Funkhaus Wallrafplatz

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Das Funkhaus Wallrafplatz (2011)
Das Funkhaus im Jahre 1956
Das Innere des Funkhauses (1954)

Funkhaus Wallrafplatz (ursprünglich auch WDR-Funkhaus Köln) ist die Bezeichnung für das erste und damit älteste Gebäude des Westdeutschen Rundfunks (WDR) in Köln, benannt nach seiner Lage am Wallrafplatz 5.

Entstehungsgeschichte

Am 29. Oktober 1926 beschloss der Aufsichtsrat der Westdeutschen Funkstunde AG die Verlegung des Senders von Münster (Albersloher Weg) nach Köln bei gleichzeitiger Umbenennung in WERAG. Diese bezog das Gebäude Dagobertstraße 38 in Köln und sendete erstmals am 15. Januar 1927 über den neuen Sender Langenberg.[1]

Die WERAG ging 1934 in der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft (RRG) auf. Im Luftkrieg des Zweiten Weltkriegs fiel der „Reichssender Köln“ des „Großdeutschen Rundfunks“ in der Nacht vom 28. zum 29. Juni 1943 den Bomben zum Opfer. Knapp fünf Monate nach der deutschen Kapitulation wurde in Hamburg Ende September 1945 für das Gebiet der Britischen Besatzungszone der NWDR gegründet. Dieser begann im Kölner Stadtteil Altstadt-Nord unweit des Doms mit den Arbeiten zur Errichtung eines neuen Funkhauses im April 1948, als weite Teile der Stadt noch in Trümmern lagen. An gleicher Stelle hatte sich zuvor das 1899/1900 nach Plänen Ludwig Paffendorfs errichtete Hotel Monopol[2] befunden, das im Krieg weitgehend zerstört worden war[3] und dessen Ruine in den Neubau integriert wurde, wobei sowohl Kostendruck als auch Materialknappheit eine Rolle spielten.[4] Dabei wurden die noch nutzbaren 25 Prozent der Bausubstanz des zerstörten Hotels mit einbezogen.[5]

Die Fassade des (oberirdisch) fünfgeschossigen Gebäudes ist gegliedert und besteht aus Travertin, das Erdgeschoss ist mit verglasten Arkaden versehen. Das geschwungene Innere des Gebäudes verkörpert eine bewusste Abkehr von der Architektur des Nationalsozialismus.[6] Es verfügt über eine Fülle künstlerischer und architektonischer Details im Stil der Zeit der 1950er Jahre wie die großen Treppenhausverglasungen von Gies und Georg Meistermann sowie Wandmalereien von Anton Wolff. Die schallstreuende Wandverkleidung aus Schweizer Birnbaum sollte vor allem verhindern, dass das Läuten der Petersglocke in den acht Sendesälen zu hören war.[7]

Am 21. Juni 1952 wurde das gesamte Funkhaus im Beisein von Bundespräsident Theodor Heuss und 700 weiteren Gästen offiziell feierlich eröffnet.[7] Noch im selben Jahr wurde es durch einen Anbau zum Margarethenkloster hin und 1961 mit einem Erweiterungsbau bis zur Straße Unter Fettenhennen erweitert – beide Gebäude ebenfalls von Schneider entworfen.

Großer und Kleiner Sendesaal

Großer Sendesaal – Klaus-von-Bismarck-Saal

Der Große Sendesaal als Teil von acht Sendesälen wurde im August 1950 erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Er ist mit einer großen Klais-Konzertorgel ausgestattet und wurde als „akustische Sensation“ gefeiert.[8][9] Er wurde von dem Bildhauer Ludwig Gies gestaltet, bietet Platz für 650 Besucher und 150 Musiker und wird auch als Konzertsaal genutzt; heute trägt er den Namen des ehemaligen Intendanten Klaus von Bismarck.[9] Er war bei seiner Eröffnung am 19. Oktober 1951 der erste große Konzertsaal in Köln, in dem heute jährlich über 200 Konzerte und Veranstaltungen stattfinden.

Am 8. Oktober 1951 dirigierte Igor Strawinsky das Eröffnungskonzert mit der deutschen Erstaufführung seiner Bläsersinfonien. Das war der Auftakt für die Konzertserie Musik der Zeit im Großen Sendesaal. Im Rahmen dieser Serie kam es zu wichtigen Aufführungen, so etwa der Uraufführung von Karlheinz Stockhausens „Gesang der Jünglinge“ am 30. Mai 1956 oder Uraufführungen von Hans Werner Henze und Bernd Alois Zimmermann am 27. November 1958.

Heute steuern digitale Mischpulte eine Windenanlage für 41 Mikrofone. Um einen bestimmten Nachhall zu erzeugen, erhielten die Sessel spezielle Bezugsstoffe und besondere Rückenlehnen. Der vom Haupteingang am Wallrafplatz kommende Besucher betritt ein Vestibül, das zum Haupttreppenhaus und zum Kleinen Sendesaal führt.

Der Kleine Sendesaal fasst 160 Zuschauer. Er wird ganzjährig durch Konzerte ausgelastet. Damit das Glockengeläut des nahegelegenen Doms nicht zu hören ist, sind die acht Sendesäle und zahlreichen Hörfunkstudios mit 50 Zentimeter dicken Wänden schalldicht konstruiert.

Geschichte des Gebäudes

Die Errichtung des Funkhauses war eines der ersten großen Bauvorhaben im kriegszerstörten Köln. Der Bau ging auf Initiative von Hanns Hartmann zurück, der das Amt des Intendanten beim NWDR-Funkhaus Köln am 1. September 1947 von Max Burghardt übernommen hatte. Architekt war Peter Friedrich Schneider. Um rasch Ersatz für das zerstörte Gebäude des ehemaligen Reichssenders in der Dagobertstraße zu schaffen und damit den neuen NWDR am Standort Köln arbeitsfähig zu bekommen, wurde eine Reihe von Bauaufträgen freihändig vergeben, was Kritik des Rechnungshofes der Britischen Besatzungszone nach sich zog.[6] Das Richtfest für das Gebäude am Wallrafplatz 5 fand im Februar 1949 statt. Am Abend des 25. Dezember 1952 wurde aus einem Studio das erste Fernsehprogramm ausgestrahlt (→ Geschichte des Fernsehens in Deutschland). Für geschätzte 200 Fernsehzuschauer im Kölner Raum wurden ein „Kölsch Kreppenspillche“, Volkstänze und Reportagen gesendet.[10] Bei seiner Fertigstellung im Jahre 1952 galt das Funkhaus Wallrafplatz als eines der modernsten Europas;[9] auf sieben Geschossen verfügte es über eine Fläche von 16.000 Quadratmetern. Am 29. Juli 1953 kam der Deutsche Bundestag zu seiner letzten Sitzung in der 1. Wahlperiode im Großen Sendesaal des Funkhauses zusammen, das ihm aufgrund von Umbauarbeiten am Plenarsaal des Bonner Bundeshauses einmalig als Ausweichquartier diente.[11][12]

Die erste Erweiterung des Funkhauses fand in Westrichtung an der Straße An der Rechtschule statt („Studiogebäude“; 1959–1965), weiter in westlicher Richtung entstand das am 27. Juni 1970 in Betrieb genommene Vierscheibenhaus. Eine umfassende Gebäude-Sanierung des ältesten Gebäudes erfolgte zwischen 1987 und 1989,[6] der größte Teil des Gebäudes wurde am 28. Oktober 1994 unter Denkmalschutz gestellt.[13] Besonders die Haupteingangshalle, die beiden Sendesäle, die Fassade am Wallrafplatz und jene An der Rechtschule sind von denkmalpflegerischer Bedeutung. Dazu gehört auch der berühmte Paternosteraufzug, eine Aufzugart, die seit 1974 nicht mehr gebaut werden darf. Er wurde literarisch berühmt durch Heinrich Bölls Erzählung Doktor Murkes gesammeltes Schweigen. Heute dürfen nur noch Mitarbeiter mit ihm fahren, aber er wurde auch noch zu einer Reihe von Kurzinterviews auf WDR 2 genutzt.[14] Im Erdgeschoss befand sich von 1997 bis Juni 2012 das Café Campi des bekannten Kölner Gastronomen, Musikproduzenten und Jazzpromoters Gigi Campi in den Räumen der ehemaligen WDR-Kantine. Danach bekam die Gaststätte einen neuen Pächter und wurde in Funkhaus umbenannt.[15]

Das Funkhaus wird jährlich von 70.000 Besuchern frequentiert und beherbergt einen großen Teil des WDR-Hörfunks. Hier befinden sich Produktionsstudios für Wort- und Musiksendungen, Teile des Schallarchivs, die Hörfunktechnik und die Sendezentrale.[6]

Sonstiges

Auf WDR 5 wurde die Sendung Funkhaus Wallrafplatz – Medien(macher) im Gespräch ausgestrahlt, in der Hörer mit Programmmachern, Prominenten und Medienwissenschaftlern über Programm und Sendepolitik des WDR diskutieren.[16] „Funkhaus Wallrafplatz“ ist die älteste Hörerbeteiligungssendung mit unmittelbaren telefonischen Gesprächskontakten zwischen Hörer und Moderator, ihre Gründungsphase ist verbunden mit Moderator Hasso Wolf. Die Sendung wurde zum 31. Dezember 2015 eingestellt[17].

Weblinks

Commons: WDR Funkhaus Köln – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Peter Fuchs (Hrsg.): Chronik zur Geschichte der Stadt Köln, Band 2, 1991, S. 203.
  2. Wolfram Hagspiel: Namhafte Architekten und ihre Bauten im Kölner Süden: Ludwig Paffendorf (1872–1949), Architekt, Kunstgewerbler und Reformkünstler. In: stadtMagazin Köln-Süd, 23. Jahrgang, Nr. 6/2012, Dezember 2012/Januar 2013, S. 12–15 (hier: S. 14).
  3. Hotel Monopol. Bilderbuch Köln, archiviert vom Original; abgerufen am 10. Dezember 2013.
  4. Werner Strodthoff: Das Funkhaus am Wallrafplatz, in: Klaus Katz, Dietrich Leder, Ulrich Pätzold, Ulrike Ries-Augustin, Günther Schulz, Petra Schulz (Herausgeberkreis und Redaktion): Am Puls der Zeit. 50 Jahre WDR. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2006, ISBN 3-462-03580-0, S. 288 und 291.
  5. Markus Behmer/Bettina Hasselbring, Radiotage, Fernsehjahre: Studien zur Rundfunkgeschichte nach 1945, 2006, S. 301.
  6. a b c d Funkhaus am Wallrafplatz. „Das Funkhaus am Wallrafplatz – Die erste Adresse für Kommunikation in Köln“ WDR Köln, Juli 2001, abgerufen am 9. Dezember 2013.
  7. a b 21. Juni 1952 – Eröffnung des NWDR-Funkhauses in Köln. WDR 1, 21. Juni 2012, abgerufen am 10. Oktober 2013.
  8. Werkverzeichnis, Zeile 1004. (PDF) Orgelbau Klais, Dezember 2013, abgerufen am 17. Dezember 2013.
  9. a b c WDR-Funkhaus am Wallrafplatz, Köln. In: kulturkenner.de. Abgerufen am 12. Juni 2022.
  10. Peter Fuchs (Hrsg.): Chronik zur Geschichte der Stadt Köln, Band 2, 1991, S. 284.
  11. Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll 1/282 (PDF; 1,5 MB)
  12. Carl Dietmar, Gérald Chaix: Chronik Köln. Chronik Verlag, 1997, ISBN 978-3-577-14445-2, S. 450.
  13. Suche in der Denkmalliste. In: stadt-koeln.de. Stadtkonservator Stadt Köln, abgerufen am 12. Juni 2022.
  14. Jürgen Mayer: Promis im Paternoster. In: moderneREGIONAL. 30. November 2000, abgerufen am 12. Juni 2022 (deutsch).
  15. Funkhaus – Café-Restaurant-Bar. Abgerufen am 9. Dezember 2013.
  16. Funkhaus Wallrafplatz. (Nicht mehr online verfügbar.) WDR 5, archiviert vom Original am 12. Dezember 2013; abgerufen am 10. Dezember 2013.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.wdr5.de
  17. Anne Burgmer: "Nach der Reform ist vor der Reform" HÖRFUNK Die werbefreien Wellen WDR 3 und WDR 5 starten 2016 mit einem neuen Programmschema. In: Kölner Stadt-Anzeiger. 1. Dezember 2015, S. 21.

Koordinaten: 50° 56′ 25,3″ N, 6° 57′ 21,5″ O