German LNG Terminal
Das German LNG Terminal ist ein Projekt zur Errichtung und zum Betrieb eines Flüssigerdgasterminals in Brunsbüttel. Die Bundesregierung befürwortet das Projekt, um durch den Import von Flüssigerdgas (LNG) aus Übersee die Abhängigkeit von Erdgasimporten aus Russland zu vermindern,[1][2] während die Deutsche Umwelthilfe die Errichtung von Flüssigerdgasterminals in Deutschland aus Gründen des Klimaschutzes verhindern will.[3]
Geschichte
Hintergrund
Bisher gibt es in Deutschland kein Terminal für LNG, wie verflüssigtes Erdgas in der Kurzform bezeichnet wird. So wird zum Beispiel das LNG zum Bunkern mit Tank-LKWs aus niederländischen oder belgischen Häfen gebracht. Kleinere LNG-Mengen erreichen Deutschlands Gasnetz über Pipelines aus den nahen europäischen Terminals.
Am 27. Februar 2022 kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz aus Anlass des russischen Überfalls auf die Ukraine im Rahmen einer Sondersitzung des Deutschen Bundestages an, dass in Deutschland kurzfristig zwei LNG-Terminals in Brunsbüttel und Wilhelmshaven errichtet werden sollen.[4] Später beschloss die Bundesregierung den Bau weiterer Terminals.[5] Brunsbüttel ist einer von vier Standorten in Deutschland, an denen ab 2022 sechs schwimmende LNG-Terminals entstehen sollen. Die weiteren Standorte sind zwei Anlagen des LNG-Terminals Wilhelmshaven, das LNG-Terminal Stade und zwei Terminals in Lubmin.
Entwicklung
Das Projekt wird durchgeführt von der German LNG Terminal GmbH, die 2018 als Joint Venture von den drei Unternehmen Gasunie LNG Holding B.V., Vopak LNG Holding B.V. und der Oiltanking GmbH[6] gegründet wurde.
Bereits Anfang 2019 hatte die Bundesregierung durch eine Gesetzesänderung LNG-Terminals mit Pipelines gleichgesetzt. Dies sollte Investoren den Einstieg in solche Projekte erleichtern.[7]
Um das Projekt in eine nächste Phase zu bringen und den Bau des LNG-Terminals in Brunsbüttel zu beginnen, wird die KfW sich als Anteilseigner an dem Projekt beteiligen. Gasunie und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) für die deutsche Bundesregierung unterzeichneten eine entsprechende Absichtserklärung am 4. März 2022.[8]
Um das Terminalprojekt im Interesse einer stabilen Energieversorgung mit Gas zügig und erfolgreich fertigzustellen, sind die bisherigen Gesellschafter einvernehmlich zu dem Ergebnis gekommen, dass Gasunie der beste Partner für die Bundesregierung ist. Die Vopak LNG Holding B.V. sowie die Oiltanking GmbH werden spätestens bis Mai 2022 aus dem Gesellschafterkreis ausscheiden. Der Bund wird sich über die KfW mit 50 Prozent an dem Terminal beteiligen, Betreiberin wird Gasunie, die zu 100 Prozent dem niederländischen Staat gehören. RWE ist Projektpartnerin.[9][10]
Die Bundesregierung hat 2022 über die Unternehmen RWE und Uniper drei schwimmende LNG-Terminals (Floating Storage and Regasification Units, FSRU) optioniert, um die Versorgungssicherheit in Deutschland weiter zu erhöhen. Die Unternehmen sind derzeit (2022) in den Vertragsverhandlungen über die Anmietung dieser schwimmenden LNG-Terminals.[11]
Bei einem Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in den Vereinigten Arabischen Emiraten wurde am 25. September 2022 bekanntgegeben, das von dort eine erste LNG-Lieferung im Dezember 2022 in Brunsbüttel eintreffen soll. Sie ist mit 1,37 Millionen Kilowattstunden vergleichsweise gering im Verhältnis zu der mit der Pipeline Nord Stream 1 transportierten Menge, die sich Anfang 2022 auf täglich 1,7 Millionen Kilowattstunden belief.[12]
Planung
Betriebliches Konzept
Geplant sind Bau und Betrieb eines LNG-Terminals zur Entladung von LNG-Tankern mit Anlegemöglichkeiten für zwei Schiffe bis zur QMax-Größe (auch Qatar-Max), also Schiffe, die gerade noch den Hafen von Ras Laffan in Katar anlaufen können. Sie sind 345 m lang, 53,8 m breit und können rund 266.000 m³ verflüssigtes Erdgas transportieren. Es wird über zwei LNG-Tanks mit einer Kapazität von jeweils 165.000 m³ verfügen und ausgestattet sein zur Entladung von Schiffen, zur Regasifizierung, zur Einspeisung ins Erdgasnetz und den Weitertransport in Tankkraftwagen, Kesselwagen der Eisenbahn und in Bunkerschiffen.
Das in Brunsbüttel geplante Importterminal für verflüssigtes Erdgas (LNG) kann perspektivisch auch zum Aufbau einer Infrastruktur für Wasserstoff und grüne Gase beitragen. Zu diesem Schluss kam eine Untersuchung der Technischen Universität Hamburg (TUHH).[13]
Standort
Als Standort ist Brunsbüttel geplant, da die Elbe und der Nord-Ostsee-Kanal wichtige Wasserstraßen sind. Die Ostsee, die skandinavischen und baltischen Häfen sind gut erreichbar und besonders Hamburg als größter deutscher Hafen ist nahe gelegen. In direkter Nachbarschaft westlich des vorgesehenen Bauplatzes befindet sich die Sondermüllverbrennungsanlage Sava. Östlich grenzt das stillgelegte Kernkraftwerk Brunsbüttel an. Nördlich beginnt jenseits der Kreisstraße 75 das Industriegebiet „Chemcoast Park“.
Die Bürger der Region wurden frühzeitig (Februar 2019) informiert und beteiligt.[14] Die Deutsche Umwelthilfe hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, demzufolge der Standort Brunsbüttel möglicherweise nicht realisiert werden kann.[15] Die Grünen in Schleswig-Holstein lehnen einen staatlichen Zuschuss für das Projekt ab.[16]
Wirtschaftliches Konzept
German LNG plant das Terminal nach dem Betreibermodell Build, Own, Operate. Die Gesellschaft vermietet die Kapazität ihres Lagers, hält jedoch kein Eigentum an der gelagerten Ware. Sie bezeichnet sich entsprechend selbst als „unabhängiger Betreiber“.[17] Der Betreiber bietet einen „offenen und diskriminierungsfreien Zugang“, hat also weder Kenntnis von noch Einfluss auf die Herkunft des LNG. Am 6. September 2018 hat German LNG mit RWE Supply and Trading einen Vorvertrag „Heads of Agreement“ über einen unbestimmten Teil der Gesamtkapazität des Terminals abgeschlossen.[18] Mit dem Schweizer Energieunternehmen Axpo wurde im Mai 2019 ebenfalls ein Vorvertrag über Kapazitäten geschlossen.[19] Die geplante Regasifizierungskapazität entspricht der Umschlagkapazität, sodass ein Absatz des Produkts in flüssiger Form nicht erforderlich ist.
Bauphase
Am 19. September 2022 hat das Amt für Planfeststellung Energie (ein seit 2013 dem Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur des Landes Schleswig-Holstein zugeordnetes Amt) dem Vorhabenträger Gasunie die Plangenehmigung für den Bau einer drei Kilometer langen Gasleitung (ETL 185) erteilt. Die Leitung wird das schwimmende Flüssiggasterminal mit dem schleswig-holsteinischen Gasverteilnetz verbinden. Durch den Erhalt der Plangenehmigung darf Gasunie offiziell mit den Bauarbeiten beginnen.[20][21]
Kritik
Die Organisation Ende Gelände rief im Sommer 2021 zu einer groß angelegten Protestaktion gegen das geplante LNG-Terminal sowie generell gegen fossile Infrastruktur in Brunsbüttel auf.[22] Ende Gelände und andere Organisationen[23] aus der Klimagerechtigkeitsbewegung kritisieren die Technik des Frackings und die neokolonialen Strukturen hinter dem Gasimport: „Während die Vorteile von billigem Gas nach Europa gebracht werden, werden die sozialen und ökologischen Negativfolgen in Länder des Globalen Südens ausgelagert.“ Nach Angaben von Ende Gelände beteiligten sich an einem Aktionswochenende im Juli 2021 mehr als 2000 Personen an den Blockaden. Es war Teil eines weltweiten Aktionsaufrufs, zu dem in 13 Ländern 23 Aktionen stattfanden, unter anderem in Südamerika, Nordamerika und Europa.[24]
Die Deutsche Umwelthilfe wendet sich aus Klimaschutzgründen gegen den Bau von Flüssigerdgas-Terminals in Deutschland[3] und hat eine Klage gegen den geplanten Bau eines Terminals in Brünsbüttel angekündigt.[25]
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Deutschland baut zwei LNG-Terminals. In: n-tv NACHRICHTEN. 27. Februar 2022 .
- ↑ Scholz zu Ukraine und Angriffen aus Russland | Bundestag-Sondersitzung. In: Youtube: Tagesschau Live. 27. Februar 2022 .
- ↑ a b Keine LNG-Terminals für fossiles Gas! Deutsche Umwelthilfe e.V., Juli 2021 .
- ↑ Debatte zur Regierungserklärung des Kanzlers bei zdf.de vom 27. Februar 2022
- ↑ Weitere LNG-Terminals in Stade und Lubmin bei tagesschau.de vom 19. Juli 2022
- ↑ Freistellungsentscheidung für LNG-Terminal. In: Schiff & Hafen, Haft 1+2/2021, S. 9
- ↑ Klaus Stratmann: Bundesregierung erleichtert den Bau von LNG-Terminals. In: handelsblatt.com. 26. März 2019, abgerufen am 15. Juni 2022.
- ↑ German LNG Terminal mit veränderter Gesellschafterstruktur in Phase der Umsetzungsplanung / „Mit Hochdruck voranschreiten“. 5. März 2022 .
- ↑ Flüssiggas: Absichtserklärung für LNG-Terminal in Brunsbüttel unterzeichnet. Die Pläne für das Flüssiggas-Importterminal in Brunsbüttel werden konkreter. Das niederländische Unternehmen Gasunie soll das Terminal betreiben. In: Handelsblatt. 5. März 2022 .
- ↑ KfW, Gasunie und RWE unterzeichnen MoU zur Errichtung eines LNG-Terminals in Brunsbüttel. KfW, 7. März 2022 .
- ↑ Drei Schwimmende LNG-Terminals (FSRU) für Deutschland Fortschrittsbericht Energiesicherheit
- ↑ Deutschland erhält Flüssiggas aus den Emiraten bei tagesschau.de vom 25. September 2022
- ↑ Thorsten Czechanowsky: LNG-Terminal Brunsbüttel mit Option zum Wasserstoff-Hub. 1. September 2021 .
- ↑ Informationen zur Bürgerbeteiligung
- ↑ Bericht in der DVZ
- ↑ Henning Baethge: LNG-Terminal in Brunsbüttel: 50 Millionen für LNG-Terminal | shz.de. In: SHZ. 17. Mai 2019 .
- ↑ German LNG Terminal-Projektpräsentation. (PDF) 3. Juli 2018 .
- ↑ RWE und German LNG Terminal vereinbaren Kapazitätsvertrag für erstes deutsches LNG-Terminal. RWE Supply & Trading GmbH, 6. September 2018, archiviert vom Original .
- ↑ Axpo und German LNG Terminal vereinbaren Heads of Agreement über einen Kapazitätsvertrag. 6. Mai 2019 .
- ↑ Baurecht für kleine Gasleitung am Standort Brunsbüttel. In: Pressemitteilungen. Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur des Landes Schleswig-Holstein, 19. September 2022, abgerufen am 24. September 2022.
- ↑ Plangenehmigung. In: Online-Portal der Planfeststellungsverfahren in Schleswig-Holstein. Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein, Kiel, 19. September 2022, abgerufen am 24. September 2022.
- ↑ Pressemitteilung vom 31.07.2021 um 9:00 Uhr. Ende Gelände, 31. Juli 2021 .
- ↑ Demo in Brunsbüttel: „Sauberes Gas ist eine dreckige Lüge!“ Gemeinsame Pressemitteilung von Klimabündnis gegen LNG, Grüne Jugend und ROBIN WOOD. 23. Juli 2021 .
- ↑ Pressemitteilung vom 1.8.2021 13:00 Uhr. Ende Gelände, 1. August 2021 .
- ↑ Deutsche Umwelthilfe fordert sofortigen Planungsstopp: Geplantes Terminal für Fracking-Gas aus den USA ist nicht genehmigungsfähig. 28. Mai 2019 .
Koordinaten: 53° 53′ 42″ N, 9° 11′ 20″ O