Formularprozess

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Der Formularprozess (auch Formularverfahren) ist im römischen Recht das durch Verwendung zahlreicher, aus der actio des Klägers und einer eventuellen exceptio (Einrede)[1] des Beklagten gebildeten Verfahrensformeln (Prozessprogramm) gekennzeichnete Verfahren. Der Prozesstyp gilt als prätorische Schöpfung.[2] Zunächst wurde er nur auf Klagen aus Gelddarlehen angewendet und löste dabei die bereits aus frührepublikanischer Zeit bekannte Verfahrensform der legis actio per condictionem ab. Sie waren stets Honorarrecht.

Formularprozess (agere per formulam) bedeutet, dass der Prozess durch eine Formel bestimmt wird, die der Gerichtsmagistrat dem Richter vorgibt. Die Entscheidung soll sich nach bestimmten in der Formel enthaltenen Worten richten: Richtereinsetzung, Streitprogramm, Klagegrund, Klagegegenstand und Verurteilung.

Streitig ist, ob im römischen Recht der Prätor oder die Parteien das Prozessprogramm festlegten. Der äußeren Erscheinung nach war die Formel wohl Urkunde.

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Zeittafel:Entwicklung römischer Prozessarten

Entwicklung der römischen Prozessarten

Dem Formularprozess ging historisch das Legisaktionenverfahren (von lege agere – Handeln nach festen Spruchformeln, die von den Parteien vor dem Magistrat gesprochen werden mussten) voraus. Ursprünglich ein einheitliches Verfahren, war es der Quellentradition nach in seiner späteren Phase durch eine Zweiteilung der Verfahrensschritte gekennzeichnet. Zunächst wurde der Prozess vom Magistraten im ersten Verfahrensschritt (in iure) vorbereitet, indem er mit bestimmten Worten (certis verbis) begründet wurde (Spruchformel). Im zweiten Verfahrensschritt wurde vor dem Richter (apud iudicem) Beweis erhoben und das Urteil ausgesprochen.

Ausweislich der Institutiones Gai[3] wandelte sich das Prozessbild seit der Lex Aebutia de formulis im Lauf des 2./1. Jahrhunderts v. Chr. Das Legisaktionenverfahren wurde vom Formularprozess zunehmend verdrängt und durch die augusteischen leges Iuliae im Jahr 17 v. Chr. (mit wenigen Ausnahmen) abgeschafft.[4] Gestritten wurde ab dieser Zeit per concepta verba, das heißt per formulas und nicht mehr mittels vorab unabänderlicher Spruchformeln; gleichwohl war der inhaltliche Unterschied beider Prozessarten gering. Neben der den Prozessbeteiligten eingeräumten größeren Gestaltungsfreiheit war der der sakralen Tradition verpflichtete Formalismus des archaischen Spruchformelverfahrens allerdings entfallen.[5] In der Zeit des Prinzipats ergab sich eine Neuerung insoweit, als Urteile des iudex überprüfbar wurden. In einem Anschlussverfahren (cognitio) konnte kraft des in der neuen Reichsverwaltung eingerichteten Instanzenzuges, ein beamteter Richter die vorangegangene Entscheidung aufheben, nachdem er eine erfolgreiche Beschwerde (appellatio) an den Princeps gerichtet hatte. Im Vollstreckungsrecht löste die actio iudicati die legis actio per manus iniectionem ab, stellte aber ebenfalls einen neuen Prozess dar. In diesem konnte die Zwangsvollstreckung auf die Person des Schuldners erfolgen, genauso aber auch in dessen Vermögen.

Der Formularprozess wurde im Lauf des 3. Jahrhunderts n. Chr. vom Kognitionsprozess (von Cognitio, Prüfung und Entscheidung einer rechtlich relevanten Frage durch einen Amtsträger) verdrängt, 342 n. Chr. förmlich abgeschafft.

Blankette im Formularprozess

Blankette sind Stellvertreternamen im römischen Formularprozess:

  • AULUS AGERIUS (A.A.) – Blankett für den Namen des Klägers
  • NUMERIUS NEGIDIUS (N.N.) – Blankett für den Namen des Beklagten
  • REM – Blankett für die konkrete Bezeichnung der Sache
  • LUCIUS – Beispiel für den Namen des Richters

Einzelnachweise

  1. z. B. * exceptio doli: Einrede der Arglist. Wer arglistig handelt, verdient keinen Rechtsschutz. Im deutschen BGB ist die exceptio doli der Sache nach in § 242 enthalten.
    • exceptio doli praesentis: Einrede der gegenwärtigen Arglist. Gegenwärtige Arglist ist arglistiges, treuwidriges Verhalten während der Prozessführung.
    • exceptio doli praeteritis: Einrede der vergangenen Arglist. Vergangene Arglist ist arglistiges, treuwidriges Verhalten vor dem Prozess.
    • exceptio metus: Einrede gegen Furcht. Einrede gegen Ansprüche, die unter Zwang begründet worden sind.
  2. Max Kaser: Römische Rechtsquellen und angewandte Juristenmethode. in: Forschungen zum Römischen Recht. Band 36. Verlag Böhlau, Wien, Köln, Graz, 1986. ISBN 3-205-05001-0. S. 98.
  3. Gaii Institutiones 4, 30.
  4. Max Kaser, Karl Hackl [Bearb.]: Das römische Zivilprozessrecht. 2., vollst. überarb. und erw. Aufl. / neu bearb. von Karl Hackl. 2. Auflage. Beck, München 1996, ISBN 3-406-40490-1.
  5. Herbert Hausmaninger, Walter Selb: Römisches Privatrecht, Böhlau, Wien 1981 (9. Aufl. 2001) (Böhlau-Studien-Bücher) ISBN 3-205-07171-9, S. 374.

Literatur

  • Herbert Hausmaninger, Walter Selb: Römisches Privatrecht, Böhlau, Wien 1981 (9. Aufl. 2001) (Böhlau-Studien-Bücher) ISBN 3-205-07171-9, S. 374–386.
  • Max Kaser, Karl Hackl [Bearb.]: Das römische Zivilprozessrecht. 2., vollst. überarb. und erw. Aufl. / neu bearb. von Karl Hackl. 2. Auflage. Beck, München 1996, ISBN 3-406-40490-1, S. 712.
  • Max Kaser, Rolf Knütel [Bearb.]: Römisches Privatrecht : ein Studienbuch. Fortgef. von Rolf Knütel. 19. Auflage. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-57623-2, S. 464.
  • Richard Schott: Römischer Zivilprozess und moderne Prozesswissenschaft: Streitfragen aus dem Formularprozess, Scienta, Aalen 1985, ISBN 3-511-09187-X.

Weblinks