Energy Sharing

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Energy Sharing

Energy Sharing (Energieteilung) ist ein lokales und partizipatives Energiekonzept. Mit Energy Sharing wird ein neuer Marktrahmen geschaffen, mit dem Mitglieder von Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften ihren gemeinschaftlich erzeugten Ökostrom unter bestimmten Voraussetzungen über das regionale Verteilnetz vergünstigt nutzen können. Für das Konzept des Energy Sharing existiert eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2018.

Zweck

Gerechtigkeit und Teilhabe

Energy Sharing ist eine Form der Bürgerbeteiligung an der Energiewirtschaft. Menschen und Gemeinschaften ohne eigenen Besitz an Immobilien und Flächen können mittels Energy Sharing die Nutzung erneuerbarer Energien mitgestalten und durch reduzierte Strompreise vom Ausbau erneuerbarer Energien profitieren. Dies fördert die Akzeptanz und damit Beschleunigung der Energiewende und ist ein Beitrag zur Demokratisierung der Energiewirtschaft. In Energy-Sharing-Gemeinschaften werden demokratische Strukturen und Aushandlungsprozesse gestärkt. Bürgerenergiegenossenschaften erhalten die Möglichkeit, ihre Mitglieder mit Ökostrom aus eigenen Anlagen zu versorgen. Die Mitglieder der Energy-Sharing-Gemeinschaften teilen sich die Aufwendungen und Investitionen. Gleichzeitig leisten sie mit den Investitionen einen Beitrag zur Senkung der CO2-Emission und zur Beschleunigung der Energiewende.[1]

Energy Sharing eröffnet Möglichkeiten, die Erlöse aus der lokalen Wertschöpfung lokal zu halten und den ländlichen Raum miteinzubeziehen. Die Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften können kommunale Flächen erschließen und zusätzliche Einnahmen für die Kommunen generieren. Damit werden Kommunen zu Akteuren der Energiewende und sorgen für eine breite Akzeptanz in der Kommune.

Akteursvielfalt und Dezentralisierung

Mit Gründung von Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften, die das Konzept des Energy Sharing durch gemeinsame lokale Gewinnung und Nutzung erneuerbarer Energien[2] umsetzen, werden neue Zielgruppen aktiviert, womit die Energiewende beschleunigt wird. Kleinteilige Flächen, die für Energiekonzerne wirtschaftlich unattraktiv sind, werden zusätzlich für die Energiegewinnung erschlossen. Privatpersonen sowie KMU erhalten mit Energy Sharing wirtschaftliche Anreize zu Investitionen in Erneuerbare-Energie-Anlagen. Durch Nutzung lokaler oder regionaler Energiequellen wird die Region unabhängiger von Energieimporten.

Sektorenkopplung und Ressourceneffizienz

Die für die Energiewende notwendige effiziente Elektrifizierung des Wärme- und Verkehrssektors wird durch Nutzung lokal erzeugter Elektrizität erleichtert. Lokale Wärmenetze mit Wärmespeichern sowie bidirektionales Laden von Batteriespeichern dienen der Einsparung von Ressourcen. Beispielsweise werden beim erzeugungsgerechten Laden von Elektroautos oder dem flexiblen Betrieb von Wärmepumpen dezentrale Flexibilitätspotenziale gehoben, womit der Bedarf an Regelleistung zur Sicherung der Versorgungsqualität in Stromnetzen reduziert wird. Durch an die lokale Stromerzeugung mittels intelligenter Zählertechnik angepasste lokale Laststeuerung können öffentliche Ausgaben für den Netzausbau und Entschädigungsleistungen zur Abregelung von Anlagen im Falle eines Netzengpasses reduziert werden. Dies führt beim Endverbraucher zu geringeren Netznutzungsentgelten und damit niedrigerem Strompreis.

Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung schätzte im März 2022 für Deutschland ein, dass Energy Sharing 42 %[3] bzw. 35 %[4] der Ausbauziele für erneuerbare Energien (des Koalitionsvertrags von November 2021 bzw. des Bundeskabinetts von April 2022) bis 2030 beitragen kann.

Rechtlicher Rahmen

Der Grundgedanke von Energy Sharing ist in Art. 22 der europäischen Erneuerbare-Energien-Rlichtlinie (EE-RL) verankert.[5] Die dort genannten Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften (EE-Gemeinschaften) dürfen nach EU-Recht aus eigenen, regionalen Anlagen Erneuerbare Energie produzieren, verbrauchen, speichern und verkaufen sowie die innerhalb der EE-Gemeinschaft produzierte Erneuerbare Energie gemeinsam nutzen, also das so genannte Energy Sharing. Gemäß der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) vom 11. Dezember 2018 mussten die Mitgliedsstaaten bis 30. Juni 2021 sicherstellen, dass die Rechte der Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften in nationales Recht umgesetzt sind.

Diese Umsetzung in nationales Recht ist in unterschiedlichem Maße geschehen, wie Studien aus den Jahren 2019 und 2021 zeigen.[6][7]

In Belgien (Flandern), Italien, Österreich, Portugal und in den Niederlanden ist Energy Sharing rechtlich geregelt, in Lettland, Spanien und Polen teilweise, während in Deutschland und Norwegen Energy Sharing rechtlich bisher nicht geregelt ist.[8] Die Umsetzung des Energy Sharing in Polen, Portugal, Spanien, Italien und Österreich wird in einer Studie aus dem Jahr 2020 detailliert dargestellt.[9]

In Österreich ist es seit 2017 möglich, mittels einer „Gemeinschaftlichen Erzeugungsanlage“, den Strom, der auf einem Gebäude erzeugt wird, allen Bewohnern/Mietern innerhalb des Gebäudes zur Verfügung zu stellen. Energiegemeinschaften – nach dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzespaket (EAG-Paket) vom 7. Juli 2021 – gehen darüber hinaus und erlauben im Sinne des Energy Sharing die Nutzung des öffentlichen Stromnetzes über den Hausnetzanschluss hinaus.[10][11] In Österreich wird Energy Sharing angereizt über den Entfall von verbrauchsabhängigen Ökostromförderbeiträgen für die verbrauchten Stromanteile aus der Gemeinschaft sowie über die Reduktion der Netzentgelte. Wirtschaftlich besonders günstig ist dies im lokalen Nahbereich, in dem die Mitglieder der Energiegemeinschaften ausschließlich über die Niederspannungs-Ortsnetzleitungen, die alle an einer Trafostation angeschlossen sind, verbunden sind – im Unterschied zum regionalen Nahbereichen, in denen die Verbindung auch über Mittelspannungsleitungen zwischen mehreren Trafostationen in Anspruch genommen wird.[12]

Bisher existiert im deutschen Recht (im EEG oder EnWG) kein Förderrahmen für Energy Sharing. Das Bündnis Bürgerenergie (BBEn) hat am 6. August 2021 Beschwerde bei der Europäischen Kommission über einen Verstoß gegen das EU-Recht durch die Bundesregierung Deutschland eingereicht und fordert, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einzuleiten.[13]

Der Koalitionsvertrag der von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP infolge des Ergebnisses der Bundestagswahl 2021 gebildeten Regierung sieht erstmals die Schaffung der Rahmenbedingungen für ein Energy Sharing in Deutschland vor, um „die Bürger-Energie als wichtiges Element für mehr Akzeptanz“ zu stärken.[14]

Energy Sharing soll als neue Veräußerungsform in Anlehnung an die derzeitige Marktprämie im EEG verankert werden. Zusätzlich sollen Mitglieder von EE-Gemeinschaften für Strom, den sie aus Anlagen ihrer EE-Gemeinschaft beziehen, Vergünstigungen bei Netzentgelten, Steuern und Umlagen erhalten – sofern ihre EE-Gemeinschaft die notwendigen Kriterien erfüllt.

Im EEG 2023 wird die Bürgerenergiegesellschaft (Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft), die auch für das Energy Sharing berechtigt sein soll, im Umkreis von 50 km um die Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energie definiert.

Für den finanziellen Anreiz zum Energy Sharing gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie die Reduktion der Stromnebenkosten oder die Zahlung einer Prämie (wie in Österreich) oder eine Förderung (wie in Italien). Es wird damit gerechnet, dass ein Haushalt mit einem Jahresstromverbrauch von 3000 kWh jährlich 117 Euro Stromkosten sparen kann.[15]

Beispiel

Im Sinne des Energy Sharing haben die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) im Jahr 2017 das Modellprojekt "Post-EEG-Stromgemeinschaften" begonnen. Im kleinen Rahmen werden digitale Lösungen erprobt, um Stromflüsse netzdienlich zu regeln. Elektromobilität, elektrische Wärmeerzeugung über Wärmepumpen oder Heizstäbe sollen mit der Solarstromerzeugung zusammengeführt werden, um die Energiesektoren Strom, Wärme und Verkehr flexibel zu koppeln. Das Modellprojekt der EWS wurde beim Bundeskongress Genossenschaftliche Energiewende des DGRV im März 2020 mit einem Innovationspreis ausgezeichnet.[16]

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Michaela Haas: Die Lösung für Alles: Geteilter Strom ist doppelter Strom. Wie können sich einzelne Haushalte unabhängig machen vom Energiemarkt? Antworten findet man in einem Ort im Schwarzwald, wo ein Pilotprojekt zum »Energy Sharing« wegweisend für ganz Deutschland werden könnte. In: sz-magazin.sueddeutsche.de. Süddeutsche Zeitung Magazin, 14. Juli 2022, abgerufen am 17. Juli 2022.
  2. Katrin Bohlmann: Der Traum vom eigenen Strom: Energy Sharing. Photovoltaik-Anlagen auf dem eigenen Dach sind derzeit sehr gefragt. Aber bis die PV-Anlage läuft, ist es ein langer, komplizierter Weg. Viele können es sich gar nicht leisten. Eine mögliche Lösung: Energy Sharing. In: www.br.de. Bayerische Rundfunk (BR), 15. Juni 2022, abgerufen am 19. Juni 2022.
  3. Astrid Aretz, Nesrine Ouanes, Jan Wiesenthal, Kristin Petrick, Bernd Hirschl: Energiewende beschleunigen: Stromnetz für gemeinschaftliches Energy Sharing öffnen. In: IÖW Impulse. Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, März 2022, abgerufen am 31. März 2022.
  4. Jan Wiesenthal, Astrid Aretz, Nesrine Ouanes, Kristian Petrick: Energy Sharing: Eine Potenzialanalyse. (PDF; 2,56 MB) Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), Mai 2022, S. 39, abgerufen am 4. Mai 2022.
  5. Richtlinie (EU) 2018/2001 vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen, abgerufen am 15. März 2022 – Neufassung (RED II). In: Amtsblatt der Europäischen Union.
  6. Horizon 2020 Bridge Task Force Energy Communities: Energy Communities in the EU - Task Force Energy Communities. (PDF; 2,25 MB) Dezember 2019, abgerufen am 15. März 2022.
  7. Karina Standal, Stine Aakre: Assessment Report on Technical, Legal, Institutional and Policy Conditions in the COME RES countries. (PDF; 3,8 MB) COME RES, Februar 2021, abgerufen am 15. März 2022.
  8. Barbara Dröschel, Katherina Grashof, Eva Hauser: Stand der Umsetzung der RED II-Richtlinie in Deutschland mit Blick auf die Bürgerenergie. (PDF; 1,3 MB) Institut für ZukunftsEnergie- und Stoffstromsysteme, 21. Juli 2021, abgerufen am 9. Mai 2022.
  9. Dorian Frieden, Andreas Tuerk, Camilla Neumann, Stanislas d'Herbemont, Josh Roberts: Collective self-consumption and energy communities: Trends and challenges in the transposition of the EU framework. (PDF; 1,345 MB) Working paper des Projekts "Integrating community power in energy islands – COMPILE". 2020, abgerufen am 9. Mai 2022.
  10. Energiegemeinschaften in Österreich. Österreichischen Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften, abgerufen am 10. Juli 2022.
  11. pv-energiegemeinschaft. Abgerufen am 10. Juli 2022.
  12. Konzeptbeschreibung: Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften. (PDF; 0,529 MB) Abgerufen am 10. Juli 2022.
  13. EU-Beschwerde eingereicht: Aktuelle energiewirtschaftliche Studie zeigt den dringenden Handlungsbedarf auf. 6. August 2021, abgerufen am 15. März 2022.
  14. Koalitionsvertrag 2021-2025.pdf. 24. November 2021, abgerufen am 15. März 2022.
  15. Thoralf Cleven: Es geht auch anders. In: Frankfurter Rundschau. Band 78, Nr. 141, 21. Juni 2022 (fr.de [abgerufen am 25. Juni 2022]).
  16. Das EWS Modellprojekt. Reallabor der Bürgerenergie. Abgerufen am 25. März 2022.