Gathas

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Die Gathas (oder Gāthās) bezeichnen als Teil des Avesta, der heiligen Schrift des Zoroastrismus, der Lehre des iranischen Religionsstifters Zarathustra, die fünf ältesten Hymnen des Werkes, die als der Person Zarathustras entstammende Abschnitte gelten und als solche sich in sprachwissenschaftlicher und inhaltlicher Hinsicht von den anderen, jüngeren Teilen des Textes unterscheiden. Sie bilden zugleich einen Teil des Yasna, des ersten Buches des Avestas. Eingebettet in die Gathas ist der in rhythmischer Prosa verfasste „siebenteilige“ Yasna (Haptanhaiti[1]).[2]

Das Wort „Gatha“ (Gāθā) bedeutet im Avestischen „Hymne“ oder „Gesang“ und lässt sich auf den Stamm „Gâ“ („dichten“, „singen“) zurückführen. Im Mittel- und im Neupersischen erscheint dieses Wort als Gāh (گاه), im Plural als Gāhān (گاهان), und bedeutet auch „Zeit“ und „Ort“. Das Wort Gāh begegnet uns ebenso in der iranischen Musik, wo es als Nachsilbe in verschiedenen Termini Anwendung findet, so in den Dastgahs Sehgāh[3] und Čahārgāh.[4]

Die Gathas sind im altavestischen Dialekt verfasst[5] und bestehen insgesamt aus 17 Hymnen und bilden die Abschnitte 28–34, 43–46, 47–50, 51 und 53 des Yasnas. Sie werden in die folgenden fünf Abschnitte eingeteilt:

Ahunavaiti Gatha
Uštavaiti Gatha
Spentâ Mainyu Gatha
Vohu Xšathra Gatha
Vahišto Išti Gatha

Diese Einteilung der Gathas erfolgt nicht nach inhaltlichen Gesichtspunkten, sondern im Hinblick auf die Metrik und gemäß formalen Kriterien. Inhalte der verschiedenen Teile einer Gatha stehen teils nicht in einem gemeinsamen Kontext. Dies wird als Hinweis darauf gewertet, dass Zarathustra einem zunächst in Prosa gesprochenen Teil der Liturgie zwecks Verdichtung und Einprägung eine Hymne entsprechenden Inhaltes folgen ließ, was sich auch in der späteren persischen Literatur gut nachweisen lässt, so z. B. bei Saadi (Sa‘dī) in „Golestan“ (Golestān) oder bei Dschami (Jāmī) in „Bahārestan“ (Bahārestān).

Inhaltlich sind die Gathas teils an den Schöpfer Ahura Mazda, teils jedoch auch an offensichtlich anwesende Zuhörer gerichtet. Sie lassen eine deutliche zeitliche Komponente im Leben Zarathustras erkennen, in deren Rahmen seine innere, auf seinen Glauben und Entscheidungsprozesse im Verlauf seines Weges bezogene Entwicklung ebenso wie sein äußerer, biographischer Weg in Erscheinung treten.

In den Gathas formuliert Zarathustra wesentliche Vorstellungen über den Weg des Menschen im Universum und dessen Möglichkeiten, im Einklang mit der Wahrhaftigkeit und der rechten Ordnung (Asha) zu leben und damit einen erfüllten Lebensweg zu beschreiten. Hier werden deutliche Konturen und Inhalte der alt-iranischen Philosophie Zarathustras sichtbar, die teils in einem Gegensatz zu Entwicklungen der späteren zoroastrischen Texte, so zum Beispiel des Vendidads des Avestas, gesehen werden.

Literatur

  • Helmut Humbach: The Gâthâs of Zarathustra. 2 Bände. Heidelberg 1959.
  • Helmut Humbach: The Gâthâs of Zarathustra and the Other Old Avestan Texts. 2 Bände. Heidelberg 1991.
  • Stanley Insler: The Gâthâs of Zarathustra (= Acta Iranica. Band 8). Teheran/Lüttich 1975.
  • D. N. MacKenzie: A Concise Pahlavi Dictionary. Routledge, Curzon 2005.
  • An Intermediate Persian Dictionary. Six Volumes. M. Mo'in. Amir Kabir Publications, 1992.
  • The Heritage of Zarathushtra - New translation of his Gathas. Humbach/Ichaporia. Universitätsverlag C. Winter, 1994.
  • Avesta. Übersetzung des Textes. Jalil Doostkhah. Morvarid, 1996.
  • Encyclopedia Iranica. Herausgegeben von Ehsan Yarshater.
  • Encyclopaedia of Ancient Iran. Hashem-e Razi, Teheran, Sokhan, 2002.
  • Gatha - Die Lehre des Zarathustra. B. Varza. Books on Demand, 2008. ISBN 978-3-8370-8814-4.
  • Übersetzungen: J. Darmesteter, L. H. Mills, F. Wolff. Siehe [1].

Anmerkungen

  1. Vgl. Johanna Narten: Der Yasna Haptaŋhāiti. Reichert, Wiesbaden 1986, ISBN 3-88226-283-4.
  2. Carlo G. Cereti: Die iranischen Sprachen. In: Wilfried Seipel (Hrsg.): 7000 Jahre persische Kunst. Meisterwerke aus dem Iranischen Nationalmuseum in Teheran: Eine Ausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien und des Iranischen Nationalmuseums in Teheran (Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH, Bonn. Skira editore, Milano, Kunsthistorisches Museum Wien). Kunsthistorisches Museum, Wien 2001, S. 31–37, hier: S. 33.
  3. Wörtl. „Ort auf der dritten Stufe [der Tonleiter]“.
  4. Wörtlich „Ort auf der vierten Stufe“ (vgl. vorhergehende Fußnote).
  5. Vgl. Carlo G. Cereti: Die iranischen Sprachen. 2001, S. 33.

Weblinks