Elektronegativitätsdifferenz
Die Elektronegativitätsdifferenz (im Laborjargon auch Delta-EN (ΔEN) genannt) ist in einer Bindung die Differenz der Elektronegativitäten der beteiligten Atome.
Gemeinsame Elektronen werden vom Bindungspartner mit der größeren Elektronegativität stärker angezogen und führen dort zu einer negativen Teilladung. Umgekehrt entsteht beim Bindungspartner mit der kleineren Elektronegativität eine positive Teilladung. Damit wird zwischen den Bindungspartnern eine polare Elektronenbindung ausgebildet.
Wird Delta-EN sehr groß, kann die Bindung häufig vorteilhafter als Ionenbindung (elektrovalente Bindung) beschrieben werden. Substanzen, in denen der elektrovalente Anteil der Bindung dominiert, werden Salze genannt. Allerdings ist Delta-EN nicht das einzige Kriterium für das Vorliegen eines Salzes, wie am Beispiel der Verbindungen Lithiumiodid (LiI) und Fluorwasserstoff (HF) gezeigt werden kann. Obwohl Delta-EN für HF mit 1,9 größer ist als der Wert von 1,2 für LiI, ist Fluorwasserstoff eine Molekülverbindung, während Lithiumiodid ein Salz mit typisch kristallinem Aufbau (Kochsalz-Struktur) ist.
Fluorwasserstoff (HF) | Kohlenstoffdioxid (CO2) | Wasser (H2O) |
Datei:CO2 Polarization V.2.svg | Datei:H2O Polarization V.2.svg | |
Als Faustregel kann gesagt werden, dass Moleküle mit einem asymmetrischen Aufbau und einer Differenz der Elektronegativitäten (ΔEN) nach Pauling kleiner als 1,7, aber größer als 0,5 als Dipol-Moleküle auftreten. D. h. diese Moleküle sind zwar nach außen elektrisch neutral, haben aber ein (messbares) Dipolmoment. Bei Molekülen mit ΔEN größer 1,7 nimmt man einen ionischen Bindungscharakter an. Allerdings ist die Grenze ΔEN < 1,7 nur als Richtwert anzusehen, wie sich an den Beispielen Fluorwasserstoff und Aluminiumchlorid (ΔEN = 1,5) zeigt. Bei ΔEN kleiner 0,5 nimmt man einen unpolaren Bindungscharakter an.
Die Verbindungen, die als potentielles Ion das H+ (Proton) besitzen, können keine Ionenverbindungen sein, da das H+ aufgrund vollständig fehlender Elektronenhülle kein echtes selbständiges Ion ist. Mit H+ bildet sich deshalb grundsätzlich das s-p-σ- bzw. s-q-σ-Bindungsorbital, aus dem das H+ in einer Protolysereaktion bei ausreichendem ΔEN herauswechseln kann.