Durch Adams Fall ist ganz verderbt
Durch Adams Fall ist ganz verderbt ist ein geistliches Lied mit einem Text von Lazarus Spengler aus dem Jahr 1524.[1] Die eines unbekannten Komponisten ist seit 1529 mit dem Text verbunden.
Entstehung
Spenglers Dichtung wurde angeregt vom reformatorischen Liedschaffen Martin Luthers. Ein konkreter Anlass oder Verwendungszweck ist nicht bekannt.
Inhalt
Das neunstrophige Lied ist ein Lehrgedicht. Es stellt die lutherische Rechtfertigungslehre umfassend und einprägsam dar. Die meisten der achtzeiligen Strophen sind grammatisch ein einziger Satz. Biblischer Hintergrund sind in den Strophen 1–4 die Sündenfallerzählung der Genesis (Gen 3,1–24 LUT) und die paulinische Adam-Christus-Typologie (Röm 5,6–21 LUT; 1 Kor 15,21–22 LUT), in Strophe 5 außerdem die Ich-bin-Worte des Johannesevangeliums. Der Mensch, der sich in der Negativtradition seit Adam und Eva als sündig und todverfallen vorfindet (Erbsünde), wird durch seine Selbsterlösungsversuche erst recht „verflucht“ (Strophe 6). Die Rettung kommt ihm von außen, durch das stellvertretende Leiden und Sterben des Gottessohns Jesus Christus. Wer diese im verkündigten Wort Gottes zugesagte Rettung im Glauben ergreift, empfängt Trost und Heil (Strophe 7). In den Strophen 8 und 9 wird das Lehrgedicht zum Gebet; die letzte Strophe knüpft dabei an Psalm 119,105 LUT an. Deren zweite Hälfte wird wieder lehrhaft, indem sie die Gaben des Heiligen Geistes preist, die dem Glaubenden verheißen sind.
Rezeption
Spenglers Lied erschien bereits 1524 in Johann Walters Geistlichem Gesangbüchlein, das Martin Luther selbst autorisierte. Es fand, zum Thema der Erbsünde, Eingang in die Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche (BSLK).[2] Im Einflussbereich der lutherischen Orthodoxie gehörte es bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts zum Kernbestand des Kirchengesangs. Die erfahrungsbetonten Strömungen des Pietismus und der Aufklärung nahmen jedoch Anstoß an der axiomatischen Erbsündenlehre der Anfangsstrophen. Albert Schweitzer nannte Durch Adams Fall in seinem Kommentar zu Bachs Orgelbüchlein „das grausige Lied von der Ursünde“. Das erste überregionale Deutsche Evangelische Kirchen-Gesangbuch von 1854 enthielt es nicht, ebenso wenig das Deutsche Evangelische Gesangbuch von 1914. Dagegen wurde ins Evangelische Kirchengesangbuch (1950) eine siebenstrophige Version (ohne Spenglers Strophen 2 und 6) aufgenommen (Nr. 243). Die Redaktoren des Evangelischen Gesangbuchs (1993) schieden es wieder aus.
Bedeutende musikalische Bearbeitungen des Liedes sind u. a. Johann Sebastian Bachs Orgelbearbeitung aus dem Orgelbüchlein BWV 637 sowie Dietrich Buxtehudes Orgelbearbeitung BuxWV 183. Zwei Kantaten Georg Philipp Telemanns basieren auf dem Lied (TWV 1:395 und 1:396).
Text
1. Durch Adams Fall ist ganz verderbt
menschlich Natur und Wesen,
dasselb Gift ist auf uns geerbt,
dass wir nicht konnt’n genesen
ohn’ Gottes Trost, der uns erlöst
hat von dem großen Schaden,
darein die Schlang Eva bezwang,
Gotts Zorn auf sich zu laden.
2. Weil denn die Schlang Eva hat bracht,
dass sie ist abgefallen
von Gottes Wort, das sie veracht,
dadurch sie in uns allen
bracht hat den Tod, so war je Not,
dass uns auch Gott sollt geben
sein lieben Sohn, der Gnaden Thron,
in dem wir möchten leben.
3. Wie uns nun hat ein fremde Schuld
in Adam all verhöhnet,
also hat uns ein fremde Huld
in Christo all versöhnet;
und wie wir all durch Adams Fall
sind ewigs Tods gestorben,
also hat Gott durch Christi Tod
verneut, was war verdorben.
4. So er uns denn sein Sohn geschenkt,
da wir sein’ Feind’ noch waren,
der für uns ist ans Kreuz gehenkt,
getöt’, gen Himmel g’fahren,
dadurch wir sein von Tod und Pein
erlöst, so wir vertrauen
in diesen Hort, des Vaters Wort,
wem wollt vor Sterben grauen?
5. Er ist der Weg, das Licht, die Pfort,
die Wahrheit und das Leben,
des Vaters Rat und ewigs Wort,
den er uns hat gegeben
zu einem Schutz, dass wir mit Trutz
an ihn fest sollen glauben,
darum uns bald kein Macht noch G’walt
aus seiner Hand wird rauben.
6. Der Mensch ist gottlos und verflucht,
sein Heil ist auch noch ferne,
der Trost bei einem Menschen sucht
und nicht bei Gott dem Herren;
denn wer ihm[3] will ein ander Ziel
ohn’ diesen Tröster stecken,
den mag gar bald des Teufels G’walt
mit seiner List erschrecken.
7. Wer hofft in Gott und dem vertraut,
wird nimmermehr zu Schanden;
denn wer auf diesen Felsen baut,
ob ihm gleich geht zuhanden
viel Unfalls hie, hab ich doch nie
den Menschen sehen fallen,
der sich verlässt auf Gottes Trost;
er hilft sein’ Gläub’gen allen.
8. Ich bitt, o Herr, aus Herzensgrund,
du wollst nicht von mir nehmen
dein heilges Wort aus meinem Mund,
so wird mich nicht beschämen
mein Sünd und Schuld, denn in dein Huld
setz ich all mein Vertrauen;
wer sich nur fest darauf verlässt,
der wird den Tod nicht schauen.
9. Mein’ Füßen ist dein heilges Wort
ein brennende Laterne,
ein Licht, das mir den Weg zeigt fort;
so dieser Morgensterne
in uns aufgeht, so bald versteht
der Mensch die hohen Gaben,
die Gottes Geist den’ g’wiss verheißt,
die Hoffnung darein haben.
Übersetzungen
Eine dänische Übersetzung „Af Adams fald er plat forderffd all vor natur oc sinde…“ erschien im dänischen Gesangbuch von Ludwig Dietz 1531, im Gesangbuch von Hans Tausen, En Ny Psalmebog, von 1553, wurde auch in das Schwedische übersetzt 1543 und steht im dänischen Gesangbuch von Hans Thomissøn, Psalmebog, Kopenhagen 1569 (vergleiche Nils Schiørring, Det 16. og 17. århundredes verdslige danske visesang, Band 1, Kopenhagen 1950, S. 28). Noch um 1639 verwendete man diese Melodie auch für andere dänische Lieder.[4]
Literatur
- Durch Adams Fall ist ganz verderbt. In: Bernd Hamm, Wolfgang Huber u. a. (Hrsg.): Lazarus Spengler Schriften. Band 1: Schriften der Jahre 1509 bis Juni 1525. Gütersloh 1995, S. 398–405
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Martin Arneth: Durch Adams Fall ist ganz verderbt... – Studien zur Entstehung der alttestamentlichen Urgeschichte, Vandenhoeck & Ruprecht, 2007, S. 9.
- ↑ vgl. Artikel 2 der Confessio Augustana
- ↑ Hier reflexiv: „sich“
- ↑ Vgl. Otto Holzapfel: Liedverzeichnis: Die ältere deutschsprachige populäre Liedüberlieferung (Online-Fassung auf der Homepage Volksmusikarchiv des Bezirks Oberbayern; im PDF-Format; laufende Updates) mit weiteren Hinweisen.