Fritz Gumpert

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Fritz Gumpert (geb. 6. November 1892 in Triptis (Thüringen); gest. 23. April 1933 Königstein-Halbestadt) war ein deutscher Arbeiter und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus.

Leben

Fritz Gumpert wuchs als einziges Kind seiner Eltern unter schwierigen sozialen Bedingungen auf. Die Familie verfügte über eine kleine Landwirtschaft, der Vater arbeitete zusätzlich als Schuster. 1913 zog Gumpert nach Heidenau, um dort in einer Zellulosefabrik zu arbeiten. Im Jahr darauf wurde er eingezogen und nahm bis zum Ende am Ersten Weltkrieg teil. 1923 wurde er dort entlassen, nachdem er sich an einem Streik für höhere Löhne beteiligt hatte. Im November 1924 fand er erneut Arbeit, jetzt in der Firma Seidel & Naumann, bei der er bis 1931 als Arbeiter tätig war.[1][2]

In den Jahren der Weimarer Republik organisierte Gumpert sich in der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD)[2] und im Roten Frontkämpferbund (RFB). Bis zum Verbot des RFB 1929 war er Vorsitzender der lokalen Gliederung in Heidenau und danach illegal in der Antifaschistischen Aktion. Es heißt auch, er habe den Antifa-Ausschuss in Heidenau geleitet.[1][3] Nach der Machtübergabe an die NSDAP und ihre Bündnispartner wurde er im März 1933 ein Opfer der ersten Verhaftungswellen. Er wurde zunächst in die Haftanstalt des Landgerichts am Münchner Platz in Dresden verbracht, in dem „provisorischen“ KZ Hohnstein, einer konfiszierten Jugendburg, festgehalten und im weiteren Verlauf in das KZ Königstein-Halbestadt verschleppt, einem konfiszierten Haus der Naturfreunde am Elbeufer. Hier wurde er am 23. April 1933 von dem SA-Truppführer Walter Biener, Mitglied der Lagerleitung, „buchstäblich zu Tode getrampelt“.[4][5]

Die Überführung des Toten an seinen Wohnort Heidenau, für die Heidenauer Arbeiter Geld sammelten, fand mit der Auflage statt, dass der Sarg nicht geöffnet werden dürfe. In der Friedhofshalle Heidenau öffnete der Vater ihn dennoch, konstatierte die offenkundige Folterung, Rudolf Nesajda,[6] Vorsitzender der Arbeiterfotografengruppe in Heidenau, machte 16 Beweisaufnahmen. Er übergab sie dem Widerstandskämpfer und Bergsteiger Kurt Hartmann, der sie zusammen mit Zeugenaussagen in die CSR brachte. Die Aufnahmen wurden später in der inzwischen illegalen Arbeiter Illustrierten Zeitung (AIZ) und im Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror veröffentlicht.[1][7] Einer Zeugenaussage zufolge war der Unterleib Gumperts völlig zerschlagen und zertreten, so dass die Eingeweide teilweise sichtbar waren. Auch seien Abdrücke von Stiefelabsätzen festzustellen gewesen.[8] Er hinterließ mit seiner Frau fünf Kinder. Zu Gumperts Beerdigung auf dem Friedhof in Heidenau-Süd, heißt es, „gegen drei Tausend Arbeiter und Arbeiterinnen“ seien erschienen. Die eigentliche Beerdigung fand im kleinsten familiären Kreis statt, da Polizei und SA mit großem Aufgebot den Zugang zur Grabstätte abgeriegelt hatten und die Menschenmenge vor dem Friedhofseingang auseinandertrieb.[4][9] In der Pirnaer Zeitung war von der „Verbreitung falscher Gerüchte über das Ableben des Kommunisten G.“ die Rede.[10] Das Preußische Innenministerium war so beunruhigt, dass es den lokalen Behörden vorschrieb, künftig Bestattungen „mit demonstrativem Charakter“ zu verbieten.[11]

Ein Autor „Peter Conrad“, Pseudonym von Anna Seghers,[12] thematisierte bereits 1933 in einer in der Verlagsgenossenschaft ausländischer Arbeiter in der UdSSR in Moskau erschienenen Sammelpublikation von „Berichten aus dem Dritten Reich“ titelgebend (Mord im Lager Hohenstein) das Verbrechen an Gumpert. Seghers beabsichtigte damit einen Beitrag zu einer nicht verwirklichten Sammlung von etwa 40 bis 50 Lebensbildern von NS-Mordopfern.[13] In den Literaturwissenschaften wird der Bericht als Vorarbeit zu dem Roman Das siebte Kreuz gesehen.[14]

Im März 1949 verurteilte das Landgericht Dresden Walter Biener wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Tode. Dem Urteil zufolge war Biener Haupttäter bei der Ermordung Gumperts und an der Folterung und Misshandlung weiterer Nazi-Gegner beteiligt. Der 1912 geborene Bauingenieur Biener war 1931 in die NSDAP und die SA eingetreten. Als SA-Truppführer gehörte er von März bis Mai 1933 der Wachmannschaft sowie der Lagerleitung des Konzentrationslagers Königstein-Halbestadt an. Das Todesurteil wurde nicht vollstreckt; Biener wurde Ende 1955 im Zuge einer breit angelegten Amnestie aus der Haft entlassen.[15]

Gedenken

In der DDR erhielten das Ferngaswerk Heidenau des VEB Energiekombinat Dresden, das im Kirnitzschtal bei Bad Schandau gelegene gemeinsame Betriebsferienheim und Kinderferienlager der Vereinigten Papierfabriken Heidenau und des VEB Zellstoffwerks Philipp Müller in Coswig den Namen „Fritz Gumpert“.[1] Mit dem Ende der DDR gingen die Trägerbetriebe und ihr Ferienheim unter, so dass der Name verschwand. Die Stadt Heidenau benannte zu einem nicht bekannten Zeitpunkt einen Platz nach ihm. 2004 widmete sie ihm am 27. Januar den Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus.[2][5] Am Naturfreundehaus in Königstein-Halbestadt erinnert ein Gedenkstein der Fédération Internationale des Résistants (FIR), der internationalen Dachorganisation von Verbänden antifaschistischer Widerstandskämpfer, an ihn.[16]

Literatur

  • Peter Conrad [= Anna Seghers], Mord im Lager Hohenstein, in: Johannes R. Becher/G. P. Ulrich/Peter Conrad/S. Gles/Hans Scheer, Mord im Lager Hohenstein. Berichte aus dem Dritten Reich, Moskau 1933, S. 25–29
  • Grüner Weg 31 a. Zeitschrift des Studienarchivs Arbeiterkultur und Ökologie, Baunatal, Bd. 16, 2003
  • Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Berlin 2007
  • Michael Klein, „Dichte Beschreibung“. Eine Ethnographie von Modalitäten, Figurationen und Verflechtungszusammenhängen von Gewalt, in: ders. (Hrsg.), Gewalt – interdisziplinär, Münster 2002, S. 133–172
  • Ulrike Puvogel/Martin Stankowski, Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus: Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen. Eine Dokumentation (hrsgg. von der Bundeszentrale für politische Bildung), Bonn 1999
  • SED-Kreisleitung Pirna, Kommission zur Erforschung der Geschichte der örtlichen Arbeiterbewegung (Hrsg.), Chronik 1933–1945, Pirna/Sebnitz 1983
  • SED-Kreisleitung Pirna, Kommission zur Erforschung der Geschichte der örtlichen Arbeiterbewegung (Hrsg.), Ehrenmale, Gedenkstätten, Erinnerungsstätten und Mahnstätten der Arbeiterbewegung und des antifaschistischen Widerstandskampfes im Kreis Pirna, Pirna 1984, 2. Aufl.
  • Alexander Stephan, Anna Seghers: Das siebte Kreuz. Welt und Wirkung eines Romans, Berlin 1997
  • World Committee for the Victims of German Fascism (Hrsg.), Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitler-Terror, Basel 1933 [S. 320–321]

Einzelnachweise

  1. a b c d Ehrenmale, Gedenkstätten, Erinnerungsstätten und Mahnstätten der Arbeiterbewegung und des antifaschistischen Widerstandskampfes im Kreis Pirna. 2. überarbeitete Auflage, 1984. (PDF) SED, Kreisleitung Pirna, Kommission zur Erforschung der Geschichte der örtlichen Arbeiterbewegung, 1984, S. 43, abgerufen am 18. August 2016.
  2. a b c Mit dem Mut der Verzweiflung. In Heidenau wird heute der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. In: Sächsische Zeitung. Aktion Zivilcourage, 27. Januar 2004, abgerufen am 18. August 2016.
  3. Grüner Weg 31 a. Zeitschrift des Studienarchivs Arbeiterkultur und Ökologie, Baunatal, Bd. 16, 2003, S. 31.
  4. a b Norbert Flörken: Heidenau – seine Geschichte. 6. Dezember 2011, abgerufen am 28. Februar 2018 (zuerst gekürzt im General-Anzeiger Bonn, Ausgabe Siegburg, 1990).
  5. a b Gedenkplätze in Europa: Heidenau: Fritz-Gumpert-Platz mit Gedenkstein. (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 18. August 2016; abgerufen am 18. August 2016.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.gedenkplaetze.info
  6. Zu Rudolf Nesajda und dem im Folgenden erwähnten Kurt Hartmann: Wolfgang Hesse, Körper und Zeichen. Arbeiterfotografien aus Dohna, Heidenau und Johanngeorgenstadt 1932/33 (Bausteine aus dem Institut für sächsische Geschichte und Volkskunde, Bd. 24), Dresden 2013.
  7. SED-Kreisleitung Pirna, Kommission zur Erforschung der Geschichte der örtlichen Arbeiterbewegung (Hrsg.), Chronik 1933–1945, Pirna/Sebnitz 1983, unpag., siehe: [1].
  8. Zeugenaussage enthalten in: Urteil des Landgerichts Dresden vom 19. März 1949, Az.: StKs16/48 1.gr.23/48; abgedruckt in: Christiaan F. Rüter (Bearb.): DDR-Justiz und NS-Verbrechen. Sammlung ostdeutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen. Band 9: Die Verfahren Nr. 1456–1522 der Jahre 1948 und 1949. Amsterdam University Press/Saur, Amsterdam/München 2007, ISBN 978-90-5356-719-7, S. 173–182, hier S. 175.
  9. SED-Kreisleitung Pirna, Kommission zur Erforschung der Geschichte der örtlichen Arbeiterbewegung (Hrsg.), Chronik 1933–1945, Pirna/Sebnitz 1983, unpag., siehe: [2].
  10. Pirnaer Zeitung, 11. März 1933, nach: Günter Benser, Wie sich die Nazis der sächsischen Industriestadt an die Macht putschten, in: Links der Elbe, Nr. 78, September 2011, S. I-IV, hier: S. IIf.
  11. Paul Moore, "Noch nicht mal zu Bismarcks Zeiten". Deutsche Populärmeinung und der Terror gegen die Linke, in: Nikolaus Wachsmann und Sybille Steinbacher (Hrsg.), Die Linke im Visier. Zur Errichtung der Konzentrationslager 1933 (Reihe Dachauer Symposien zur Zeitgeschichte, Bd. 14), S. 168–190, hier: S. 172.
  12. Entschlüsselte das Pseudonym: Brigitte Melzwig, Deutsche sozialistische Literatur 1918–1945. Bibliographie der Buchveröffentlichungen (= Veröffentlichungen der Akademie der Künste der Deutschen Demokratischen Republik) Berlin (DDR)/Weimar 1975, S. 440, 443.
  13. Michael Klein, "Dichte Beschreibung". Eine Ethnographie von Modalitäten, Figurationen und Verflechtungszusammenhängen von Gewalt, in: ders. (Hrsg.), Gewalt – interdisziplinär, Münster 2002, S. 133–172, hier: S. 153.
  14. Z. B.: Sonja Hilzinger, Anna Seghers, Das siebte Kreuz (Reihe "Erläuterungen und Dokumente"), Ditzingen 2004, S. 38.
  15. Rüter, DDR-Justiz und NS-Verbrechen, S. 173 f, Fußnote 51.
  16. Gedenkplätze in Europa: Königstein: Ehemaliges Schutzhaftlager Königstein-Halbestadt. (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 19. August 2016; abgerufen am 18. August 2016.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.gedenkplaetze.info