Englischer Landschaftsgarten

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Der englische Landschaftsgarten (auch englischer Landschaftspark, kurz englischer Garten oder englischer Park) ist ein Landschaftsgarten (Landschaftspark), dessen Form und Stil sich in England im 18. Jahrhundert entwickelte. Innerhalb der Geschichte der Gartenkunst entstand er als bewusster Kontrast zum bisher dominierenden Barockgarten französischer Prägung, der die Natur in geometrisch exakte Formen zwang.[1]

Merkmale

Pagode in den Royal Botanic Gardens, Kew, England
Park von Wilton House in Wilton, England

Anders als in den französisch geprägten Barockgärten mit ihren großen geometrisch angelegten Blumenbeeten (Parterres) finden sich in den klassischen englischen Landschaftsgärten kaum Blühpflanzen. Die Idee des englischen Gartens bestand darin, die bis dato vorhandene mathematische Strenge der exakt angelegten Beete und beschnittenen Hecken zu eliminieren und sich bei der Gartengestaltung mehr nach dem zu richten, was die Natur idealerweise an Ausblicken zu bieten hat. In ihm sollte sich das Prinzip einer natürlichen Landschaft widerspiegeln, die durch unterschiedliche und abwechslungsreiche Eindrücke im Sinne des Ideals eines „begehbaren Landschaftsgemäldes“ dem Auge des Betrachters Vergnügen bereiten sollte. Trotz einer angestrebten „Natürlichkeit“ ist ein englischer Garten ein Kunstwerk, das sich an der Ästhetik eines Landschaftsgemäldes der idealen Landschaftsmalerei orientiert, maßgeblich waren Künstler wie Claude Lorrain, Nicolas Poussin und Gaspard Dughet. In diesem Sinne bieten Landschaftsgärten „malerische“ Ansichten. Die Entstehung einer solchen Parklandschaft war in Großbritannien auch durch die intensive Beweidung im Umfeld der dortigen frühen Industrialisierung bedingt.

Die englischen Landschaftsgärten sind durch aus der Ferne unsichtbare Gräben bzw. versenkte Mauern, Ha-Ha genannt, von der umgebenden Landschaft abgegrenzt. Der englische Landschaftsarchitekt William Kent griff bei seinen großzügigen Gartenplanungen auf das Ha-Ha als unsichtbares gestalterisches Element zurück. Dieses war erstmals von Charles Bridgeman in die Gartengestaltung eingeführt worden. Es handelt sich dabei um einen Graben, der den eigentlichen Garten von der angrenzenden Landschaft trennt, ohne dass man einen Übergang sieht. Auf diese Weise wurde der nahe Garten mit der weiter hinten liegenden Landschaft optisch zu einer Einheit verschmolzen, ohne dass größere Zäune, Mauern und Hecken den Ausblick störten.

Um den Horizont zu akzentuieren, wurden antike Tempel, später auch chinesische Pagoden, künstliche Ruinen, Grotten und Einsiedeleien (Eremitagen) in die Landschaft eingestellt. Ein frühes Vorbild für originelle Staffagebauten ist der manieristische Park des Sacro Bosco in Mittelitalien, geschaffen von 1552 bis 1585, der sich seinerseits an antiken Vorbildern wie der Villa Adriana orientierte, die auch den Renaissancegarten und den Barockgarten inspiriert hat. Anstelle von geradlinigen Kanälen, runden Bassins und Kaskaden, die man im barocken Garten von den geometrisch exakt angelegten Wegen aus bewundern konnte, gab es im englischen Garten sich abwechslungsreich durch die Landschaft schlängelnde Wege und Flüsse. Lancelot „Capability“ Brown schuf Gärten (oder eher Parkanlagen) mit weiten Rasenflächen, sich großzügig windenden Wegen, sich frei windenden Flüssen und natürlich wirkenden Teichen und Seen, zwischen welche Reihen aus passenden Bäumen oder kleinere Wälder gepflanzt wurden. Häufig wurden die Wege auch leicht versenkt angelegt, so dass sie von anderen Wegen aus von der Seite her nicht zu sehen waren und ungestörte Rasenflächen vorspiegelten. Diese freie Umsetzung der Natur im Garten hatte vor allem in Japanischen Gärten schon seit dem 8. Jahrhundert eine lange Tradition.

Ein Phänomen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts waren die Schmuckeremiten, professionelle Einsiedler, die während einer vertraglich festgelegten Dauer in eigens eingerichteten Eremitagen wohnten und sich zu bestimmten Tageszeiten sehen ließen, um die Eigentümer der Parks und deren Gäste mit ihrem Anblick zu unterhalten. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kamen auch Bauten der Neogotik in Mode, unter dem Einfluss von Horace Walpole, der auch ein Buch über englische Gartenkunst schrieb (Essays on Gardening 1794).

In abgewandelter Form wurde die Idee des englischen Gartens auch in die Nachbarländer importiert. Beispiele aus Deutschland sind der von Friedrich Ludwig Sckell gestaltete Englische Garten in München und der Rombergpark in Dortmund oder der Georgengarten und der Hinübersche Garten in Hannover. Führend bei der Einführung in Deutschland war Christian Cay Lorenz Hirschfeld, dessen Theorie der Gartenkunst in fünf Bänden zwischen 1779 und 1785 erschien. Er beeinflusste zum Beispiel Carl Heinrich August Graf von Lindenau (1755–1842), dessen Park in Machern einen der frühesten englischen Gärten in Deutschland darstellt, auch wenn gewisse Ideen noch auf die Gartenideale der Empfindsamkeit zurückgehen. Die landschaftsarchitektonische Fortentwicklung auf dem europäischen Kontinent ist stark dem „Gartenfürsten“ Hermann von Pückler-Muskau zu danken.

Beispiele von Landschaftsgärten

Deutschland

Dorischer Tempel im Gothaer Schlosspark
Parkanlage der Villa Haas in Sinn

Österreich

Schweiz

England

Stourhead Garden im Herbst

Frankreich

Jardin des Plantes in Angers

Polen

Russland

Schweden

Slowakei

Tschechien

Literatur

nach Autoren alphabetisch geordnet

  • Julia Berger, Uta Hassler, Kilian Jost: Konstruierte Bergerlebnisse – Wasserfälle, Alpenszenerien, illuminierte Natur. Hirmer, München 2015, ISBN 978-3-7774-2579-5
  • Julia Burbulla: Das Prinzip des Lebens. Natur und Wissenschaft im frühen Landschaftsgarten in Deutschland. In: Die Gartenkunst. Bd. 21, Nr. 1, 2009, S. 99–116.
  • Adrian von Buttlar: Der Landschaftsgarten. Gartenkunst des Klassizismus und der Romantik. DuMont, Köln 1989, ISBN 3-7701-2088-4.
  • Günter Hartmann: Die Ruine im Landschaftsgarten. Ihre Bedeutung für den frühen Historismus und die Landschaftsmalerei der Romantik (= Grüne Reihe. 3). Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 1981, ISBN 3-88462-007-X (Zugleich: Bochum, Universität, Dissertation, 1980).
  • Alfred Hoffmann: Der Landschaftsgarten (= Geschichte der deutschen Gartenkunst. Bd. 3). Broschek, Hamburg 1963, (Reprint: Koeltz, Königstein 1981, ISBN 3-87429-196-0.
  • Kilian Jost: Felsenlandschaften – eine Bauaufgabe des 19. Jahrhunderts. Grotten, Wasserfälle und Felsen in landschaftlichen Gartenanlagen. Dissertation, Zürich 2015, ISBN 978-3-00-053146-0.
  • Heinz-Joachim Müllenbrock: Der englische Landschaftsgarten des 18. Jahrhunderts und sein literarischer Kontext. Als öffentlicher Vortrag der Joachim-Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften gehalten am 5.11.1985 in Hamburg (= Veröffentlichung der Joachim-Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften. 54). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1986, ISBN 3-525-86219-9.
  • Eduard Petzold: Fürst Hermann von Pückler-Muskau in seinem Wirken in Muskau und Branitz, sowie in seiner Bedeutung für die bildende Gartenkunst Deutschlands. Eine aus persönlichem und brieflichem Verkehr mit dem Fürsten hervorgegangene biographische Skizze. Weber, Leipzig 1874.
  • Andrea Siegmund: Der Landschaftsgarten als Gegenwelt. Ein Beitrag zur Theorie der Landschaft im Spannungsfeld von Aufklärung, Empfindsamkeit, Romantik und Gegenaufklärung. Königshausen & Neumann, Würzburg 2011, ISBN 978-3-8260-4612-4 (Zugleich: München, Technische Universität, Dissertation, 2010).
  • Andrea Siegmund: Die romantische Ruine im Landschaftsgarten. Ein Beitrag zum Verhältnis der Romantik zu Barock und Klassik (= Stiftung für Romantikforschung. 22). Königshausen & Neumann, Würzburg 2002, ISBN 3-8260-2347-1 (Zugleich: München, Technische Universität, Diplom-Arbeit, 1999).
  • Andrea Siegmund: Vier Typen von Ideallandschaft oder Spielereien mit einem Tetraeder. In: Laufener Spezialbeiträge. 1, 2011, ISSN 1863-6446, S. 14–17.
  • Andrea Siegmund: Die Vieldeutigkeit der Bilder im Landschaftsgarten. In: Thomas Kirchhoff, Ludwig Trepl (Hrsg.): Vieldeutige Natur. Landschaft, Wildnis und Ökosystem als kulturgeschichtliche Phänomene. transcript, Bielefeld 2009, ISBN 978-3-89942-944-2, S. 163–177.
  • Frank Maier-Solgk, Andreas Greuter: Landschaftsgärten in Deutschland. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1997, ISBN 3-421-03143-6.
  • Ana-Stanca Tabarasi: Der Landschaftsgarten als Lebensmodell. Zur Symbolik der „Gartenrevolution“ in Europa. Königshausen & Neumann, Würzburg 2007, ISBN 978-3-8260-3753-5.
  • Kerstin Walter: Das Pittoreske. Die Theorie des englischen Landschaftsgartens als Baustein zum Verständnis von Kunst der Gegenwart (= Benrather Schriften. 2). Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 2006, ISBN 3-88462-236-6 (Zugleich: Bochum, Universität, Dissertation, 2004).

Weblinks

Commons: English gardens – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Adrian von Buttlar: Der Landschaftsgarten. Gartenkunst des Klassizismus und der Romantik. DuMont, Köln 1989, ISBN 3-7701-2088-4.
  2. Wolfgang Diez, Helmut Röttig: Sondershausen. Bilder und Geschichten; Liebeserklärung an eine Stadt. Bildarchiv Röttig, Sondershausen 2000.
  3. Website zum Grünfelder Park