Gliederzug (Schiene)

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Oben: Konventioneller Zug
Mitte: Gliederzug mit Jakobs-Drehgestellen
Unten: Gliederzug System Talgo
Wagen des Euromed, die mit Jakobs-Drehgestellen miteinander verbunden sind

Ein Gliederzug ist ein Zug, dessen Wagen sich auf gemeinsame Laufwerke abstützen. Sie können im normalen Eisenbahnbetrieb nicht voneinander getrennt werden und finden heute im Personenverkehr sowohl im Hochgeschwindigkeitsverkehr wie im Nahverkehr Verwendung. Gegenüber Zügen aus konventionellen Reisezugwagen haben Gliederzüge ein geringeres Leergewicht, da für die gleiche Zuglänge weniger Laufwerke benötigt werden. Die meisten Gliederzüge sind mit Jakobs-Drehgestellen ausgeführt, welche zugleich die Wagenkästen miteinander verbinden. Bei Zügen, welche kurze Wagenkästen verwenden, können diese gegenüber herkömmlichen Reisezugwagen breiter gebaut werden, so dass das Lichtraumprofil besser ausgenutzt wird. Nachteilig sind die im Vergleich zu konventionellen Zügen höheren Achslasten[1] und die fehlende Möglichkeit, den Zug an das Verkehrsaufkommen anzupassen. Im Schienengüterverkehr wird das Prinzip bei zweiteiligen Flachwagen und mehrteiligen Doppelstock-Containertragwagen angewendet.

Geschichte

Die ersten Gliederzüge wurden in den 1930er Jahren gebaut. Frühe Beispiele waren in Deutschland die Doppelstock-Stromlinien-Wendezüge der Lübeck-Büchener Eisenbahn (LBE) oder der Fliegende Hamburger, in Amerika der von Goodyear gebaute Comet der New York, New Haven and Hartford Railroad.

In den 1940er Jahren wurde in Spanien die Gliederzüge der Bauart Talgo entwickelt. Bei diesem System weisen die Zwischenwagen an einem Ende einen Losradsatz auf, während sich das andere Ende auf dessen Nachbarwagen abstützt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg folgten die Doppelstockeinheiten vom Waggonbau Görlitz. Geliefert wurden sie an die Deutsche Reichsbahn sowie die tschechoslowakische und polnische Staatsbahn. Auch Bulgarien und Rumänien wurden beliefert, in die Sowjetunion gelangte nur ein Prototyp. Sie folgten in ihrem Grundkonzept dem der Doppelstockwendezüge der LBE. Zur Einhaltung der Achsfahrmasse auch auf Strecken mit leichtem Oberbau erhielten diese Einheiten jedoch dreiachsige Jakobsdrehgestelle. Ursprünglich vierteilig, wurden später einige zweiteilige Einheiten gefertigt. Spätere Nachlieferungen erfolgten nur noch vierteilig, ab 1971 auch mit Steuerabteil zur Verwendung der Einheiten als Wendezüge. Ältere Garnituren wurden dazu mit Führerständen nachgerüstet. Wendezugfähige Einheiten wurden allerdings nur bei der DR eingesetzt. Die Lieferungen ab 1971 sind an der Leichtbaukonstruktion der Wagenkästen mit inneren Aussteifungen, die auch die Sitze tragen und damit am Sitzteiler 2+2 zu erkennen. Die Reichsbahn bezeichnete die Einheiten mit DB13, ab 1970 DBv und DB7, ab 1970 DBz, zuletzt DBx, als Doppelstockzüge. 1959 erschienen die ersten fünfteiligen DGB12, ab 1970 DGBe für die Mittel- und DGBse für die Endwagen, mit Regeldrehgestellen unter den Zwischenwagen DGZ. Sie waren für den Fernverkehr vorgesehen und wurden vom Hersteller und dann auch vom Betreiber als Doppelstockgliederzüge bezeichnet. Bei diesen Einheiten liefen die Endwagen am Betriebskuppelende auf zweiachsigen Drehgestellen, zwischen den Wagenkästen waren kurze, separate Zwischenwagen eingefügt, die lediglich den Einstiegsraum beinhalteten und auf einem Drehgestell liefen. Die Mittel- und Endwagen stützten sich auf den Zwischenwagen ab, diese wurden über Lenkerstangen in den Dachschrägen horizontal und vertikal winkelhalbierend geführt. Durch diese Konstruktion zeichneten sich die Doppelstockgliederzüge durch einen nie wieder erreichten Doppelstockanteil von 80 % der Einheitslänge und durch einen wank- und schlingerfreien Lauf aus. Für die Verbindung mit den ebenfalls doppelstöckigen Generator- und Büfettwagen erhielten die Endwagen der Bauart 1959 hochliegende Übergänge. Ein Nachteil des hohen Platzangebotes war die Achslast der Zwischenwagen. Trotz konsequentem Leichtbau überschritt sie bei 200 % Besetzung selbst die auf Hauptbahnen zulässigen Werte.

Eine weitere Bauart Doppelstockgliederzüge wurde 1970 geliefert. Sie sollten nur noch im Regionalverkehr eingesetzt werden. Damit und weil an die Achslager angeflanschte leichte Drehstromklauenpolgeneratoren verfügbar geworden waren, waren die besonderen Generator- und Büfettwagen nicht mehr erforderlich. Dadurch wurden die hochliegenden Wagenübergänge entbehrlich. Der möglichen Achslastüberschreitung begegnete man durch die Verkürzung der Mittel- und Endwagen um je ein Abteil. Die Mehrzahl der Einheiten erhielt an einem Endwagen einen Führerstand für den Wendezugbetrieb. An den führerstandsfreien Enden wurde ein UIC-Wagenübergang eingebaut.

Bei der Deutschen Bundesbahn wurden in den 1950er Jahren zwei Gliederzüge der Baureihe VT 10.5 beschafft, denen kein Erfolg beschieden war. Die Züge mit sechs Dieselmotoren pro Zug waren zu wartungsintensiv und störungsanfällig.

In Frankreich wurden die im Hochgeschwindigkeitsverkehr eingesetzten TGVs als Gliederzüge ausgeführt. Ihre Wagenkästen sind kürzer und breiter im Vergleich zu normalen Reisezugwagen.

Beispiele

Gliederzüge mit Jakobs-Drehgestellen:

Gliederzüge anderer Bauarten:

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Jürgen Janicki, Horst Reinhard: Schienenfahrzeugtechnik. Bahn Fachverlag, 2008, ISBN 978-3-9808002-5-9, S. 522–.