Friedeschiff
Friedeschiffe, auch Friedekoggen (niederdeutsch
), hießen in der Zeit der Hanse die Kriegsschiffe, die vor allem gegen die Seeräuberei eingesetzt wurden. Mit dieser Bezeichnung, die einiges von der hansischen Geisteshaltung gegenüber dem Krieg verrät, wurde auf die wesentliche Aufgabe dieser Schiffe hingewiesen: Sie sollten für Frieden auf den Meeren sorgen und so einen ungestörten Handel ermöglichen.
Erfordernisse
Die Handelsschiffe der Hanse sind an sich immer bewaffnet gefahren und nicht völlig wehrlos gegen vereinzelte Angriffe von Piraten gewesen. Auch schlossen sie sich manchmal freiwillig zu kleineren Flottenverbänden zusammen, die schon aus dem 13. Jahrhundert überliefert sind, um sich bei größeren Überfällen besser wehren zu können. Als aber das organisierte Piratentum aufzutreten begann und der Handelsverkehr immer unsicherer wurde, mussten einzelne Hansestädte notgedrungen zusätzlich Friedeschiffe in Dienst stellen. Besonders in den Tagen der berühmt-berüchtigten Vitalienbrüder, als der Seehandel stellenweise schon ganz zum Erliegen gekommen war, ist diese Maßnahme, wenn die Hanse nicht merklich an Substanz verlieren wollte, unumgänglich gewesen.
Finanzierung
Die Kosten für die Friedeschiffe wurden von der Gemeinschaft einzelner Städte oder Städtegruppen getragen, wofür gelegentlich auch der sogenannte Pfundzoll, eine Art hansische Umsatzsteuer, erhoben wurde. Im Einzelnen waren wohl meistens die Eigner und Befrachter der Handelsschiffe in den Konvois die Zahlenden. Die Hanse an sich hat nie Friedeschiffe unterhalten. Es wurden nur auf ihren Hansetagen die notwendig erscheinenden Maßnahmen in sogenannten Matrikeln angeordnet, die dann von den Städten in eigener Verantwortung und Anstrengung durchgeführt werden mussten.
Kriegsführung
Bis zur Einführung von Kanonen auf den Schiffen (allgemein etwa ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts) ist der Krieg auf See wie ein Landkrieg geführt worden und die Friedeschiffe sind in ihm so etwas wie Schwimmende Festungen gewesen. Das Ziel des Kampfes war es zu der Zeit, das gegnerische Schiff zu entern und in Besitz zu nehmen. Dafür wurden die Koggen (und das machte sie zu Friedeschiffen) mit hohen Vorder- und Achterkastellen versehen, von denen aus Soldaten den Kampf führten. Als Waffen benutzten sie Armbrüste und Langbögen. Gelegentlich wurden für den Fernkampf auch Wurfmaschinen, Bliden genannt, eingesetzt oder auch das sogenannte Treibende Werk, eine große Speerschleuder, die unter der Besatzung und an der Takelage des feindlichen Schiffes eine verheerende Wirkung erzielen konnte. Die Stärke der Besatzung auf den Friedeschiffen konnte bis zu hundert Mann betragen, von denen ungefähr ein Drittel zu den Seeleuten und der Rest zu den Kriegsknechten gehörte. Die seemännische Besatzung wurde stets nur aus der eignen Bevölkerung der jeweils beteiligten Städte gewählt, bei der militärischen gab es auch angeworbene Knechte, manchmal Reiter zur See genannt, die die feindlichen Schiffe zu entern und deren Besatzungen im Kampf Mann gegen Mann niederzukämpfen hatten. Mit dem Aufkommen der Feuerwaffen im Seekrieg begann anstelle des Enterkampfes das Fernduell mit schwerer Schiffsartillerie die größere Rolle zu spielen. Von der Hanse ist diese neue Technik auf See ungefähr in der Mitte des 16. Jahrhunderts eingeführt worden.
Einsätze
Die Einsätze der Friedeschiffe waren vielfältig: Sie gaben Flottenverbänden Geleitschutz, fuhren Patrouillen auf den Seewegen, überwachten und blockierten zeitweilig als sogenannte Auslieger bestimmte Küstengebiete und Inseln und führten immer wieder Unternehmungen gegen die Piraten durch, von denen die sattsam bekannten am Anfang des 15. Jahrhunderts gegen die Vitalienbrüder in der Nordsee nur einige von vielen gewesen sind. Auch bei Kaperkriegen, die von der Hanse von Zeit zu Zeit geführt wurden, sind sie eingesetzt worden.
Sonstiges
Benannt waren die Friedeschiffe manchmal etwas bizarr. Namen wie Vlegender Geyst oder Mariendrache sollten wohl schon, wie Walther Vogel schreibt, ihren verheerenden Zweck «vielversprechend» ankündigen.
Um die Kosten besser in den Griff zu bekommen, wurde im Jahre 1385 ein freier Unternehmer mit Maßnahmen zur Seebefriedigung beauftragt: Wulf Wulflam, Sohn eines Stralsunder Bürgermeisters, der aber dabei nicht viel ausgerichtet hat.
Verbände der Friedeschiffe bei größeren Unternehmungen wurden hauptsächlich von den Bürgermeistern oder Ratsherren der Hansestädte geführt. (Siehe dazu Befehlshaber der Lübecker Flotte.)
Literatur
- Burkhard Werner: Die Stellung der Hansestadt Lübeck in der Hanse bis zum Stralsunder Frieden 1370, GRIN Verlag, München 2007, ISBN 978-3-638-92262-3
- Walther Vogel: Geschichte der deutschen Seeschifffahrt: Von der Urzeit bis zum Ende des XV. Jahrhunderts. Zweiter Band, Walter de Gruyter Verlag, Berlin 1973 (Nachdruck von 1915)
- Karl Pagel: Die Hanse, Georg Westermann Verlag, Braunschweig 1965
- Friedrich von Raumer: Historisches Taschenbuch, Verlag F. A. Brockhaus, Leipzig 1841