. Gesa Snell: Die Geschichte der Lohmann GmbH KG. Die Chemie stimmt – seit 1886. Hrsg.: Lohmann GmbH KG. 1. Auflage. Barton-Verlag, Weilerwist-Metternich 2018, ISBN 978-3-934648-24-1, S. 132.
  17. Gesa Snell: Die Geschichte der Lohmann GmbH KG. Die Chemie stimmt – seit 1886. Hrsg.: Lohmann GmbH KG. 1. Auflage. Barton-Verlag, Weilerwist-Metternich 2018, ISBN 978-3-934648-24-1, S. 133.
  18. a b Gesa Snell: Die Geschichte der Lohmann GmbH KG. Die Chemie stimmt – seit 1886. Hrsg.: Lohmann GmbH KG. 1. Auflage. Barton-Verlag, Weilerwist-Metternich 2018, ISBN 978-3-934648-24-1, S. 139.
  19. Gesa Snell: Die Geschichte der Lohmann GmbH KG. Die Chemie stimmt – seit 1886. Hrsg.: Lohmann GmbH KG. 1. Auflage. Barton-Verlag, Weilerwist-Metternich 2018, ISBN 978-3-934648-24-1, S. 159.
  20. Unternehmen – Dr. Paul Lohmann. In: lohmann-chemikalien.de. Abgerufen am 25. Mai 2020.
  21. Imagefilm – Dr. Paul Lohmann. In: lohmann-chemikalien.de. Abgerufen am 25. Mai 2020.
  22. Metallsalzkompetenz für industrielle Anwendungen | CHEManager. Abgerufen am 24. November 2021.