Erich Topf

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Erich Günther Topf (* 27. September 1904 in Magdeburg; † 6. November 1983 in Braunschweig[1]) war ein deutscher Jurist. Er war in der Zeit des Nationalsozialismus im Justizdienst tätig sowie als Preiskommissar der Provinz Sachsen. Ab 1952 war Topf in seiner Funktion als Oberstaatsanwalt u. a. für die Sonderabteilung „Politische Strafsachen“ am Landgericht Celle tätig, an dem im Rahmen des Gesinnungsstrafrechts[2][3][4][5][6] westdeutsche Kommunisten strafrechtlich verfolgt wurden.

Leben

Nach dem Studium der Rechtswissenschaft an den Universitäten Berlin und Göttingen wurde er in den 1920er Jahren zum Dr. jur. promoviert. Von 1930 bis 1935 war er Gerichtsassessor bei den Staatsanwaltschaften in Erfurt, Torgau, Magdeburg, Naumburg, Halle, Kiel und Königsberg (Preußen) sowie bis 1939 bei der Staatsanwaltschaft in Kiel. Topf trat 1938 der NSDAP bei und war seit Mitte der 1930er Jahre Mitglied des Reichsbundes Deutscher Beamter, der NSV und des Reichsluftschutzbundes. Von 1936 bis 1939 war er zunächst Sturmmann und dann Rottenführer der SA. In den 1940er Jahren war er Oberregierungsrat beim Preiskommissar in der preußischen Provinz Sachsen.

Nach Kriegsende wurde er 1947 im Entnazifizierungsverfahren in die Gruppe V als entlastet eingereiht. 1947 folgte seine Ernennung als Staatsanwalt in Kiel auf Widerruf und ab April 1948 war er Erster Staatsanwalt in Kiel. Ab 1. März 1949 war er Oberstaatsanwalt in Braunschweig trotz zunächst ablehnender Haltung des Zonal Office of the Legal Adviser in Herford und des Regional Commissioner des Landes Niedersachsen. Nachdem sich jedoch der Generalstaatsanwalt in Kiel beim Zentral-Justizamt für Topfs Wiedereinstellung eingesetzt hatte, er zudem Fürsprache aus dem Justizministerium von Schleswig-Holstein erhielt und er beim Zentral-Justizamt in Hamburg vorgesprochen und dort erklärt hatte, dass die Parteimitgliedschaft rein nominell gewesen sei, wurde Topf am 16. Februar 1949 schließlich doch als Oberstaatsanwalt in Braunschweig eingesetzt.

Dienstrechtliche Ermittlungen

Als im November 1950 Zweifel an den von Topf in Bezug auf seine Parteimitgliedschaft und seiner Tätigkeit zur Zeit des Nationalsozialismus gemachten Angaben aufkamen, leitete sein Vorgesetzter, der amtierende Generalstaatsanwalt in Braunschweig, Fritz Bauer, dienstrechtliche Vorermittlungen ein. Nach nur wenigen Monaten beklagte Bauer gegenüber dem Niedersächsischen Justizministerium, dass für die Ermittlungen dringend benötigte Akten nicht eingesehen werden konnten. Die Einsicht in wichtige polizeiliche Akten aus dem Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidenten von Kiel war dem Braunschweiger Generalstaatsanwalt verweigert worden, da die polizeilichen Vorgänge ausschließlich für den innerdienstlichen Gebrauch bestimmt seien und das Schleswig-Holsteinische Innenministerium die Überlassung derartiger Akten an Justizbehörden untersagt habe. Im November 1951 gab Bauer die dienstrechtlichen Ermittlungen gegen Topf nach dessen Versetzung an die nun zuständigen Stellen in Lüneburg ab und bat um eine weitere Untersuchung der Frage von Topfs Zugehörigkeit zur NSDAP und seiner Tätigkeit als Staatsanwalt oder Richter im Rahmen der nationalsozialistischen Militärgerichtsbarkeit im Krieg. Im April 1952 wurde das Verfahren durch den zuständigen ermittelnden Oberstaatsanwalt in Stade und den Generalstaatsanwalt in Celle eingestellt.

Staatsanwaltschaft am Landgericht Lüneburg

Am 1. Mai 1952 wurde Erich Günther Topf als Oberstaatsanwalt in Lüneburg eingesetzt.[7] In Lüneburg unterstand Erich Topf in seiner Funktion als Oberstaatsanwalt u. a. das Sonderdezernat „Politische Strafsachen“, das sich in den 1950er und 1960er Jahren „an die Spitze der justizförmigen Kommunistenverfolgung“ (Helmut Kramer)[8][9][10] in Westdeutschland setzte. Die seit Beginn der 1950er Jahre zunehmende Kriminalisierung der linkspolitischen Opposition in der Bundesrepublik mündete 1956 im KPD-Verbot. In ihrem Umfeld bedrohte das Verbot auch die VVN, die nun auf Bundesebene und in einzelnen Bundesländern verboten war. Dort wo sie noch bestand unterlagen ihre Publikationen der staatlichen Zensur, galten sie nach 1956 doch weithin als Ersatzorgane der verbotenen KPD.[11][12] Nicht selten wurden Menschen verurteilt, denen keinerlei Verbindungen zur KPD nachgewiesen werden konnten, die nur einzelne Merkmale ihrer Gesinnung teilten oder über Verbindungen in die DDR verfügten.[13] In der Regel wurde den Verurteilten die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen, in einzelnen Fällen wurden Personen für ihre Mitarbeit in der KPD verurteilt, als diese noch nicht verboten war, was gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot verstieß, wonach nur Taten strafrechtlich geahndet werden können, die zum Zeitpunkt ihrer Begehung bereits als strafbare Tat definiert waren.[14] Nicht von ungefähr bestand eine auffällige Kontinuität von Feindbildern, die auch schon in der Zeit des Nationalsozialismus Gültigkeit hatten, so amtierten doch in Lüneburg aufgrund ihrer vormaligen Tätigkeit in der NS-Judikatur politisch belastete ehemalige NS-Justizjuristen, wie der frühere Richter am Sondergericht Posen, Dr. Liebau,[15] und Staatsanwalt Karl-Heinz Ottersbach, der bereits 1941 bis 1945 als Ankläger am Sondergericht Kattowitz insbesondere gegen die politischen Gegner des Nationalsozialismus vorgegangen und für eine Vielzahl von Todesurteilen verantwortlich gewesen war.

Literatur

  • Claudia Fröhlich: „Wider die Tabuisierung des Ungehorsams“: Fritz Bauers Widerstandsbegriff und die Aufarbeitung von NS-Verbrechen. Frankfurt/M., New York 2006.
  • Irmtrud Wojak: Fritz Bauer 1903–1968. Eine Biographie. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-58154-0.
  • Martin Will: Ephorale Verfassung. Das Parteiverbot der rechtsextremen SRP von 1952, Thomas Dehlers Rosenburg und die Konstituierung der Bundesrepublik Deutschland. Mohr Siebeck, Tübingen 2017, ISBN 978-3-16-155893-1 (zu Topf: S. 290 ff.).

Einzelnachweise

  1. Irmtrud Wojak: Fritz Bauer 1903–1968. Eine Biographie. Beck, München 2009, S. 266
  2. i.S. der strafrechtlichen Ahndung einer der KPD nahestehenden Überzeugung resp. Gesinnung nach deren Verbot im Jahre 1956, ohne jedoch Mitglied der verbotenen Partei zu sein, sich für diese oder ihre Gliederungen einzusetzen oder sonstwie etwas mit der Partei organisatorisch zu tun zu haben. Dazu weiter im Lauftext Abschnitt „Staatsanwaltschaft am Landgericht Lüneburg“ Weiter ebenfalls Jürgen Rath: Gesinnungsstrafrecht – Zur Kritik der Destruktion des Kriminalunrechtsbegriffs in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Hamburg 2002, ISBN 3-8300-0843-0.
  3. Jürgen Rath Gesinnungsstrafrecht. Zur Kritik der Destruktion des Kriminalunrechtsbegriffs in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Hamburg 2002. ISBN 978-3-8300-0843-9
  4. Christoph Seils: Geist der Zeit Die Zeit online vom 17. August 2006
  5. Christoph Seils: Das Gespenst spukt nicht mehr Der Tagesspiegel online, vom 19. August 2006
  6. In der Beratung des Bundestagsrechtsausschusses zum ersten Strafrechtsänderungsgesetz 1951 gestand FDP-Sprecher Ludwig Schneider ein: „Jawohl [… wir schaffen in gewisser Beziehung ein Gesinnungsstrafrecht.“ Zit. nach Wolfgang Malanowski: Der Hund erkannte seinen Feind sofort] Der Spiegel, vom 1. Juni 1987
  7. Claudia Fröhlich: „Wider die Tabuisierung des Ungehorsams“: Fritz Bauers Widerstandsbegriff und die Aufarbeitung von NS-Verbrechen. Frankfurt/M., New York 2006, S. 60ff. Irmtrud Wojak: Fritz Bauer 1903–1968. Eine Biographie. München 2009, S. 256.
  8. Helmut Kramer: Entlastung als System. Zur strafrechtlichen Aufarbeitung der Justiz- und Verwaltungs-Verbrechen des Dritten Reichs. In: Martin Benhold (Hrsg.): Spuren des Unrechts. Recht und Nationalsozialismus. Beiträge zur historischen Kontinuität. Pahl-Rugenstein Verlag, Köln 1989, S. 101–130, hier S. 108.
  9. Zum KPD-Verbot siehe: Wolfgang Abendroth, Helmut Ridder, Otto Schönfeldt (Hrsg.), KPD-Verbot, oder: Mit Kommunisten leben? Reinbek bei Hamburg 1968.
  10. Stephen Rehmke mit Bezug auf das KPD-Verbot: „Diese Umwandlung des Tatstrafrechts in ein Gesinnungsstrafrecht widerspricht nicht nur dem Gedanken des Rechtsstaates und der im Grundgesetz garantierten Meinungs- und Gewissensfreiheit, sondern etabliert zugleich auch eine als Strafverfolgung getarnte politische Verfolgung durch den Staat“ Stephen Rehmke: Politische Justiz. In: Forum Recht Online 2002/2003
  11. Habbo Knoch: Die Tat als Bild. Fotografien des Holocaust in der deutschen Erinnerungskultur. Hamburger Edition, Hamburg 2001, S. 540.
  12. Rolf Gössner: Die Vergessenen Justizopfer des Kalten Krieges. Aufbau Verlag, Berlin 2000, S. 118.
  13. Alexander von Brünneck: Politische Justiz gegen Kommunisten in der Bundesrepublik. Suhrkamp, Frankfurt/Main 1978, S. 158
  14. Falco Werketin: Der politische und juristische Umgang mit Systemgegnern in der DDR und in der Bundesrepublik in den fünfziger Jahren. In: Deutsche Vergangenheiten – eine gemeinsame Herausforderung. Ch. Links, Berlin 1999, S. 260
  15. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 2. April 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.celle-im-nationalsozialismus.de