Digitalcourage
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Vorläufer | Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e. V (FoeBuD) bis Nov 2012 |
Geschäftsführung | Detlev Sieber |
Mitglieder | ca. 3000 (2021)[1] |
Digitalcourage (Aussprache analog zu Zivilcourage)[2] – bis zur Umbenennung im November 2012 FoeBuD (Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e. V.) – ist ein 1987 gegründeter Verein für technik- und gesellschaftspolitisch interessierte Menschen mit Sitz in Bielefeld, der sich vor allem für die ungehinderte Kommunikation (Informationsfreiheit) und Datenschutz einsetzt. Auch andere Themen wie Politik, Umwelt und Menschenrechte sind Betätigungsfelder des gemeinnützigen Vereins.
Der Verein ist Mitglied in folgenden Organisationen: Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, C3S, EDRi, FIfF, Kommunikation und neue Medien e. V., Software für Engagierte e. V., torservers.net und Whistleblower-Netzwerk.[3] Seit dem 1. Januar 2021 ist Digitalcourage auch Mitglied in Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).[4]
Außerdem gehört Digitalcourage zur Chaos-Family,[5] und seine Mitbegründer Rena Tangens und padeluun sind Ehrenmitglieder im CCC.
Datenschutz-Kampagnen
Bekannt ist Digitalcourage vor allem durch die Vergabe der deutschen „Big Brother Awards“ (Eigenschreibweise: BigBrotherAwards). Mit diesem Negativpreis werden Unternehmen, Institutionen und Einzelpersonen „ausgezeichnet“, die nach Ansicht der Jury besonders eklatant gegen die Grundsätze der informationellen Selbstbestimmung verstoßen haben.
Um mehr Bewusstsein für die Datenschutzproblematik von Rabatt- bzw. Bonusprogrammen zu schaffen, gab der Verein die sogenannte Privacy Card heraus. Diese ähnelte im Design einer regulären Payback-Karte und trug auch die Nummer einer normalen, auf den Verein angemeldeten, Karte. Dadurch konnten ohne Preisgabe persönlicher Daten Rabattpunkte für den Verein gesammelt und gleichzeitig das Profil verwässert werden. Nach einem halben Jahr, als bereits 2.000 derartige Karten in Verwendung waren, wurde seitens Payback aber die zugrundeliegende Karte gesperrt und der Vertrag gekündigt.
Seit dem Oktober 2003 beschäftigt sich Digitalcourage mit RFID und hat die StopRFID-Kampagne ins Leben gerufen. Thema dieses Projektes ist eine kritische Begleitung der Einführung der RFID-Technologie.
Der Verein ist Unterzeichner der gemeinsamen Erklärung zum Gesetzesentwurf über die Vorratsdatenspeicherung des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung und Unterstützer der Demonstrationen Freiheit statt Angst.
Im März 2010 organisierte der Verein eine Verfassungsbeschwerde gegen das ELENA-Verfahren.[7] Sie reichte am 31. März 2010 die mit 22.005 Beschwerdeführern bislang zweitzahlreichste Verfassungsbeschwerde ein.[8] Mit der Beschwerde wird beantragt,
- die §§ 97 und 98 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch in der Fassung des Gesetzes über das Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises (ELENAVerfahrensgesetz) vom 28. März 2009, BGBl. I Nr. 17, ausgegeben am 1. April 2009, für unvereinbar mit Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 136 Abs. 3 Weimarer Rechtsverfassung[9] zu erklären.[10]
Jeweils im Dezember bietet der Verein auf seinen Seiten einen Adventskalender mit Tipps zur „digitalen Selbstverteidigung“.
Betrieb von Kommunikationsdiensten für die Allgemeinheit
Eine Gruppe teils ehrenamtlicher IT-Administratoren betreibt für den Verein einige Internet-Dienste im Interesse der Allgemeinheit. Auf der Website findet man sie unter der Überschrift Swarm Support[11]. Einige Beispiele:
Anti-Zensur-DNS-Server
Digitalcourage betreibt zwei DNS-Server. Beide Server unterstützen DNS-over-TLS und protokollieren nur im Fehlerfall. Zur Lastverteilung sollte nur der DNS-Server mit der IP-Adresse 5.9.164.112 bzw. dem Hostnamen dns3.digitalcourage.de genutzt werden (Stand Mai 2021).[12]
Ursprünglich hatte Digitalcourage bereits seit dem 17. April 2009 einen DNS-Server betrieben. Auslöser war der Entwurf des Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen, welches die Sperrung von Webseiten in Deutschland regeln sollte.
Tor-Exit-Relay
Digitalcourage betreibt Exit-Relays im Tor-Netzwerk. Zur Begründung heißt es: „Wer seine Privatsphäre auch im Internet schützen will, surft mit Tor.“[13]
Terminfinder und Umfrage-Tool
Seit Mitte 2019 betreibt Digitalcourage eine Framadate-Instanz mit dem Namen Nuudel[14] (nuudel.digitalcourage.de alias nuudel.de), die auch per Onion-Site erreichbar ist, keinerlei Logging betreibt/speichert und weder vom Ersteller noch von den Teilnehmern persönliche Daten/E-Mail-Adressen erfordert.[15][16][17][18][19]
Mikroblogging und Video
Digitalcourage betreibt im verteilten sozialen Netzwerk Fediverse eine Mastodon[20]- und eine PeerTube-Instanz[21].
Historisch: BIONIC und das Zamir Transnational Network
Im Verein entstand 1987 die BIONIC-Mailbox. Leitsätze des Systems waren der Verzicht auf Zensur und unbeschränkter Rechte für Systembetreiber. Stattdessen war die BIONIC als Gemeinschaftsprojekt angelegt und so Geburtsstätte vieler weiterer früherer Mailbox-Netze wie z. B. das frühere Netzwerk Solinet, das vor allem von Gewerkschaftern genutzt wurde. Die BIONIC wurde so zur frühen Netzheimat vieler linker und linksalternativer Gruppierungen.
Eric Bachman, ein BIONIC-Nutzer und Mitglied des Vereines, schuf ab 1991 mit Unterstützung von padeluun und anderen das Zamir Transnational Network. Dieses war eine Reaktion auf den zu dieser Zeit begonnenen Krieg in Jugoslawien. Za mir bedeutet „Für den Frieden“. Das gleichnamige Netzwerk diente zur kostengünstigen und einfachen Vernetzung von Friedensgruppen vor Ort zur Bildung eines gewaltfreien Widerstands. Auch hier kam auf Grund der beschränkten Möglichkeiten – so standen z. B. dem System in Sarajevo für die Versorgung von 1.500 Nutzern nur drei Telefonleitungen zur Verfügung – die Zerberus-Software zum Einsatz. Nach und nach bildeten sich weitere Mailboxen z. B. in Ljubljana (Slowenien), Zagreb und Pakrac (beide Kroatien), Belgrad (Serbien), Tuzla (Bosnien und Herzegowina) und Priština (Kosovo). Diese Systeme waren über das Zamir-Netzwerk miteinander verbunden.
Auszeichnungen
2008 wurde der Verein für sein Engagement im Bereich der Bürgerrechte und des Datenschutzes, insbesondere als Ausrichter der deutschen Big Brother Awards mit einer Theodor-Heuss-Medaille ausgezeichnet.
Im April 2014 erhielt der Digitalcourage e. V. den von der Universität Passau verliehenen For..Net-Award als „Sonderpreis für Engagement auf dem Gebiet des Datenschutzes“.[22] Besonders gewürdigt wurde dabei der vom Digitalcourage e. V. entwickelte und vertriebene „PrivacyDongle“. Dabei handelt es sich um einen USB-Stick, der eine ohne Installation lauffähige Kombination aus dem Browser Firefox und der Anonymisierungssoftware Tor zur Verfügung stellt.
Im September 2014 erhielt der Digitalcourage e. V. den Taz-Panter-Preis als Preis der Jury.[23]
Die Gründungsvorsitzende Rena Tangens erhielt im Juni 2015 die Auszeichnung „Persönlichkeit des Verbraucherschutzes 2015“ der Deutschen Stiftung Verbraucherschutz.[24] Auch wurde ihr im März 2016 der Bielefelder Frauenpreis, eine Auszeichnung des Bundes der Frauenvereine und der Regionalzeitung Neue Westfälische, verliehen.[25] Im April 2018 wurde beschlossen, Rena Tangens und padeluun die Ehrennadel der Stadt Bielefeld zu verleihen. Zur Begründung hieß es, beide hätten sich mit ihrem Einsatz für Datenschutz und Menschenrechte um das Wohl und Ansehen Bielefelds verdient gemacht.[26][27]
Weblinks
- Digitalcourage.de
- Befreite Dokumente.de, eine Aktion gemeinsam mit dem Chaos Computer Club
- Chaosradio Express über den FoeBuD
Einzelnachweise
- ↑ Christine Müller: Digitale Courage: Internet-Pionierin und Datenschützerin Rena Tangens im Portrait. In: iRights.info. 26. Januar 2021, abgerufen am 26. Januar 2021.
- ↑ https://digitalcourage.de/pressematerial
- ↑ Digitalcourage e. V.: Transparenzbericht 2016. Abgerufen am 13. Juni 2019.
- ↑ Digitalcourage-Newsletter vom 02.02.2021. In: digitalcourage.de. 2. Februar 2021, abgerufen am 14. Februar 2021.
- ↑ CCC: Chaos-Family. Abgerufen am 13. Juni 2019.
- ↑ Frank Rosengart: Der BigBrotherAward 2018 in der Kategorie Technik geht an Microsoft Deutschland. In: BigBrotherAwards.de. Digitalcourage e. V., 20. April 2018, abgerufen am 9. Dezember 2019.
- ↑ FoeBuD: Verfassungsbeschwerde gegen ELENA nur noch symbolisch möglich! (Memento vom 5. September 2013 im Internet Archive), gesehen am 29. April 2010.
- ↑ ELENA-Verfahrensgesetz. FoeBuD, 31. März 2012, archiviert vom Original am 30. Juni 2012; abgerufen am 29. April 2010.
- ↑ Meint wohl: Art. 136 Abs. 3 Verfassungen des Deutschen Reichs / Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919. verfassungen.de, 2. Februar 2002, abgerufen am 23. April 2017.
- ↑ Meinhard Starostik: Verfassungsbeschwerde ELENA – 1 BvR 902/10 – Kopie der am 31. März 2010 bei dem Bundesverfassungsgericht im Namen von 22005 Beschwerdeführern eingereichten Verfassungsbeschwerde. (PDF (170.8 kB)) starostik.de, 14. April 2010, abgerufen am 23. April 2017.
- ↑ Swarm Support bei Digitalcourage: https://digitalcourage.de/swarm-support
- ↑ Zensurfreier DNS-Server. Abgerufen am 21. Mai 2021.
- ↑ https://digitalcourage.de/support/tor
- ↑ Framadate ist freie und quelloffene-Software, die von der französischen NGO Framasoft en/fr entwickelt wird.
- ↑ Website: https://nuudel.digitalcourage.de/ – Onion-Site: http://cca4yrsk4qza2jrg7maf2ltphqeqo6a7hrazacfgrvq427wgeakevfid.onion/
- ↑ Daniel Berger: Digitalcourage startet datensparsame Doodle-Alternative. In: Heise-Newsticker. 2. Juli 2018, abgerufen am 2. Juli 2018.
- ↑ Nuudel: das Umfragetool, das nicht speichert. In: Digitalcourage. 27. Januar 2020, abgerufen am 28. März 2020.
- ↑ Digitalcourage: Micropost auf der Mastodon-Instanz von Digitalcourage. In: digitalcourage.social. 6. Juli 2021, abgerufen am 7. Juli 2021.
- ↑ Umfragen und Termine mit Digitalcourage-Tool! In: Digitalcourage. Abgerufen am 1. September 2022.
- ↑ https://digitalcourage.social/about/more
- ↑ https://digitalcourage.video/about/instance
- ↑ Pressemeldung der Uni Passau zur Verleihung des For…Net-Awards vom 19. Dezember 2013
- ↑ Bericht in der taz, abgerufen am 17. August 2015
- ↑ verbraucherstiftung.de: Bundespreis Verbraucherschutz – Preisträgerin Rena Tangens, abgerufen am 17. August 2015
- ↑ Zweiter Bielefelder Frauenpreis geht an Rena Tangens, Artikel in der Neuen Westfälischen vom 5. März 2016, abgerufen am 5. März 2016
- ↑ https://www.radiobielefeld.de/nachrichten/lokalnachrichten/detailansicht/ehrennadel-fuer-tangens-und-padeluun.html
- ↑ https://www.bielefeld.de/de/pressedienst/detail.html?id=986606