Einheitslieder
Einheitslieder sind Listen von deutschsprachigen Kirchenliedern, die im 20. Jahrhundert von der katholischen Deutschen Bischofskonferenz erstellt wurden, um ein einheitliches religiöses Liedgut im deutschsprachigen Katholizismus zu befördern.
Einheitslieder 1916
Die Reformation hat auch im deutschsprachigen Katholizismus die Entstehung muttersprachlicher Kirchenlieder begünstigt. Bei Wallfahrten, Prozessionen und Andachten wurden deutsche Lieder gesungen, und es kam zur Bildung des Deutschen Hochamts als Sonderform der katholischen Messliturgie.
Ein von Heinrich Bone 1847 herausgegebenes Gesangbuch namens Cantate! erfuhr eine große Verbreitung in Deutschland. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstand infolge der Wanderungsbewegungen in der deutschen Bevölkerung im Zuge der Industrialisierung eine Diskussion um ein Allgemeines deutsches Kirchengesangbuch, angestoßen von dem Münsteraner Alttestamentler Bernhard Schäfer.[1] Bedenken wurden dagegen geäußert, weil man Einbußen im Kirchengesang befürchtete, wenn durch ein solches Buch in vielen Bistümern neue Melodien zu bekannten Kirchenliedern eingeführt werden sollten. Der Cäcilienverband – maßgeblichen Einfluss hatte Gustav Erlemann – befürwortete stattdessen zunächst die Erstellung einer Liste mit Einheitsliedern.
Eine solche Liste mit 23 Liedern zu 20 Melodien, zusammengestellt von Hermann Müller[2], gab die Fuldaer Bischofskonferenz am 23. August 1916 heraus.
„Ihr Hauptzweck besteht darin, bei religiösen Zusammenkünften von Katholiken aus verschiedenen deutschen Diözesen (z. B. bei Wallfahrten, Katholikentagen u.dgl.) die Möglichkeit darzubieten, deutsche Kirchenlieder allgemeinen Charakters gemeinschaftlich singen zu können, die in allen Diözesen nach Text und Melodie übereinstimmen. Um dieses so wichtige und langerstrebte Ziel wirksam zu erreichen, dürfen in Zukunft diese Lieder nur noch in der hier dargebotenen Weise gesungen werden.“
Jedoch gelang es wegen des Ersten Weltkrieges nur zögernd, diese Liste in den deutschen Bistümern einzuführen. Die angestrebte Verbindlichkeit ließ sich nicht durchsetzen.[4]
Liste der Einheitslieder (1916)[5]
Einheitslieder 1947/1949
Einen zweiten Anlauf zu einer Liste von Einheitsliedern unternahm im Auftrag der Fuldaer Bischofskonferenz ab 1942 eine Kommission von Kirchenmusikern unter Leitung des Trierer Bischofs Franz Rudolf Bornewasser, der früher Direktor der Kirchenmusikschule St. Gregorius-Haus in Aachen gewesen war. Die Liste von 74 Liedern wurde am 29. Juni 1947 herausgegeben und von der Bischofskonferenz als „Pflichtlieder“ zur Aufnahme in die Kirchengesangbücher aller deutschen Diözesen vorgeschrieben. Erzbischof Bornewasser bezog sich in seinem Geleitwort zur „Authentischen Gesamtausgabe“ auf den lebendigen „Wunsch nach einem allen deutschen Katholiken gemeinsamen Liedgut“; der Kanon von Liedern möge zur Vereinheitlichung, aber auch zur Verinnerlichung des Kirchengesanges führen.
Zu den so genannten E-Liedern kam im Sommer 1949 eine weitere Liste von so genannten e-Liedern (Einheitslieder der nordwestdeutschen Bistümer), die nicht verpflichtend in die Diözesangesangbücher aufgenommen werden sollten, die jedoch im Falle ihrer Aufnahme in der einheitlichen Fassung veröffentlicht werden sollten.
Die meisten Diözesen – auch in Österreich – brachten inzwischen jedoch ihre eigenen Diözesan-Gebetbücher heraus, für die nach Ende des Zweiten Weltkriegs dringender Bedarf bestand. In diese Bücher wurden übereinstimmend lediglich die Messgebete in der Fassung des deutschen Einheitstextes von 1928 und die meisten E-Lieder übernommen. Vollständig übernommen wurden die Einheitslieder in den Diözesan-Gebetbüchern von Aachen, Köln sowie dem gemeinsamen Diözesangegesangbuch für Salzburg und Gurk (Kärnten).[6]
Bei der Erstellung des 1975 erschienenen gemeinsamen Gebet- und Gesangbuchs Gotteslob wurde auch die Rezeption der Einheitslieder geprüft. Österreich hatte lediglich 45 und die Schweiz nur 21 der 74 Einheitslieder eingeführt, und „nicht alle Einheitslieder hatten sich in der Singepraxis der Gemeinden bewährt“, „viele Lieder entsprachen nicht mehr den heutigen [liturgischen, kulturellen und musikalischen] Anforderungen.“[7] In das Gotteslob von 1975 wurden 27 Lieder unverändert aufgenommen, 25 mit nur textlichen Änderungen, eines mit nur melodischen Änderungen, 11 mit textlichen und melodischen Änderungen; 10 Einheitslieder wurden nicht aufgenommen.
Liste der Einheitslieder der deutschen Bistümer (E-Lieder)
Angegeben ist auch die Rezeption der Lieder in der von der Arbeitsgemeinschaft für ökumenisches Liedgut erarbeiteten Liste Gemeinsame Kirchenlieder („Ö-Lieder“, 1973) sowie dem Gotteslob (Ausgaben 1975 bzw. 2013), jeweils mit der Nummer. Bei textlichen Abweichungen in der ersten Zeile ist die Version im Gotteslob 1975 kursiv angegeben.
Liste der Einheitslieder der nordwestdeutschen Bistümer (e-Lieder)
Literatur
- Fuldaer Bischofskonferenz (Hrsg.): Einheitslieder der deutschen Bistümer. Authentische Gesamtausgabe. Christophorus-Verlag, Freiburg im Breisgau, und Verlag B. Schott's Söhne, Mainz 1947.
- Liturgisches Institut (Hrsg.): Una voce. Die einheitlichen Gebete der deutschen Bistümer und der Einheitslieder. Verlag J.P. Bachem, Köln o. J. (1950).
- Philipp Harnoncourt: Gesamtkirchliche und teilkirchliche Liturgie. Studien zum liturgischen Heiligenkalender und zum Gesang im Gottesdienst unter besonderer Berücksichtigung des deutschen Sprachgebiets. Herder Verlag, Freiburg-Basel-Wien 1974, ISBN 3-451-16742-5.
Einzelbelege
- ↑ Bernhard Schäfer: Einheit in Liturgie und Disciplin für das katholische Deutschland., 1891, referiert in: Philipp Harnoncourt: Gesamtkirchliche und teilkirchliche Liturgie. Studien zum liturgischen Heiligenkalender und zum Gesang im Gottesdienst unter besonderer Berücksichtigung des deutschen Sprachgebiets. Herder Verlag, Freiburg-Basel-Wien 1974, ISBN 3-451-16742-5, S. 377.
- ↑ Fabian Weber (Bearb.): Die Kardinalprotektoren, Generalpräsides und Präsidenten des Allgemeinen Cäcilien-Verbandes für Deutschland. 3. Fassung. Regensburg, Mai 2019, S. 31.
- ↑ Vorwort vom Bischöflichen Generalvikar Franz Tilmann in: Gesang- und Gebetbuch für die Diözese Trier. Paulinus-Druckerei, Trier 1917 (17. Juli 1917).
- ↑ Philipp Harnoncourt: Gesamtkirchliche und teilkirchliche Liturgie. Studien zum liturgischen Heiligenkalender und zum Gesang im Gottesdienst unter besonderer Berücksichtigung des deutschen Sprachgebiets. Herder Verlag, Freiburg-Basel-Wien 1974, ISBN 3-451-16742-5, S. 378–390; Martin Persch: EinheitsliederArtikel. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Band 3. Herder, Freiburg im Breisgau 1995.
- ↑ Nummerierung nach: Philipp Harnoncourt: Gesamtkirchliche und teilkirchliche Liturgie. Studien zum liturgischen Heiligenkalender und zum Gesang im Gottesdienst unter besonderer Berücksichtigung des deutschen Sprachgebiets. Herder Verlag, Freiburg-Basel-Wien 1974, ISBN 3-451-16742-5, S. 387ff.
- ↑ Philipp Harnoncourt: Gesamtkirchliche und teilkirchliche Liturgie. Studien zum liturgischen Heiligenkalender und zum Gesang im Gottesdienst unter besonderer Berücksichtigung des deutschen Sprachgebiets. Herder Verlag, Freiburg-Basel-Wien 1974; ISBN 3-451-16742-5; S. 392–396.
- ↑ Redaktionsbericht 190f., zitiert bei: Hermann Ühlein: Kirchenlied und Textgeschichte Literarische Traditionsbildung am Beispiel des deutschen Himmelfahrtsliedes von der Aufklärung bis zur Gegenwart. Königshausen & Neumann Verlag, Würzburg 1996; ISBN 978-3-8260-1081-1; S. 134f.
- ↑ Zählung nach: Fuldaer Bischofskonferenz (Hrsg.): Einheitslieder der deutschen Bistümer. Authentische Gesamtausgabe. Christophorus-Verlag, Freiburg im Breisgau, und Verlag B. Schott’s Söhne, Mainz 1947; in anderer Zählung: Liturgisches Institut (Hrsg.): Una voce. Die einheitlichen Gebete der deutschen Bistümer und der Einheitslieder. Verlag J.P. Bachem, Köln o. J. (1950).
- ↑ „Ökumenische Lieder“, enthalten in: Arbeitsgemeinschaft für christliches Liedgut (Hrsg.): Gemeinsame Kirchenlieder. Gesänge der deutschsprachige Christenheit. Berlin/Regensburg 1973, ISBN 3875370082 (Merseburger GmbH), ISBN 3791703560 (Pustet) (Herausgegeben im Auftrag der christlichen Kirchen des deutschen Sprachbereichs); nach 1973 kamen weitere Ö-Lieder hinzu.
- ↑ https://www.afk-freiburg.de/gotteslob/Gotteslob-Inhalt-vollstaendig-FR-RO.pdf
- ↑ O wunderbare Speise
- ↑ In der Übertragung von Maria Luise Thurmair (1969)
- ↑ In der Übertragung von Liborius O. Lumma (2008)
- ↑ „Ökumenische Lieder“, enthalten in: Arbeitsgemeinschaft für christliches Liedgut (Hrsg.): Gemeinsame Kirchenlieder. Gesänge der deutschsprachige Christenheit. Berlin/Regensburg 1973, ISBN 3875370082 (Merseburger GmbH), ISBN 3791703560 (Pustet) (Herausgegeben im Auftrag der christlichen Kirchen des deutschen Sprachbereichs); nach 1973 kamen weitere Ö-Lieder hinzu.
- ↑ https://www.afk-freiburg.de/gotteslob/Gotteslob-Inhalt-vollstaendig-FR-RO.pdf