Filzlaus

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Filzlaus
Filzlaus

Filzlaus

Systematik
Unterstamm: Sechsfüßer (Hexapoda)
Klasse: Insekten (Insecta)
Ordnung: Tierläuse (Phthiraptera)
Familie: Pthiridae
Gattung: Pthirus
Art: Filzlaus
Wissenschaftlicher Name
Pthirus pubis
(Linnaeus, 1758)

Die Filz- oder Schamlaus (Pthirus pubis, Synonym: Phthirus pubis;[1] vulgär Sackratte, Sacklaus) ist eine am Menschen parasitierende Tierlausart und einer der Erreger der Pedikulose. Sie ist mit bloßem Auge noch erkennbar und wird über Kleidungsstücke, Bett- und Handtücher oder bei engem körperlichen Kontakt übertragen. Einmal vom Körper entfernt, können Filzläuse bis zu 24 Stunden überleben, deren Eier noch länger.

Merkmale

Die Filzlaus wird etwa 1 bis 1,5 Millimeter lang und ist von kurzer, aber breiter Gestalt mit einem grauen Körper. Der Körper trägt sechs paarige, zapfenartige Auswüchse. An den Enden ihrer sechs Beine befinden sich kräftige Halteklauen, mit denen sie sich an den Haaren des Menschen festhält. An den Haaren befestigt sie auch ihre Eier, die Nissen.

In Abhängigkeit von der beim Menschen unterschiedlich ausgeprägten sensorischen Sensibilität und allergischen Sensitivität verursacht der Stich der Filzlaus in die Haut oft starken Juckreiz und eine blaue Verfärbung der Hautpartie.[2]

Vorkommen

Klassifikation nach ICD-10
B85.3 Phthiriasis
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Filzläuse kommen vor allem in der Schambehaarung (Leistengegend, je nach Befallintensität auch an den Innenseiten der Oberschenkel) vor, seltener in den Achsel- und Barthaaren, sehr selten in den Augenwimpern (Cilien) der Ober- und Unterlider (Phthiriasis palpebrarum) und noch seltener in den Augenbrauen.[3][4] Der Befall der Augenhaare wird meist durch die hygienisch schlechten Bedingungen in Krisen- und Kriegsgebieten ausgelöst. Tritt ein Befall der Augenlider oder Augenbrauen bei Kindern auf, so kann er auch durch einen sexuellen Missbrauch verursacht worden sein, was abzuklären wäre.[5][6]

Filzläuse befallen nicht die Kopfhaare. Die Filzlaus ist extrem stark auf den Menschen spezialisiert und stirbt spätestens nach 24 Stunden, wenn sie vom Körper entfernt wird. Filzlausbefall wird in der Medizin als Phthiriasis bezeichnet.

Geschichte

Der Ausdruck „Filzlaus“ (mittelhochdeutsch vilzlūs) wurde bereits im Mittelalter gebraucht.[7]

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts ist die Verbreitung der Filzlaus in westlichen Ländern stark zurückgegangen. So findet sich in einer britischen Studie ein signifikanter Rückgang zwischen den Jahren 1997 und 2003. Diese Entwicklung wird größtenteils auf die seit dieser Zeit zunehmend verbreitete Achsel- und Schamhaarentfernung zurückgeführt.[8][9] Gynäkologen und Urologen im australischen Sydney berichteten, dass sie seit 2008 bei Frauen keinen Filzlausbefall mehr beobachtet hätten, bei Männern betrage der Rückgang 80 Prozent.[10]

Behandlung

Lindan (in Deutschland nicht mehr zugelassen) und Malathion (in Deutschland und der Schweiz vom Markt genommen) werden in der medikamentösen Behandlung eines Filzlausbefalls eingesetzt. Pyrethrumpräparate sind Mittel der zweiten Wahl. Medizinisches Shampoo gegen Kopf- und Filzläuse ist in jeder Apotheke vorrätig und rezeptfrei erhältlich. Diese Mittel wirken insektizid. Bei Befall der Augenbrauen oder Wimpern dürfen diese aber nicht angewendet werden. Hier eignet sich neben einer vollständigen Entfernung aller Augenwimpern einschließlich der Läuse und ihrer Eier (Nissen)[11] auch die Anwendung verschiedener Wirkstoffe beziehungsweise Präparate wie beispielsweise Fluorescein 20 %, Physostigmin 0,25 %, Vaseline, gelbe Quecksilberoxidsalbe 1 % und Pilocarpin 4 %.[12]

Eine alternative bzw. ergänzende Therapie besteht darin, die Scham- und Achselbehaarung, aber auch das Barthaar wegzurasieren. Außerdem sollten die Kleidung und die Bettbezüge bei mindestens 60 Grad gewaschen und – falls möglich – heiß getrocknet werden. Kleidung, die nicht so heiß gewaschen werden kann, sollte in einer fest verschnürten Plastiktüte oder einem luftdichten Sack 14 Tage separat aufbewahrt werden. Dadurch werden die Filzläuse und aus den Nissen geschlüpfte Nachkommen ausgehungert und sterben. Anschließend kann die Kleidung auch bei geringeren Temperaturen gewaschen werden. In den ersten drei bis vier Tagen sollte im Schambereich hauteng getragene Kleidung wie Unterwäsche und Schlafanzug täglich gewechselt und wie oben beschrieben separat behandelt werden. Um eine Neuansteckung durch einen Ping-Pong-Effekt zu verhindern, sollte in der Behandlungsphase auf sexuelle Kontakte mit anderen sowie auf gemeinsame Benutzung von Handtüchern verzichtet werden.

Die Filzlaus als Krankheitsüberträger

Anders als die Kopf- und Kleiderlaus, die gelegentlich in Not- und Krisenzeiten als Überträger von gefährlichen Krankheitserregern auffallen, spielt die Filzlaus diesbezüglich in Mitteleuropa keine Rolle mehr.

Phylogenie, Taxonomie, Herkunft

Die Art wurde von Carl von Linné 1758 formal als Pediculus pubis erstbeschrieben, nachdem sie schon jahrhundertelang bekannt gewesen war. Im Jahr 1815 stellte der englische Zoologe William Elford Leach für die Art eine neue Gattung auf. Durch einen Schreibfehler in der Beschreibung erhielt sie, anstelle der beabsichtigten und etymologisch korrekten Form Phthirus den Namen Pthirus. Leach versuchte, den Fehler zwei Jahre später zu korrigieren, wodurch viele Jahrzehnte, teilweise bis heute, zwei Gattungsnamen in Gebrauch kamen. Zusätzlich führte Leach in derselben Arbeit außerdem noch für die Filzlaus den Ersatznamen Phthirus inguinalis ein, der synonym zu Pthirus pubis ist. Die International Commission on Zoological Nomenclature erklärte den zuerst publizierten Gattungsnamen Pthirus im Jahr 1928 für „verfügbar“ (Opinion 104). Dadurch ist dies heute der gültige Name der Gattung. Phthirus Leach, 1817 gilt als ungerechtfertigte Emendation davon.

Die Gattung Pthirus umfasst, neben der Filzlaus, eine weitere Art, Pthirus gorillae Ewing, 1927. Die Gattung Pthirus ist die einzige Gattung der Familie Pthiridae, die damit nur diese beiden Arten enthält. Schwestergruppe der Pthiridae ist die Familie der Pediculidae oder Menschenläuse, deren drei Arten an Menschen, Schimpansen (Gattung Pan) und an verschiedenen Neuweltaffen parasitieren. Ein Forscherteam um David Reed von der University of Florida in Gainesville (Florida) verglich mit molekularbiologischen Untersuchungen (Erbgut-Analysen) Läuse von Gorillas (Pthirus gorillae) und Filzläuse von Menschen (Pthirus pubis) und fand dabei heraus, dass beide Läusearten gemeinsame Vorfahren hatten und sich anschließend unabhängig voneinander weiterentwickelten. Nach Ansicht der Wissenschaftler kamen die Vormenschen damals durch die Gorillajagd, das Verzehren toter Gorillas oder das Nächtigen in den Nestern der Menschenaffen mit den Ahnen der Filzläuse in Kontakt.[13] Die Filzlaus des Menschen stammt also höchstwahrscheinlich von einem Parasiten einer anderen Primatenart ab, während die Kopf- und Kleiderläuse der Gattung Pediculus bereits bei den homininen Vorfahren des Menschen auftraten.[14] Der genetische Split zwischen Pthirus pubis und ihrer Schwesterart Pthirus gorillae wird nach der Methode der molekularen Uhr auf etwa drei Millionen Jahre abgeschätzt.[15]

Siehe auch

Weblinks

Commons: Filzlaus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Filzlaus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Pthirus pubis im ITIS-Report
  2. Peter A. Leone: Scabies and Pediculosis Pubis: An Update of Treatment Regiments and General Review. In: Clinical Infectious Diseases. 2007, Band 44, Nr. 3, S. S153-S159, DOI:10.1086/511428.
  3. Horst Kalthoff, Wolfgang Zettl, Günter Stüttgen: Skabies und Läuse heute. In: Deutsches Ärzteblatt. Nr. 90, Heft 6, 12. Februar 1993 (PDF-Datei).
  4. G. W. Korting: Phthiriasis palpebrarum — und ihre ersten historischen Erwähnungen. In: Der Hautarzt. Nr. 18, 1967, S. 73–7.
  5. Hermann Feldmeier, Felix Reichert : Importierte Hauterkrankungen in der Kinderärztlichen Praxis. In: pädiatrische praxis. 2017, Band 88, Nr. 3, S. 3–4: Abschnitt: Pediculosis pubis (Phthiriasis). (Volltext als PDF).
  6. Xue Feng, Hong Qi: Phthiriasis Palpebrarum. In: New England Journal of Medicine. Band 385, Nr. 2, 8. Juli 2021, ISSN 0028-4793, S. e5, doi:10.1056/NEJMicm1913478 (nejm.org [abgerufen am 25. September 2021]).
  7. Jürgen Martin: Die ‚Ulmer Wundarznei‘. Einleitung – Text – Glossar zu einem Denkmal deutscher Fachprosa des 15. Jahrhunderts. Königshausen & Neumann, Würzburg 1991 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen. Band 52), ISBN 3-88479-801-4 (zugleich Medizinische Dissertation Würzburg 1990), S. 185.
  8. N. R. Armstrong, J. D. Wilson: Did the "Brazilian" kill the pubic louse? In: Sexually Transmitted Infections. 2006, Nr. 82, S. 265–266: Letter, doi:10.1136/sti.2005.018671.
  9. British HIV Association: 11th Annual Conference of the British HIV Association [BHIVA] with the British Association for Sexual Health and HIV [BASHH]. 20–23 April 2005. (Volltext als PDF-Dat).
  10. Wissenschaft: Die Filzlaus stirbt aus. In: Augsburger Allgemeine. vom 21. Januar 2013. Auf: augsburger-allgemeine.de; zuletzt abgerufen am 17. Februar 2021.
  11. K. C. Yoon, H. Y. Park, M. S. Seo, Y. G. Park: Mechanical treatment of phthiriasis palpebrarum. In: Korean journal of ophthalmology. (KJO) 23. Juni 2003, Band 17, Nr. 1, S. 71–3, PMID 12882512.
  12. N. Kumar, B, Dong, C. Jenkin: Pubic lice effectively treated with Pilogel. In: Eye. 2003, Nr. 17, S. 538–539: Letter to the Journal. doi:10.1038/sj.eye.6700422.
  13. David L. Reed et al.: Pair of lice lost or parasites regained: the evolutionary history of anthropoid primate lice. In: BMC Biology. 2007, Band 5, Nr. 7, doi:10.1186/1741-7007-5-7.
  14. Amina Boutellis, Laurent Abi-Rached, Didier Raoult: The origin and distribution of human lice in the world. In: Infection, Genetics and Evolution. Band 23, 2014, S. 209–217. doi:10.1016/j.meegid.2014.01.017.
  15. Jessica E. Light, David L. Reed: Multigene analysis of phylogenetic relationships and divergence times of primate sucking lice (Phthiraptera: Anoplura). In: Molecular Phylogenetics and Evolution. Band 50, 2007, S. 376–390, doi:10.1016/j.ympev.2008.10.023.