Emanuel Treu

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Emanuel Treu (* 8. August 1915 in Wien; † 13. August 1976 ebenda) war österreichischer Widerstandskämpfer und einer der bedeutendsten Diplomaten der Republik Österreich in der Nachkriegszeit.

Jugend

Als Sohn eines wohlhabenden Stempelfabrikanten und seiner Gemahlin in Wien geboren, begann Emanuel ("Mundi") Treu nach der Matura 1933 und Militärdienst das Studium der Rechtswissenschaften ebenda und war in der Pfadfinderschaft aktiv. Aus einer Familie von strikten Gegnern des Nationalsozialismus kommend wurde er nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich zunächst wegen seiner Verweigerung, als Pfadfinderführer am Aufbau der Hitlerjugend (HJ) mitzuwirken, verhaftet und im Hauptquartier der Gestapo, dem Wiener Hotel Metropol schwer misshandelt.

Flucht und Internierung

Vor der Überführung ins Konzentrationslager gelang Treu die Flucht aus Österreich in die Schweiz, von wo er eigentlich nach Großbritannien emigrieren wollte, um, wie so viele österreichische Pfadfinder den Kampf gegen Hitler aufzunehmen. Auf Verlangen der Behörden des Deutschen Reiches verhaftet, wurde er in diversen Internierungslagern, u. a. Davesco, Girenbad, Gordoa, Locarno, Vouvry festgehalten und musste seine Träume von England und einer späteren Auswanderung in die USA aufgeben. Sein, in Wien vor dem Abschluss abgebrochenes Studium konnte er am Institut de hautes études internationales et du développement in Genf zunächst fortsetzen, und nach Erleichterung der Internierungsbedingungen gegen Ende des Krieges abschließen. An diesem Institut trug er in späteren Jahren selbst vor und blieb ihm bis zu seinem Lebensende verbunden.

Widerstand und Untergrund

Ende 1942 wurden Treus Internierungsbedingungen so gelockert, dass er sich in der Schweiz frei bewegen konnte. In Folge schloss er sich dem österreichischen Widerstand an und wurde dort eine der zentralen Figuren der Bewegung O5 in der Schweiz. 1944 wurde er Leiter der "Austria-Studentenvereinigung" in Genf. Im Zuge seiner Tätigkeit überquerte Treu wiederholt die Grenze zur damaligen Ostmark um Verbindungsaufnahme mit österreichischen Widerstandskämpfern durchzuführen. Auf Gewaltfreiheit eingeschworen lehnte er es dabei stets ab, auf Menschen zu schießen. Seine Arbeit konzentrierte sich auf politische Ziele; er war an frühzeitigen Verhandlungen mit den Alliierten über den Status Österreichs nach dem Krieg beteiligt, Aufgaben, die durch Fritz Molden und seinem Kreis weitergeführt werden konnten. Treu war zudem der O5 Verbindungsmann zur Résistance und überquerte dabei wiederholt die Grenze zu Frankreich.

Heimkehr ins befreite Österreich

Nach seiner Rückkehr nach Wien wurde er ob seiner, während des Krieges im Widerstand bewiesenen Verlässlichkeit und seiner internationalen Kontakte 1946 in das österreichische Außenministerium übernommen, wo er zunächst kurze Zeit gemeinsam mit Kurt Waldheim als Sekretär von Bundesminister Karl Gruber arbeitete, um dann Mitarbeiter des damaligen Staatssekretärs und späteren Bundeskanzler Bruno Kreisky zu werden. In dieser Funktion arbeitete er an den Staatsvertragsverhandlungen mit, die Österreich 1955 schließlich zur Freiheit verhalfen.

Karriere im Außenministerium der Zweiten Republik

Seine diplomatische Laufbahn führte ihn zwischenzeitlich 1947 in das vormalige Jugoslawien, wo er unter abenteuerlichen Bedingungen mit Hilfe seiner Sprachlehrerin und künftigen Ehefrau unter Einsatz deren Leben den (inoffiziellen) Auftrag, die österreichischen Kriegsgefangenen der Wehrmacht ausfindig zu machen und sie von Josip Broz Tito persönlich frei zu bekommen, erfolgreich erledigen konnte, wodurch diese noch vor deren Übergabe und Verlegung in die damalige Sowjetunion nach Österreich zurückkehren konnten. Sein beruflicher Weg führte ihn auch nach Großbritannien, Brasilien, weiters nach Kolumbien, wo er die erste österreichische Gesandtschaft in Bogotà eröffnete und in die Schweiz, wo er zwischen 1960 und 1966 in Genf der österreichische Vertreter beim Europäischen Büro der Vereinten Nationen und bei diversen anderen internationalen Organisationen (Internationales Rotes Kreuz, Weltgesundheitsorganisation u. a.) war. Hier entfaltete er sein diplomatisches Können bei der GATT und der EFTA, in denen er auch wichtige Positionen einnahm. Er wurde im Weiteren als parteiloser Beamter Berater aller österreichischer Außenminister in Wirtschafts- und Handelsfragen. Er gilt daher auch als einer der Väter des Beitrittes Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft und war der Lehrer vieler erfolgreicher Diplomaten (Manfred Scheich, Gregor Woschnagg u. a.) auf dem Weg zum vereinten Europa.

Nach Wien zurückgekehrt begründete er 1968 eine neue Abteilung im Außenamt, das „Büro für Internationale Organisationen und Konferenzen“ (heute Abteilung II.5 "Internationale Organisationen"), welches er zunächst leitete. Bald danach wurde er mehrere Jahre Beamter der Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO) und der Internationalen Atomenergieorganisation der UNO (IAEO) als Berater der Direktoren dieser zwei Organisationen; er war dabei auch für den Bau der UNO-City in Wien zuständig.

Spätere Karriere und Tod

1974 wurde Treu Direktor der Diplomatischen Akademie in Wien, wo er auch schon viele Jahre zuvor als Lehrer für die angehenden Diplomaten gewirkt hatte. Er leitete dabei die noch heute wirkende Modernisierung und den Umbau dieser alten Institution ein, verstarb aber 1976 unerwartet im 61. Lebensjahr. Er wurde am Wiener Zentralfriedhof bestattet.[1] Sein vielseitiges Engagement für seine Heimat Österreich und seine Menschlichkeit prägten auch das Bild der Begräbnisfeierlichkeit, die nahezu einem Staatsbegräbnis glich und an der zahlreiche Persönlichkeiten aus Diplomatie, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst ihm die letzte Ehre erwiesen.

Familie und Kinder

In Belgrad lernte er seine zweite Frau Christina Popovic kennen. Aus der Ehe entstammen die Söhne Thomas Treu und Martin „Timmy“ Treu.[2][3]

Literatur

  • Der Ruf des Gewissens. Der österreichische Freiheitskampf 1938-45, Otto Molden, 1958
  • Der 20. Juli und der Landesverrat: Eine Dokumentation über Verratshandlungen im deutschen Widerstand, Karl Balzer. Veröffentlicht von K. W. Schütz, 1971
  • The GATT Legal System and World Trade Diplomacy, Robert E. Hudec. Veröffentlicht von Praeger Publishers, 1975
  • Fepolinski und Waschlapski auf dem berstenden Stern: Bericht einer unruhigen Jugend, Fritz Molden, 1976
  • Besetzer, Toren, Biedermänner. Ein Bericht aus Österreich 1945-1962, von Fritz Molden, 1980
  • Flucht in die Schweiz: Die neutrale Schweiz und die österreichische Emigration 1938 bis 1945 von Franz Goldner. Europaverlag, 1983
  • The Resistance in Austria, 1938–1945, Radomír Luža. Veröffentlicht von U of Minnesota Press, 1984 (Seite 221, NOTES 5)
  • Von der Kunst, Österreicher zu sein: Erinnerungen und Tagebuchnotizen von Hans Thalberg in Band 6 von "Dokumente zu Alltag, Politik und Zeitgeschichte". Böhlau-Verlag, 1984
  • Erzählte Geschichte: Berichte von Männern und Frauen in Widerstand wie Verfolgung von Konstantin Kaiser, Heinz Arnberger, Peter Mähner, Christa Mehany-Mitterrutzner, Doris Schmidauer, Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes. Österreichischer Bundesverlag, 1990
  • Exilland Schweiz. Lebensbedingungen und Schicksale österreichischer Flüchtlinge 1938-45 von Claudia Hoerschelmann, StudienVerlag 1997
  • Geschichte und Gegenwart, Studiengesellschaft für Zeitgeschichte und Politische Bildung (Austria), Veröffentlicht von Styria, 1997
  • Von der Souveränität zur Globalisierung im Erlebnis eines Diplomaten: Wien, Zürich, Genf, Zagreb von Rudolf Martins. Veröffentlicht von Böhlau, 1998
  • "250 Jahre: von der Orientalischen zur Diplomatischen Akademie in Wien von Oliver Rathkolb, Studien Verlag 2004
  • "Anschluß" und Ausschluss 1938 - Vertriebene und verbliebene Studierende der Universität Wien von Herbert Posch, Doris Ingrisch, Gert Dressel aus der Reile Emigranten-Exil-Kontinuität, herausgegeben von Friedrich Stadler (Wien), LIT-Verlag 2008
  • Österreichs Spitzendiplomaten zwischen Kaiser und Kreisky - Biographisches Handbuch der Diplomaten des Höherenen Auswärtigen Amtes 1918 bis 1959 von Rudolf Agstner, Gertrude Enderle-Burcel, Michaela Follner, Herausgeber: Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, Österreichische Gesellschaft für historische Quellenstudien. Verlag Fassbaender, Wien 2009
  • "... als ob unseres Nachbars Haus nicht in Flammen stünde" – Paul Vogt, Karl Barth und das Schweizerische Evangelische Hilfswerk für die Bekennende Kirche in Deutschland 1937-1947 von Heinrich Rusterholz, Theologischer Verlag Zürich, 2015

Einzelnachweise