Ferdinand Philipp Grimm

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Ferdinand Grimm als 19-Jähriger (gezeichnet von Ludwig Grimm)

Ferdinand (Philipp) Grimm (* 18. Dezember 1788 in Hanau; † 6. Januar 1845 in Wolfenbüttel) war ein deutscher Sagensammler. Er ist bekannt als der „unbekannte Bruder“ der Brüder Grimm.

Lebenslauf

Ab 1815 war er als Korrektor im Berliner Verlag Reimer tätig und wurde von seinen Brüdern Jacob und Wilhelm finanziell unterstützt. 1834 entlassen, lebte er bis 1836 bei ihnen in Göttingen, danach als Schriftsteller in Wolfenbüttel.

Er half seinen berühmten Brüdern bei der Sammlung von Sagen und Märchen und veröffentlichte drei eigene Sammlungen unter den Pseudonymen Lothar, Philipp von Steinau und Friedrich Grimm. Von seinen vielseitigen Veröffentlichungen in verschiedenen Zeitschriften sind heute nur die wenigsten bekannt.

Heiner Boehncke schreibt, dass Ferdinand Grimm zu Unrecht im Schatten seiner Brüder stand, da seine Märchen eine sehr gute literarische Qualität aufweisen. Er deutet seine Märchen und Sagen biografisch und liest in ihnen eine Verarbeitung seiner Einsamkeit ab.[1] Dabei ist jedoch zu beachten, dass Ferdinand Grimm in seinen Vorreden nur vorgibt, seine abgedruckten Märchen und Sagen stammten, dem Vorbild seiner Brüder folgend, aus mündlichen Quellen oder alten und seltenen Büchern. Ein großer Teil seiner ersten beiden Sammlungen wurde von Ferdinand Grimm ohne Kenntlichmachung aus oftmals zeitgenössischen Werken übernommen.[2]

Streit mit der Familie

Im Jahr 1810 kam es zu einer größeren Auseinandersetzung mit seinen Geschwistern, deren Ursache jedoch bisher ungeklärt ist. Einige Germanisten vermuten einen Streit um Dorothea Henriette Wild, die spätere Ehefrau Wilhelm Grimms.[3][4] Heiner Boehncke vermutet, dass sich Ferdinand Grimm während des öffentlichen Weihnachtsfests der Grimms im Jahr 1810 als homosexuell geoutet habe, liefert für diese These jedoch keine überprüfbaren Hinweise oder Belege.[5]

Als Ferdinand Grimm im Sterben lag, wurde er von Jacob besucht, während Wilhelm den Kontakt endgültig abgebrochen hatte.[1]

Literatur

  • Jule Ana Herrmann: Ein Denkmal aus Papier und Tinte. Zum literarischen Einfluss Benedikte Nauberts auf das Werk Ferdinand Grimms. Ergon, Baden-Baden 2020, ISBN 978-3-95650-739-7 (Print), ISBN 978-3-95650-740-3 (ePDF).
  • Heiner Boehncke und Hans Sarkowicz: Der fremde Ferdinand. Märchen und Sagen des unbekannten Grimm-Bruders. Die Andere Bibliothek, Berlin 2020, ISBN 978-3-8477-0428-7.
  • Doris Reimer: Passion & Kalkül. Der Verleger Georg Andreas Reimer (1776–1842). de Gruyter, Berlin/New York 1999, ISBN 978-3-11-016643-9, S. 397–406.
  • Ludwig Denecke: Grimm, Ferdinand Philipp. In: Enzyklopädie des Märchens, Band 6. de Gruyter, Berlin/New York 1990, ISBN 978-3-11-011763-9, Sp. 169–171.

Weblinks

Commons: Ferdinand Grimm – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Ferdinand Philipp Grimm – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. a b Eva Krafczyk: Der schwule Grimm-Bruder Ferdinand schrieb auch Märchen. In: Freie Presse - Kultur. 3. September 2020, abgerufen am 3. September 2020.
  2. Jule Ana Herrmann: Ein Denkmal aus Papier und Tinte. Zum literarischen Einfluss Benedikte Nauberts auf das Werk Ferdinand Grimms. Ergon, Baden-Baden, ISBN 978-3-95650-739-7, S. 48–50, 79–80.
  3. Jule Ana Herrmann: Ein Denkmal aus Papier und Tinte. Zum literarischen Einfluss Benedikte Nauberts auf das Werk Ferdinand Grimms. Ergon, Baden-Baden 2020, S. 19–27.
  4. Heinz Rölleke: „Sonntags vom Dortchen.“ Henriette Dorothea Wild (Dortchen Grimm) als Beiträgerin zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. In: Holger Ehrhardt, Johann Friedrich Lange, Marie-Louise Lange, Christopher F. Schütz (Hrsg.): Über Nachtfliegen, Zaunkönige und Meisterdiebe. Kassel 2019, S. 141.
  5. Jule Ana Herrmann: [Rezension zu] Heiner Boehncke / Hans Sarkowicz, Der fremde Ferdinand. Märchen und Sagen des unbekannten Grimm-Bruders. Die Andere Bibliothek, Berlin 2020. In: Arbitrium. Zeitschrift für Rezensionen zur germanistischen Literaturwissenschaft, Bd. 40, Nr. 1 (2022), S. 88–93, hier: S. 91–93.