Gesetz über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens

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Anwendung durch Regierungsdirektor Georg Meydam infolge der Einweisung von 30 Personen aus dem Regierungsbezirk Königsberg ins Zigeunerlager Auschwitz. Reichsanzeiger, 16. November 1943

Das Gesetz über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens wurde am 14. Juli 1933 von der Reichsregierung (kraft Ermächtigungsgesetzes) beschlossen, um „sozialdemokratischen Umtrieben dienendes Vermögen einer staatsfeindlichen Verwendung auf Dauer zu entziehen“ (Reichsgesetzblatt 1933 I S. 479).

Das Gesetz schrieb vor, dass entsprechend dem am 26. Mai 1933 beschlossenen Gesetz über die Einziehung kommunistischen Vermögens (Reichsgesetzblatt 1933 I S. 293) ebenso volks- und staatsfeindliches Vermögen einzuziehen war. Als volksfeindlich galten – wie zuvor die Kommunistische Partei Deutschlands – nunmehr auch die Sozialdemokratische Partei Deutschlands und ihre Hilfs- und Ersatzorganisationen sowie Sachen und Rechte, die zur Förderung marxistischer oder anderer, nach Feststellung des Reichsministers des Innern volks- und staatsfeindlicher Bestrebungen gebraucht oder bestimmt waren.

Entschädigung für eingezogene Gegenstände sahen beide Gesetze nicht vor, es sei denn, es handelte sich um Anrechte Dritter, denen Bestrebungen im Sinne des Gesetzes nicht nachzuweisen waren.

Anwendung für jüdisches Vermögen

Bei den Deportationen – beispielsweise bei der sogenannten Fabrikaktion von 1943 – wurde unter anderem auch auf dieses Gesetz zurückgegriffen. Die im Sammellager festgehaltenen Juden, die in das Ghetto von Theresienstadt transportiert werden sollten, erhielten vom Gerichtsvollzieher eine förmliche Verfügung ausgehändigt, durch die ihr gesamtes Vermögen eingezogen wurde.[1] In einer solchen Verfügung heißt es:

„Auf Grund des § 1 des Gesetzes über den Einzug kommunistischen Vermögens vom 26. Mai 1933 … in Verbindung mit dem Gesetz über den Einzug volks- und staatsfeindlichen Vermögens vom 14. Juli 1933 […] wird in Verbindung mit dem Erlass des Führers und Reichskanzlers über die Verwertung des eingezogenen Vermögens von Reichsfeinden vom 29. Mai 1941 (RGBl 1941 I, 303) das gesamte Vermögen entzogen der Jüdin XY …“[2]

Aus dem Wortlaut dieser genannten Gesetze und Erlasse lässt sich ein Vermögensentzug nicht unmittelbar ableiten. Nur wenn das jüdische Vermögen pauschal als „volks- und staatsfeindlich“ gilt und Juden zu Reichsfeinden erklärt werden, ist diese Konstruktion möglich. Bei anderen Transportzielen war die Einzelfallentscheidung nicht erforderlich, weil beim Überschreiten der deutschen Staatsgrenze die 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz griff, die den Entzug der Staatsangehörigkeit und zugleich des Vermögens vorschrieb.

Außerkraftsetzung

Dieses Gesetz wurde aufgehoben durch bzw. infolge der Wiederzulassung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands durch Gesetze der Zonenbefehlshaber im Juli 1945.[3]

Weblinks

Fußnoten

  1. Wolf Gruner: Widerstand in der Rosenstraße… Frankfurt/M. 2005, ISBN 3-596-16883-X, S. 68.
  2. als Dokument abgedruckt bei Hans Günther Adler: Die verheimlichte Wahrheit. Theresienstädter Dokumente. Tübingen 1958, S. 61 / Text auch in Walther Hofer: Der Nationalsozialismus. Dokumente 1933–1945. FiTb 6084, überarb. Neuausgabe Frankfurt/M. 1982, ISBN 3-596-26084-1, S. 298f = [172]
  3. Vgl. Gesetz über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens auf verfassungen.de, abgerufen am 22. März 2016.