Flugplatzsender Lausanne

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Original-Sender im Museum Enter in Solothurn
Lang-Mittelwellen-Empfänger des Flugplatzsenders Lausanne

Der Flugplatzsender Lausanne, auch Radio Lausanne oder Sender Champ-de-l’Air,[1] war 1922/23 der erste Rundfunksender der Schweiz am Flugplatz Lausanne-La Blécherette in Lausanne.[2][3]

Geschichte

Der Sender wurde im Auftrag der Municipalité de Lausanne von der französischen-Gesellschaft S.I.F (Société Indépendante de Téléphonie sans Fil) errichtet.[4] Die Anlage war am 22. August 1922 einsatzbereit. Eigentlich sollte er nur den Bedürfnissen der Fliegerei dienen, also der Ausstrahlung von Wetterberichten und als Hilfe bei der Landung von Flugzeugen. Als Frequenz diente die Welle 1400 Meter, Betriebsart Telegraphie. Als weitere Frequenz konnte die 900-Meter-Welle genutzt werden, Betriebsart Telephonie.[5] Der Radiopionier Roland Pièce berichtete von regelmässigen Funkkontakten zum Flugzeug «Goliath», das wöchentlich die Flugstrecke Paris–Lausanne bediente. Kommunikation mit der Reichweite stärkeren Telegraphie war nicht möglich, da der Bordmechaniker des Flugzeuges, welcher gleichzeitig als Funker diente, keine Telegraphie beherrschte. Erst ab einer Entfernung von weniger als 100 Kilometer konnte via Telephonie kommuniziert werden. Die Möglichkeit wurde ausgiebig genutzt. Daraufhin musste Bern eine Anweisung erlassen, dass der Funkverkehr auf das dienstlich Notwendige zu beschränken war.[6]

Erste Testausstrahlungen fanden am 26. Oktober 1922 auf 900 Meter mit einer Ausgangsleistung von 400 Watt statt. Am 26. Februar 1923 wurde der Regelbetrieb aufgenommen. Es wurden Nachrichten, Informationen und Wetterberichte ausgesendet. Dazwischen wurde Musik von Schallplatten abgespielt. Die neu gegründete Gesellschaft Utilitas übernahm die Programmgestaltung, nachdem die Obertelegraphendirektion am 10. Januar 1923 Aussendungen mit Sendern von bestehenden Flugfunkanlagen genehmigt hatte.[7] Als Sender wurden die Einrichtungen des Flugplatzes verwendet, welche einen Betrieb in Telegraphie auf der Wellenlänge 1400 Meter durchführten. Stand Telegraphieverkehr an, dann konnte das Radioprogramm nicht ausgesendet werden. Ursprünglich diente die Anlage nur für die Flugsicherung.

Die Entwicklung des Rundfunks begann relativ spät. Bereits am Weihnachten 1906 hatte der Amerikaner Reginald Aubrey Fessenden Sprache und Musik über seinen Sender in Grant Rock übertragen. Aber die Technik fand primär beim Militär Anwendung. Es wurden Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zwischen zwei Stationen verwendet. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs war es lediglich das Militär, welches die Funktechnologie einsetzen durfte. Privater Empfang von Funkwellen war verboten, auch in der Schweiz. Die Funkindustrie fokussierte sich auf die Herstellung von Militärfunktechnik. Erst am Ende des Krieges mussten sich die Hersteller, welche im Krieg stark gewachsen waren, nach neuen Märkten umsehen. Der Empfang von Funkwellen wurde nach dem Ende des Weltkrieges in den USA schnell wieder freigegeben. 1922 explodierte der Markt in den USA. Fast täglich wurden neue Radiosender in Betrieb genommen.

In der Schweiz dagegen war der Betrieb von Funksendern, aber auch von Empfängern, nach dem Krieg stark reglementiert. Lediglich das Militär setzte auf Funkverbindungen. Die Obertelegraphendirektion war im zivilen Bereich befugt, Anlagen zu genehmigen. Sie sah wenig Grund, solche Genehmigungen für das Senden und Empfangen von Funkaussendungen zu erteilen, befürchtete sie doch Konkurrenz durch Funk für ihre drahtgebundenen Systeme. Das Militär andererseits wollte den Empfang von Funk im Kriegsfall komplett verbieten, weil es um die nationale Sicherheit fürchtete. Die Obertelegraphendirektion vergab Empfangsgenehmigungen mit klaren Auflagen. So durfte z. B. das Fernmeldegeheimnis nicht verletzt werden. Die Notwendigkeit, das Flugfeld in Lausanne mit Telefonie-Funk auszurüsten, stand aber nicht zur Diskussion. Eine Telefonie-Funkverbindung zu Flugzeugen wurde von den Behörden als notwendig und wichtig empfunden. Telefonie war notwendig, weil die Piloten und Bordtechniker nicht über Kenntnisse im Bereich Telegraphie verfügten. Als Sitz des Völkerbundes musste die Schweiz für die Installation solcher Einrichtungen sorgen. Der damals verwendete Originalsender befindet sich heute im Museum Enter in Solothurn.

Der ursprüngliche Sender konnte auf zwei Frequenzen beziehungsweise Wellenlängen betrieben werden, auf 1400 Meter und auf 900 Meter. Ein gleichzeitiger Betrieb beider Frequenzen war nicht möglich. Die Anlage verfügte auch über einen Lang- und Mittelwellen-Empfänger. Es konnte nur gehört oder gesendet werden, aber nicht beides gleichzeitig.

1931 übernahm die Schweizer Bundesverwaltung die Produktion von Programmen für das Radio. Sie gründete am 24. Februar 1931 die Schweizerische Rundspruchgesellschaft (SRG). Das Stellen der Infrastruktur für Rundfunksender war danach Aufgabe der PTT. Der Staatskonzern kümmerte sich um Beschaffung und Unterhalt der Studioeinrichtung sowie um die Sendeanlagen und die landesweite Signalübertragung. Der Flugplatzsender Lausanne hatte als Rundfunksender ausgedient.[8] Der Sender wurde durch den Landessender Sottens, welcher auf der Frequenz 743 kHz (403 m) mit einer Leistung von 25 kW arbeitete, abgelöst.[9]

Bildergalerie

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Juri Jaquemet (Museum für Kommunikation): 99 Jahre Radio in der Schweiz. Abgerufen am 22. Januar 2022.
  2. nationalmuseum.ch Antennen­wäl­der
  3. Historisches Lexikon der Schweiz Radio
  4. A singt-cinq ans (1923–1948) Radio-Lausanne, Generaldirektion PTT 1962, Seite 273.
  5. Der Bund, Band 132, Nummer 204, 2. September 1981
  6. Edzard Schade: In Radio und Fernsehen in der Schweiz, Herausgegeben von Markus Drack, Verlag für Kultur und Geschichte GmbH, Baden, 2000, Seite 21
  7. SRF: Geschichte des Radios (1911–2008) Seite 7.
  8. Die SRG feiert ihr 90-jähriges Jubiläum
  9. Großsender Sottens. In: Radio Wien, 5. Juni 1931, S. 28 (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/raw