Erstes Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts
Basisdaten | |
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Titel: | Erstes Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts |
Abkürzung: | 1. EheRG |
Art: | Bundesgesetz |
Geltungsbereich: | Bundesrepublik Deutschland |
Rechtsmaterie: | Privatrecht, Familienrecht |
Fundstellennachweis: | 404-19-1 |
Erlassen am: | 14. Juni 1976 (BGBl. I S. 1421) |
Inkrafttreten am: | 1. Juli 1977 |
Letzte Änderung durch: | Art. 21 VAStrRefG vom 3. April 2009 (BGBl. I S. 700) |
Inkrafttreten der letzten Änderung: |
1. September 2009 |
GESTA: | C154 |
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten. |
Das Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) von 1976 war eine grundlegende Neuregelung des Eherechts, des Scheidungsrechts und des Scheidungsverfahrensrechts in der Bundesrepublik Deutschland durch die damalige sozialliberale Regierungskoalition unter Bundeskanzler Helmut Schmidt. Grundlage waren die bereits 1970 vorgelegten Empfehlungen einer Sachverständigenkommission. Durch die vorzeitige Auflösung des Bundestages 1972 wurde ein entsprechender erster Entwurf erst 1973 im Bundestag beraten. Die parlamentarische Beratung des Entwurfs zog sich bis 1976 hin. Am 14. Juni 1976 schließlich wurde das neue Gesetz verkündet.
Änderungen durch das Gesetz
Bis zum Ersten Eherechtsreformgesetz war die Verteilung der Aufgaben zwischen Ehepartnern im Bürgerlichen Gesetzbuch des Jahres 1900 geregelt.[1] Nach diesem Einverdienermodell war in der Regel der Mann für den finanziellen Unterhalt der Familie zuständig, während die Frau für die Haushaltsführung und Kindererziehung verantwortlich war. Die Ehefrau durfte nur dann berufstätig sein, wenn dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar war.[1][2][3] In der ersten Lesung, in der der Bundestag über einen verbesserten Entwurf zum Ehe- und Familienrecht beriet, erklärte der damalige Justizminister Gerhard Jahn:
„Trotz zahlreicher Änderungen im Laufe der Zeit ist bis zum heutigen Tage ein einseitiger Vorrang des Mannes aufrechterhalten geblieben [...]. Ziel des Entwurfes ist ein Eherecht, das dem partnerschaftlichen Eheverständnis entspricht, ein faires und ehrliches Scheidungsrecht und ein gerechtes Scheidungsfolgenrecht.“
Durch die Neuregelung im Grundsatz wurde das Leitmodell der „Hausfrauenehe“ durch das Partnerschaftsprinzip ersetzt. Seither gibt es für die Ehe keine gesetzlich vorgeschriebene Aufgabenteilung mehr. Die Eheleute müssen gleichermaßen aufeinander und auf die Familie Rücksicht nehmen.[1]
Für den Fall einer Scheidung wurde das bisherige Verschuldensprinzip verworfen, nach dem der Ehepartner, der das Scheitern der Ehe maßgeblich verschuldet hatte, dem anderen Partner und den gemeinsamen Kindern gegenüber unterhaltspflichtig gewesen war. Stattdessen wurde das Zerrüttungsprinzip eingeführt, nach dem beim Scheitern einer Ehe ungeachtet des Verschuldens stets der wirtschaftlich stärkere Partner dem wirtschaftlich Schwächeren Unterhalt zahlen musste. Zusätzlich wurde ein Versorgungsausgleich eingeführt, der geschiedene Ehegatten gleichmäßig an den während der Ehe erworbenen Pensions-, Renten- und Lebensversicherungsansprüchen beteiligen sollte. Durch den Versorgungsausgleich wurde die Gleichwertigkeit von Erwerbs- und Reproduktionsarbeit erstmals ansatzweise anerkannt.[5]
Das Gesetz legte Trennungsfristen für eine Scheidung fest. Bei Zustimmung beider Partner war eine Trennung von einem Jahr, bei Antrag nur eines Partners eine Trennung von drei Jahren erforderlich. In besonderen Härtefällen konnte die erforderliche Trennungszeit verkürzt werden.
Weitere Bestandteile des Gesetzes waren die Änderung des Namensrechts und die Einführung der Familiengerichte. Der Name des Mannes wurde nicht mehr automatisch gemeinsamer Familienname, stattdessen konnten Verlobte bei der Eheschließung entweder den Namen des Mannes oder den der Frau zum gemeinsamen Familiennamen und damit auch zum Nachnamen ihrer künftigen Kinder bestimmen. Der andere Ehepartner konnte seinen Geburtsnamen dem Ehenamen voranstellen. Zuständig für das gesamte Scheidungsverfahren wurden die neu geschaffenen Familiengerichte anstelle der bisher für die Einzelfragen der Scheidung zuständigen Land-, Amts- und Vormundschaftsgerichte.
Rezeption in der Presse
1976 begrüßte Eva Marie von Münch in einem Artikel in der Zeit die „Abschaffung der Hausfrauenehe“.[6] Knapp zwei Jahrzehnte später bemängelte der Focus einen angeblichen „Mißbrauch durch habgierige Ehebrecher“ und stellte einen „Anstieg der von Frauen eingereichten Scheidungen auf 85 Prozent“ seit Einführung der Neuregelung fest.[7]
Literatur
- Jutta Limbach, Siegfried Willutzki: Die Entwicklung des Familienrechts seit 1949. in: Rosemarie Nave-Herz (Hrsg.): Wandel und Kontinuität der Familie in der Bundesrepublik in Deutschland. Eine zeitgeschichtliche Analyse. Lucius & Lucius 2002, ISBN 978-3-8282-0218-4, S. 7f.
- Karl Kroeschell: Deutsche Rechtsgeschichte. Band 3, UTB, 5. aktualisierte Auflage 2008, ISBN 978-3-8252-2736-4, S. 305f.
Fachartikel
- Peter Borowsky: Sozialliberale Koalition und innere Reformen: Ehe- und Familienrecht. In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Informationen zur politischen Bildung, Heft 258.
- W. Müller-Freienfels: The Marriage Law Reform of 1976 in the Federal Republic of Germany. In: International and Comparative Law Quarterly. 28, Nr. 2, April 1979, S. 184–210. doi:10.1093/iclqaj/28.2.184.
- M Rheinstein, MA Glendon: West German Marriage und Family Law Reform. In: The University of Chicago Law Review. 45, Nr. 3, Frühling 1978, S. 519–552.
Weblinks
- Erstes Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG). (PDF; 30 kB) Bundesministerium der Justiz in Zusammenarbeit mit juris.de
- Erstes Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG). (PDF; 5,5 MB) Bundesgesetzblatt
- Gustav Ermecke: Zur Reform des Ehe- und Familienrechts, besonders des Ehescheidungsrechts in der Bundesrepublik Deutschland. Rechtsethische und rechtspolitische Überlegungen Jahrbuch für Christliche Sozialwissenschaften 1975, S. 161–177
Einzelnachweise
- ↑ a b c B John, E Stutzer: Erwerbsverhalten von Erziehungsurlauberinnen. In: Zeitschrift für Familienforschung. 14. Jahrg., Heft 3/2002, S. 215–233.
- ↑ K Dressel, S Wanger: Erwerbsarbeit: Zur Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. In: Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-531-91972-0, S. 481–490. doi:10.1007/978-3-531-91972-0 57
- ↑ Verlängertes Hausfrauenleid durchs Gleichberechtigungsgesetz? lto.de, 18. Juni 2017
- ↑ Peter Borowsky: Sozialliberale Koalition und innere Reformen. Ehe- und Familienrecht, Informationen zur politischen Bildung (Heft 258), Bundeszentrale für Politische Bildung 5. April 2002
- ↑ D Lucke, I Beuter: Genderaspekte von Familienrecht und Sozialgesetzgebung (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF; 106 kB). Bulletin 26 des Zentrums für interdisziplinäre Geschlechterstudien der Humboldt-Universität zu Berlin, 2003, S. 14–26.
- ↑ Eva Marie v. Münch: Hausfrauen-Ehe abgeschafft. In: Die Zeit, 15. Oktober 1976.
- ↑ Marika Schaertl: K.O. durch Scheidung. In: Focus, Nr. 40, 1994.