Freitreppe
Die Freitreppe ist eine meist repräsentative Außentreppe ohne Dach. Im engeren Sinne werden nur solche Bauteile als Freitreppen bezeichnet, die zur Erschließung eines höher liegenden Gebäudeeingangs dienen und axial auf ihn zulaufen. Im weiteren, städtebaulichen Sinn und im Kontext der Landschaftsarchitektur werden damit aber auch axiale Treppen zu großen Plätzen und Terrassen bezeichnet.[1] Früher wurde der Begriff als Synonym für Außentreppe verwendet.[2]
Kennzeichen
Entscheidende Kennzeichen einer Freitreppe sind ihre Lage außerhalb eines Baukörpers, ihre Dachlosigkeit und der Umstand, dass sie senkrecht auf ein zu erschließendes Objekt zuführt.[3] Letzteres bedeutet, dass nicht zwangszweise die Treppenläufe senkrecht zum Objekt liegen, sondern dass die Symmetrieachse der Treppenanlage senkrecht auf eine Gebäudefassade führt. Dies unterscheidet eine Freitreppe von übrigen Außentreppen. Freitreppen führen in der Regel zu einem Haupteingang im höher gelegenen Hochparterre oder im ersten Obergeschoss.[1] Ihre repräsentative Funktion führt dazu, dass sie meist große, weit ausladende und oft mehrläufige Treppenanlagen sind. Weil sie axial auf das Gebäude zulaufen, ist es üblich, dass sie mittig vor der Fassade liegen und so die Symmetrie eines Gebäudes besonders betonen.[4]
Geschichte
Freitreppen waren schon seit dem Altertum gebräuchlich.[5] Man findet sie noch heute an griechischen und römischen Tempeln, aber auch an religiösen Bauten in Indien und China.[5] Ebenso findet man Freitreppen an Bauten und Tempelpyramiden präkolumbischer Völker Mesoamerikas wie den Olmeken, Zapoteken und Maya. Seit dem Mittelalter waren sie in Europa bevorzugt als Kirchen- und Rathaustreppen in Gebrauch. Während der Renaissance und des Frühbarocks kam der Freitreppe die Aufgabe eines Empfangsraums zu, bei Rathäusern war ihr oberster Absatz zusätzlich ein Platz für Zeremonien.[6] Im Barock waren doppelläufige und geschwungene Treppen beliebt. Bei Schlössern waren die außen liegenden Freitreppen noch bis in das 18. Jahrhundert der Hauptzugang zur Beletage.[6] Eine besondere städtebauliche Aufwertung erhielten sie zur Zeit des Klassizismus und des Historismus.[5]
Beispiele
Eine der größten Freitreppen der Barockzeit ist die Spanische Treppe in Rom, die von der Piazza di Spagna zur Kirche Santissima Trinità dei Monti führt. Ebenfalls sehr bekannt ist die barocke Treppe vor der Kathedrale von Girona. Sie besteht aus 90 Treppenstufen, die von zwei Absätzen unterbrochen werden. Die von 1837 bis 1841 erbaute Potemkinsche Treppe in Odessa wurde von Anfang an als repräsentativer Hauptzugang zur Stadt konzipiert. Bei den Freilichtspielen in Schwäbisch Hall ist die stadtbildprägende Freitreppe vor der Stadtkirche St. Michael Hauptspielort von Theateraufführungen und dient als Freilichtbühne. Insbesondere als Namensgeberin eines Romans von Heimito von Doderer wurde die Strudlhofstiege, eine Jugendstil-Freitreppe in Wien, bekannt.
Die Spanische Treppe in Rom
- Strudlhofstiege 2010.jpg
Strudlhofstiege in Wien
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Die Bootstreppe in Mürwik führt vom Bootshafen der Marineschule hinauf zum Roten Schloss.
Freitreppe im Garten der Villa Garzoni
- Schloss Seußlitz Freitreppe.jpg
Freitreppe des Schlosses Seußlitz
Material
Freitreppen sind aufgrund ihrer Außenlage aus wetterbeständigem Material, meist Stein. Die Auswahl ist abhängig vom Standort, den vorhandenen Mitteln und den Anforderungen. Repräsentative oder frostfeste Treppen werden bevorzugt in geeignetem Naturstein, Klinker oder heute Betonsteinen ausgeführt. In Gartenanlagen werden auch Rundsteine, Ziegel oder Holz verwendet (zu den verschiedenen Materialien siehe Pflaster).
Literatur
- Rolf Hellmut Foerster: Das Barock-Schloß. Geschichte und Architektur. DuMont, Köln 1981, ISBN 3-7701-1242-3, S. 100–104.
- Wilfried Koch: Baustilkunde. Orbis, München 1994, ISBN 3-572-00689-9, S. 447.
- Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur (= Kröners Taschenausgabe. Band 194). 4. Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X, S. 191.
- Barbara Schock-Werner: Freitreppe. In: Horst Wolfgang Böhme, Reinhard Friedrich, Barbara Schock-Werner (Hrsg.): Wörterbuch der Burgen, Schlösser und Festungen. Reclam, Stuttgart 2004, ISBN 3-15-010547-1, S. 130, doi:10.11588/arthistoricum.535.
- Seemanns Lexikon der Architektur. Tosa, Wien 2004, ISBN 3-85492-895-5, S. 87.
Weblinks
Fußnoten
- ↑ a b H. Koepf, G. Binding: Bildwörterbuch der Architektur. 2005, S. 191.
- ↑ Vgl. zum Beispiel Josef Durm et al.: Handbuch der Architektur. Teil 3, Band 6. Bergsträsser, Darmstadt 1891 und Teil 4, Halbband 2. Bergsträsser, Darmstadt 1902.
- ↑ Angabe nach H. Koepf, G. Binding: Bildwörterbuch der Architektur. 2005, S. 191. Im Wörterbuch der Burgen, Schlösser und Festungen wird die einschränkende Formulierung „meist axial“ benutzt. Vgl. H. W. Böhme, R. Friedrich, B. Schock-Werner: Wörterbuch der Burgen, Schlösser und Festungen. 2004, S. 130.
- ↑ W. Koch: Baustilkunde. 1994, S. 441.
- ↑ a b c Seemanns Lexikon der Architektur. 2004, S. 87.
- ↑ a b Pius Bieri: Das repräsentative Treppenhaus im süddeutschen Barock. Universität München, München 2014 (online).