Gordiene

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Gordiene (Urartu)
Diyarbakır
Nusaybin
Zaxo
Grenzen der Carduene

Gordiene (altgriechisch Γορδυηνή), auch bekannt als Corduene, Carduene, Gorduene, Cordyene, Cardyene, Gordyaia, Korduene, Korchayk und Girdiyan, bezeichnet einen antiken Staat im nördlichen Mesopotamien, in der heutigen Region Kurdistan. Gordiene lag südöstlich von Großarmenien. Nach der Encyclopædia Britannica ist Gordiene der antike Name der Region von Bohtan (Provinz Şırnak).[1]

In syrischen Quellen wird es als Beth Qardū und kleiner Vasallenstaat zwischen Armenien und Persien bezeichnet. Es soll in der bergigen Region um den Van-See in der heutigen Türkei gelegen haben. Der Staat erstreckte sich bis an das linke Tigrisufer.

Ursprung des Namens

Der Name Corduene ist möglicherweise von dem Stamm der Karduchoi (Καρδουχοι) abgeleitet, den Xenophon in der Anabasis (4,18) erwähnt. Die unterschiedlichen Namen rühren wahrscheinlich von der schwierigen Transkription des „ch“ im Lateinischen her. Der Name Karduchoi könnte auch aus dem Armenischen stammen, da die Silbe -choi oft das armenische Pluralsuffix -kh ersetzt. Die Bewohner der Region sprachen vermutlich eine iranische Sprache[2] und waren nach Ansicht von Mekerdich Chahin Nachfahren der Meder.[3] Laut Xenophon hingegen sprachen die Karduchoi einen skythischen Dialekt.

Erwähnung in römischen Quellen

Der römische Historiker Strabon (11, 747) setzt Gordiaia und die Gordini mit den Karduchoi Xenophons gleich. Strabo verwendete den Begriff Gordiene (Γορδυηνη:Gordiene oder Γορδυαια ορη:Gordiaea) für die Berge zwischen Diyarbakır und Muş. Die größten Städte sollen Sareisa (Şarış) bei Ergani, Satalka und Pinaka (16.1.24) gewesen sein. Pinaka wird mit Finek, Cizre oder Eski Yapi identifiziert.[4] Ammianus Marcellinus erwähnt es als Phaenicha in der Zabdikene, die syrische Bezeichnung war Phenek.[5] Nach Strabo waren die Gordini große Baumeister und als Experten im Belagerungswaffenbau bekannt. Auch das Carduene der römischen Quellen wird mit der Gordiene identifiziert. Ammianus Marcellinus besuchte die Region auf einer diplomatischen Reise. Plinius nennt einen König Zarbinios (Naturalis historia 6, 44).

Das Corduene oder Carduene der römischen Quellen war eine Landschaft im Zagros oder dem armenischen Hochland. Sie lag zwischen Arzanene im Westen, Zabdiene im Süden, Adiabene im Südosten, der Sophene im Südwesten, Moxoene und Armenien im Norden. Driver beschreibt sie als das Bergland zwischen Diyarbakır, Nusaybin und Zaxo.[6]

Nach der Kirchengeschichte des Philostorgius (III, 7, auch bei Nikephorus Kallistos) entspringen in der Carduene, gegenüber von Syrien, zahlreiche Nebenflüsse des Tigris'. Iulius Honorius' Cosmographia kennt eine Stadt Corduena, die von den Flüssen Chrysorroas und Tigris umflossen wird[7].

Die Bewohner der Carduene werden meist mit dem Karduchoi des Xenophon (Anabasis) und Strabons Gordiene gleichgesetzt. Nach Plinius[8] grenzen die Karduchoi an die Azoni, die Driver bei Ḥazzu vermutet[9], an. Auch das Qardū der frühen syrischen Quellen entspricht vielleicht der Carduene[10]. Corduene lag in den Ländern Sems.[11] Dieses Qardū ist allerdings das Land, in dem Noahs Arche landete und sollte daher eher in der Gegend des Ararat oder des Cudi Dağı liegen.

Geschichte

Königreich Corduene 60 v. Chr.

189 bis 90 v. Chr. war Gordiene ein unabhängiger Staat. Danach herrschten Phraates III. von Parthien wie auch Tigranes II. von Armenien über das Land. Unter Gnaeus Pompeius Magnus wurde es von den Römern erobert. Nachdem Tigranes die Städte zerstört hatte und Teile der Bevölkerung nach Tigranocerta umsiedelte, gab es keinen Widerstand mehr gegen die armenische Herrschaft. 69 v. Chr. plante Zarbienus, König von Gordiene, einen Aufstand gegen Tigranes. Er rief mithilfe von Appius Claudius Pulcher Rom um Unterstützung an, aber der Aufstand schlug fehl und Zarbienus wurde von Tigranes getötet. Danach ließ Lucius Licinius Lucullus ein Denkmal für Zarbienus aufstellen und eroberte Gordyene.

Nach Pompeius’ Erfolgen gegen Pontos und Armenien drang dieser bis zum Euphrat vor und forderte Gordyene von den Parthern zurück. Da diese einem Konflikt mit Rom aus dem Weg gehen wollten, konnte der von Pompeius geschickte Afranius das Gebiet ohne Kampf einnehmen. Die verbliebenen Parther wurden aus dem Land vertrieben. Der Staat wurde ein römischer Vasall.

Im 3. Jahrhundert eroberte Diokletian das Land erneut und die römische Zugehörigkeit des Gebiets wurde in einem Friedensvertrag zwischen Rom und Persien bestätigt. Der Name der Provinz taucht erneut auf in den Berichten über eine Schlacht zwischen den Persern unter Schapur II. und Rom unter Julian. Unter Jovian (363–364) gaben die Römer Gordiene auf, nachdem sie auch Seleukia-Ktesiphon nicht einnehmen konnten.

Infolge des Sieges über Narseh 296 wurde ein Friedensvertrag unterzeichnet, der das nördliche Ufer des Tigris mit Gordiene dem römischen Einflussbereich zuschlägt. Im Frühling 360 begann Schapur II. einen Feldzug, um die Stadt (Singara) einzunehmen. Die Stadt fiel nach einigen Tagen Belagerung. Nach diesem Sieg setzte Schapur seinen Weg nordwärts fort, ließ Nisibis links liegen und griff die Festung Bezabde (Cizre oder Eski Hendek)[12] an. Diese Festung kontrollierte die Region am Tigris, an der dieser aus dem Bergland in die Ebenen fließt und wo viele Handelswege entlanglaufen. Daher war die Burg von den Römern mit einer doppelten Mauer ausgebaut und drei Legionen besetzt worden. Mit einem Trick gelang es Schapur, die Mauern zu überwinden, doch kam es zu einer Schlacht, an deren Ende die Stadt eingenommen und die Verteidiger niedergemetzelt wurden.

Heute gehört das Gebiet zur Türkei. Die Bewohner Gordienes werden oft als Vorfahren der heutigen Kurden angesehen.

Zeitleiste

Siehe auch

Literatur

  • Adolf Baumgartner: Γορδυηνή. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band VII,2, Stuttgart 1912, Sp. 1594 f.
  • Michał Marciak: Sophene, Gordyene, and Adiabene. Three Regna Minora of Northern Mesopotamia Between East and West (= Impact of Empire. Band 26). Brill, Leiden/Boston 2017, ISBN 978-90-04-35070-0, S. 161–254 (fachwissenschaftliche Rezension).
  • Gordyene. In: Richard D. Sullivan: Near Eastern Royalty and Rome. 1990.
  • Hans Treidler: Gordyaia. In: Der Kleine Pauly (KlP). Band 2, Stuttgart 1967, Sp. 847.
  • Josef Wiesehöfer: Gordyaia. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 4, Metzler, Stuttgart 1998, ISBN 3-476-01474-6, Sp. 1149.
  • G. R. Driver: The dispersion of the Kurds in ancient times. Journal of the Royal Asiatic Society of Great Britain and Ireland 4, Oktober 1921, S. 563–572.

Einzelnachweise

  1. Darius. In: Encyclopædia Britannica. 11. Auflage. Band 7: Constantine Pavlovich – Demidov. London 1910, Abschnitt Darius III., Codomannus, S. 833 (englisch, Volltext [Wikisource]).
  2. utexas.edu
  3. M. Chahin: Before the Greeks. Lutterworth Press, Cambridge 1996, ISBN 0-7188-2950-6, S. 109
  4. Nigel Pollard, Soldiers, cities, and civilians in Roman Syria 2000, Ann Arbor, University of Michigan Press, 2000, 288. ISBN 0-472-11155-8
  5. P. M. Michèle Daviau, John William Wevers, Michael Weigl, Paul-Eugène Dio (Hrsg.): The world of the Aramaeans III: Studies in Language. and Literature in Honour of Paul-Eugène Dion. Sheffield Academic Press, Sheffield 2001, S. 173
  6. G. R. Driver, S. 564
  7. G. R. Driver, S. 565
  8. Naturalis historia, 5, 30, 118
  9. G. R. Driver, S. 564
  10. G. R. Driver, S. 563
  11. G. R. Driver, S. 565
  12. Nigel Pollard: Soldiers, cities, and civilians in Roman Syria. 2000, S. 288
  13. Raymond Van Dam: Kingdom of Snow: Roman rule and Greek culture in Cappadocia. University of Pennsylvania Press, Philadelphia 2002
  14. my.raex.com