Großer Zapfenstreich

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Großer Zapfenstreich zum Anlass des fünfzigsten Gründungstages der Ramstein Air Base (2002)
Großer Zapfenstreich auf dem Gelände des Bundesministeriums der Verteidigung in Bonn (2002)

Der Große Zapfenstreich ist eine feierliche, am Abend abgehaltene Militärzeremonie, die von einer speziellen, nur für diesen Zweck vorgesehenen Formation aus Militärmusikern, Bewaffneten und Fackelträgern durchgeführt wird. Er ist das protokollarisch höchstrangige militärische Zeremoniell der Bundeswehr und gilt als höchste Auszeichnung, welche die deutschen Streitkräfte einer Zivilperson zuteilwerden lassen können. Grundsätzlichen Anspruch auf eine Verabschiedung durch einen Großen Zapfenstreich haben Bundespräsident, Bundeskanzler und Bundesverteidigungsminister. Militärs im Range eines Generals oder Generalleutnants (bzw. eines Admirals oder Vizeadmirals) steht ebenfalls ein Zapfenstreich bei ihrem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst zu.

In seinem Ablauf stellt er eine Kunstform des ursprünglichen militärischen Zapfenstreichs dar und wird heute insbesondere zur Ehrung von Persönlichkeiten, vereinzelt bei öffentlichen Gelöbnissen, bei Verbandsjubiläen sowie zum Abschluss großer Manöver abgehalten. Die Gesamtdauer beträgt etwa 20 Minuten.

Besondere öffentliche Aufmerksamkeit erhalten regelmäßig die Großen Zapfenstreiche zur Verabschiedung der aus dem Amt geschiedenen führenden Bundespolitiker. Tatsächlich findet die Mehrzahl der jährlich in Deutschland abgehaltenen Großen Zapfenstreiche aber ohne größere mediale Resonanz statt. In Deutschland wird das Zeremoniell jährlich etwa 20- bis 30-mal von der Bundeswehr durchgeführt.

Geschichte

Wenn die Landsknechte zur festgesetzten Abendstunde in das Lager zurückkehren sollten, ging ein Offizier, begleitet von einem Pfeifer oder Trommler, durch die Gaststuben und schlug mit seinem Stock auf den Zapfen des Fasses. Danach durfte der Wirt keine Getränke mehr ausgeben und die Soldaten mussten in die Zelte. Diesen musikalischen Befehl nannten die Landsknechte „Zapfenstreich“. Wer sich ihm widersetzte, wurde hart bestraft. Der Begriff des Zapfenstreiches wurde erstmals 1596 erwähnt. Der sächsische Obristleutnant Johann Friedrich von Flemming beschrieb 1726 diesen militärischen Brauch erstmals ausführlich in seinem Buch „Der vollkommene teutsche Soldat“.

Der Große Zapfenstreich in seiner heutigen Form entstand in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der preußische König Friedrich Wilhelm III. ordnete während der Befreiungskriege 1813 die Ausweitung des Zapfenstreiches um das Präsentieren des Gewehrs, ein stilles Gebet und das Blasen eines Militärliedes an. Er folgte damit dem Beispiel Russlands, Österreichs und Schwedens. Nicht überliefert ist, welches Musikstück ursprünglich als Gebet gespielt wurde; schon bald setzte sich allerdings der noch heute verwendete Choral Ich bete an die Macht der Liebe durch.

Die seit der Ausweitung mehrfach veränderte Form des Großen Zapfenstreiches mit musikalischem Gebet und Militärmusik stellte der damalige Musikdirektor des Musikkorps des preußischen Gardekorps Wilhelm Wieprecht zusammen. Seine erste Aufführung fand am 12. Mai 1838 in Berlin zu Ehren des russischen Zaren Nikolaus I. statt. Nach der Gründung des deutschen Kaiserreiches 1871 wurde – bei Anwesenheit des Monarchen – vor dem Gebet die Kaiserhymne Heil dir im Siegerkranz intoniert. Seit 1922 erfolgte zum Abschluss der Zeremonie das Abspielen der deutschen Nationalhymne. Inzwischen wird bei Anwesenheit hoher ausländischer Gäste oder Truppenteile auch deren Nationalhymne gespielt.

1938 komponierte der Musikinspizient der Deutschen Polizei Wilhelm Schierhorn den sogenannten Großen Zapfenstreich der Deutschen Polizei, der 1939 veröffentlicht und 1940 in den Großen Abendruf der Deutschen Polizei umbenannt wurde. Unter dem letzten Titel ging die Komposition in die Geschichte der deutschen Polizeimusik ein. Dieses Zeremoniell diente vor allem dem neuen ideologischen Charakter des Polizeidienstes im sogenannten Dritten Reich und sollte die Eigenständigkeit der Polizei im Verhältnis zur Wehrmacht auch in musikalischer Hinsicht untermauern. Das gesamte Werk wurde im Gegensatz zu Wieprechts Zeremonie von Schierhorn allein konzipiert und ausgearbeitet. Die Aufführung war nur für die Musikkorps der Polizei und der Allgemeinen-SS vorgesehen.[1]

Auch die DDR führte 1962 den Großen Zapfenstreich wieder ein. 1981 wurde er um „Elemente des progressiven militärischen Erbes“ ergänzt, beispielsweise um das Lied Für den Frieden der Welt des sowjetischen Komponisten Dmitri Schostakowitsch (siehe Großer Zapfenstreich der Nationalen Volksarmee).

Personal

Die Ausführung des Großen Zapfenstreiches obliegt mindestens einem Musikkorps mit angeschlossenem Spielmannszug, zwei Zügen Begleitkommando unter Gewehr und einer Begleitformation aus Fackelträgern. Bereits vor dem Aufmarsch des Großen Zapfenstreichs ist am Ort des Geschehens die sogenannte „Perlenkette“, eine zusätzliche Linie von Fackelträgern, die den Zapfenstreich im Hintergrund rahmt, angetreten. Die gesamte marschierende Abteilung wird vom Kommandierenden während des Zeremoniells als „Großer Zapfenstreich“ angesprochen; der Begriff bezeichnet also sowohl das Zeremoniell an sich als auch die daran beteiligten Soldaten.

Bei den Großen Zapfenstreichen zur Verabschiedung der führenden Bundespolitiker oder ranghoher Militärs wird die Zapfenstreich-Formation üblicherweise vom Wachbataillon gestellt, da dessen besonders hoher Ausbildungsstand im Bereich Formaldienst sowie die nur noch dort verwendeten historischen Exerziergriffe mit dem Gewehr einen besonders hohen Schauwert besitzen. Ein großer Teil der durch die Bundeswehr aufgeführten Zapfenstreiche wird jedoch auch von regulären Truppenteilen durchgeführt (insbesondere bei Verbandsauflösungen, -verlegungen oder -jubiläen) – hierzu sind dann im Vorfeld zeitaufwendige Vorübungen nötig, da der komplexe Ablauf eines Zapfenstreichs mit den speziellen Kommandos und Abläufen nicht Teil der allgemeinen Formalausbildung der Bundeswehr ist. Häufig erfolgt in diesen Fällen eine Ausbildungsunterstützung durch das Wachbataillon.

Das heute von der Bundeswehr ausgeführte Zeremoniell schließt vor dem Beginn des eigentlichen Zapfenstreiches eine sogenannte Serenade ein (s. u.), die an sich nicht zum Ablauf des eigentlichen Großen Zapfenstreiches gehört, aber insbesondere im Fall einer Aufführung zur Ehrung einer Einzelperson dem Ablauf eine jeweils individuelle Prägung verleihen soll.

Elemente

Die Elemente des Großen Zapfenstreiches sind folgende:

  • Der Aufmarsch des Großen Zapfenstreiches mit dem Yorckschen Marsch und der Meldung an die zu ehrende Persönlichkeit bzw. den protokollarisch höchstrangigen Anwesenden durch den Leitenden.
  • Nach dem Kommando „Serenade!“ die Serenade, eine Aufführung von bis zu vier Musikstücken, die die zu ehrende Person auswählen darf. Wird der Große Zapfenstreich nicht zu Ehren einer Einzelperson, sondern anlässlich eines besonderen Ereignisses aufgeführt, werden die Stücke der Serenade vom Leiter des Musikkorps bestimmt und sollen von ihrem Titel bzw. ihrer Bedeutung her dem jeweiligen Ereignis angemessen sein.
  • Nach dem Kommando „Großer Zapfenstreich stillgestanden! Großer Zapfenstreich!“ folgt der eigentliche Große Zapfenstreich, der sich aus folgenden Bestandteilen zusammensetzt:[2]
  • Locken zum Großen Zapfenstreich durch den Spielmannszug; dies erinnert an die Trommelsignale, die den bevorstehenden Zapfenstreich im Feldlager ankündigten
  • Preußischer Zapfenstreichmarsch als Traditionselement der Fußtruppen
  • Retraite mit drei Posten (Fanfarenrufe) als Traditionselement der berittenen Truppen; die drei Posten unterscheiden sich durch eine zunehmende Getragenheit und Melancholie im Vortrag und rufen symbolisch nacheinander die Versprengten und die Verwundeten nach der Schlacht zurück, die dritte und letzte Post ist ein musikalischer Gruß an die Toten, die nicht mehr zurückkehren
  • Zeichen zum Gebet durch den Spielmannszug
  • Nach dem Kommando „Helm ab zum Gebet!“ das musikalische Gebet, die von Dmitri Bortnjanski komponierte Choralstrophe, die später mit dem Text „Ich bete an die Macht der Liebe“ von Gerhard Tersteegen unterlegt wurde. Die beteiligten Soldaten halten dazu den Helm mit der linken Hand vor die Brust; anwesende Soldaten in Uniform nehmen formlos ihre Kopfbedeckung ab.
  • Das Kommando „Helm auf!“, Abschlagen nach dem Gebet und Ruf nach dem Gebet.
  • Nach dem Kommando „Achtung, präsentiert!“ (bzw. Wachbataillon: „Das Gewehr über! Achtung, präsentiert das Gewehr!“) die deutsche Nationalhymne,
  • Abmeldung des Großen Zapfenstreiches und Ausmarsch der Formation zu den Klängen des Preußischen Zapfenstreichmarsches.

Das Locken zum Großen Zapfenstreich, das Zeichen zum Gebet und das Abschlagen nach dem Gebet werden als musikalische Kommandos nur von den Spielleuten (Spielmannstrommel und -pfeife) unter Leitung des Tambourmajors ausgeführt, die übrigen Musikstücke vom gesamten Musikkorps. Der Ruf nach dem Gebet knüpft musikalisch an die Retraite an und umrahmt so den Gebetsteil. Auf- und Abmarsch sowie die Meldungen sind mit weiteren Kommandos verbunden.

Aufgrund der besonderen Tradition der Bayerischen Armee bis 1919 kann in Bayern eine abgeänderte Form des oben beschriebenen Zapfenstreichs zur Aufführung kommen. In ihr wird der Bayerische Zapfenstreichmarsch anstelle des preußischen Zapfenstreichmarsches und das Bayerische Militärgebet von Johann Kaspar Aiblinger anstelle des Chorals Ich bete an die Macht der Liebe gespielt.

Anlässe seit 1949

Am Abend des 20. Mai 1992 hatte Verteidigungsminister Volker Rühe einen Zapfenstreich angeordnet, um den scheidenden Außenminister Hans-Dietrich Genscher aus dem Amt zu verabschieden. Dies war das erste Mal, dass ein Bundesaußenminister derart geehrt wurde.[3]

Die wohl größten und öffentlichkeitswirksamsten Großen Zapfenstreiche nach der Wende wurden am 8. September 1994 zur Verabschiedung der Westalliierten aus Berlin vor dem Brandenburger Tor sowie zur Verabschiedung von Helmut Kohl aus dem Amt des Bundeskanzlers am 17. Oktober 1998 vor dem Speyerer Dom aufgeführt. Seine Wunschlieder waren Ode an die Freude, Nun danket alle Gott und Des Großen Kurfürsten Reitermarsch.[4]

Serenadenwünsche der Bundespräsidenten

Tabelle 1: Serenaden der Bundespräsidenten
Name Partei Dienstzeit Wünsche Anmerkungen
Theodor Heuss FDP 1949–1959 unbekannt
Heinrich Lübke CDU 1959–1969 unbekannt
Gustav Heinemann SPD 1969–1974 Bootsfahrt auf dem Rhein
Walter Scheel FDP 1974–1979 unbekannt
Karl Carstens CDU 1979–1984 unbekannt
Richard von Weizsäcker CDU 1984–1994 unbekannt
Roman Herzog CDU 1994–1999 unbekannt
Johannes Rau SPD 1999–2004
Horst Köhler CDU 2004–2010
Christian Wulff CDU 2010–2012
Joachim Gauck Parteilos 2012–2017
Frank-Walter Steinmeier SPD seit 2017 im Amt

Gustav Heinemann zog 1974 dem militärisch-religiösen Ritual eine Bootsfahrt auf dem Rhein mit geladenen Gästen vor.

Johannes Rau war der erste aus der SPD hervorgegangene Bundespräsident, der sich am 29. Juni 2004 mit einem Großen Zapfenstreich verabschieden ließ. Er wählte Pomp and Circumstance Marches (Edward Elgar), Jesus bleibt meine Freude (Bach) sowie Abendlied (Gerhard Scholz).[8]

Horst Köhler wurde am 15. Juni 2010 mit dem Großen Zapfenstreich und den selbst gewählten Liedern Geschwindmarsch (Strauss), Langsamer Marsch gemäß Friedrich II. sowie St. Louis Blues (W. C. Handy) verabschiedet.[9]

Der Große Zapfenstreich am 8. März 2012 für den zurückgetretenen Christian Wulff – der sich den Alexandermarsch, Over the Rainbow, Da berühren sich Himmel und Erde (ein Neues Geistliches Lied von Christoph Lehmann) sowie die Europahymne Ode an die Freude wünschte – ließ die öffentliche Diskussion über den Anspruch auf Ehrung für alle ausgeschiedenen Amtsträger wieder aufleben.[10] In Berlin demonstrierten einige hundert Bürger unter anderem mit Vuvuzelas gegen die Ehrung Wulffs.[11]

Am 17. März 2017 wurde Joachim Gauck im Rahmen eines Großen Zapfenstreichs mit den Wunschtiteln Über sieben Brücken musst du gehn der DDR-Rockband Karat, mit dem Volkslied Freiheit, die ich meine sowie mit dem Kirchenlied Ein feste Burg ist unser Gott von Martin Luther aus dem Amt verabschiedet.[12]

Serenadenwünsche der Bundeskanzler

Der erste Bundeskanzler, der zu seinem Amtsabschied mit einem großen Zapfenstreich geehrt wurde, war 1998 Helmut Kohl. Zuvor wurden Altkanzler aber gelegentlich zu runden Geburtstagen mit diesem Zeremoniell geehrt.[13] Am 19. November 2005 wurde Gerhard Schröder in seiner Heimatstadt Hannover mit einem Großen Zapfenstreich aus dem Amt verabschiedet. Er wünschte sich dafür die Arie Summertime, Die Moritat von Mackie Messer und das Lied My Way in der Version von Frank Sinatra.[4][14] Schröders Nachfolgerin Angela Merkel wünschte sich für ihren Großen Zapfenstreich das Kirchenlied Großer Gott, wir loben dich von Ignaz Franz (EG 331), Nina Hagens Du hast den Farbfilm vergessen und Für mich soll’s rote Rosen regnen von Hildegard Knef.[15]

Tabelle 2: Serenaden der Bundeskanzler
Name Partei Dienstzeit Wünsche Ort
Helmut Kohl CDU 1982–1998 Des Großen Kurfürsten Reitermarsch
Nun danket alle Gott
Ode An die Freude (Europahymne)
Speyerer Dom (Domplatz)
Gerhard Schröder SPD 1998–2005 Die Moritat von Mackie Messer (Die Dreigroschenoper)
Summertime
My Way
Neues Rathaus (Rathausplatz Hannover)
Angela Merkel CDU 2005–2021 Du hast den Farbfilm vergessen
Für mich soll’s rote Rosen regnen
Großer Gott, wir loben dich
Bendlerblock

Serenadenwünsche der Bundesverteidigungsminister

Nach seinem Rücktritt am 30. November 1962 wurde Franz Josef Strauß als erstem Verteidigungsminister die Ehre des Zapfenstreiches zuteil. Auf dem Gelände der Luftwaffenkaserne Wahn wurden für ihn die Märsche der Teilstreitkräfte Heer (Bayerischer Defiliermarsch), Luftwaffe (Starfighter-Marsch) und Marine (Panzerschiff Deutschland), gespielt.[13]

2002 wünschte sich Rudolf Scharping Stars and Stripes Forever.

2005 wurde Peter Struck mit dem Fliegermarsch von Hermann Dostal, dem Marsch Gruß an Kiel von Friedrich Spohr, dem Marsch Des Großen Kurfürsten Reitermarsch von Kuno Graf von Moltke und dem SPD-Lied Wann wir schreiten Seit’ an Seit’ verabschiedet.[13][16]

Franz Josef Jung wurde 2009 mit Time to Say Goodbye im Rahmen des Großen Zapfenstreiches verabschiedet.[4]

Im März 2011 trat Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zurück. Der Große Zapfenstreich zu seiner Verabschiedung erfuhr mediale Aufmerksamkeit, unter anderem, weil zu Guttenberg für die Serenade das – für diesen Anlass bisher eher ungewöhnliche – Lied Smoke on the Water der britischen Hardrockband Deep Purple vom Stabsmusikkorps der Bundeswehr spielen ließ.[17]

Zur Verabschiedung von dessen Nachfolger Thomas de Maizière am 8. Januar 2014 spielte das Musikkorps den Titel Live Is Life der österreichischen Rockband Opus.[18]

Am 15. August 2019 wurde Ursula von der Leyen mit dem Großen Zapfenstreich als Verteidigungsministerin verabschiedet. Auf ihren Wunsch hin spielte das Musikkorps Mozarts Ave Verum, das Lied Wind of Change der Band Scorpions und die Europahymne Ode an die Freude.[19]

Zur ihrer Verabschiedung wählte Annegret Kramp-Karrenbauer die Titelmelodie des Western Die glorreichen Sieben, das Soundsignal der Bundeswehr »Wir dienen Deutschland« und das Lied Higher and Higher von Jackie Wilson.[20]

Sonstiges

  • Allen Musikkorps der Bundeswehr ist es untersagt, Bestandteile des oben aufgelisteten eigentlichen Großen Zapfenstreiches bei anderen Gelegenheiten aufzuführen. Dadurch soll der besondere Rang des Großen Zapfenstreiches als höchstes militärisches Zeremoniell betont werden. Ausnahmen von dieser Vorschrift bedürfen mindestens der Genehmigung des zuständigen Divisionskommandeurs und werden nur für besondere Anlässe erteilt. So wurde beispielsweise beim Auftritt des Musikkorps der Bundeswehr bei einem Militärmusikfestival in Moskau 2007 der Preußische Zapfenstreichmarsch zur Aufführung gebracht, um die enge historische Verbundenheit der deutschen und russischen Militärmusik hervorzuheben.
  • Der Große Zapfenstreich ist neben dem Begräbnis mit militärischen Ehren das einzige militärische Zeremoniell in Deutschland, bei dem das Tragen des Gefechtshelms zum Großen Dienstanzug vorgeschrieben ist.
  • Der Große Zapfenstreich wird in Deutschland auch von zivilen Musikkapellen wie der Bürgerwache Mengen, Spielmannszügen und Vereinsorchestern zu besonderen Anlässen wie z. B. Feuerwehr-Jubiläen, Stadt- oder Schützenfesten aufgeführt.[21]

Kritik

Forderungen, den Großen Zapfenstreich abzuschaffen, gab es immer wieder. Antimilitaristische und pazifistische Gruppen stellten sich in der Vergangenheit gegen diese Zeremonie. Andere Gruppen wiesen auf die Bedeutung des Zapfenstreiches im NS-Regime hin.

Abgelehnt werden von Kritikern etwa die formale Fortführung preußischer Militärtradition, die als antiquiert, überholt und martialisch gesehen wird. Das Thema selbst und der Anlass der Feierlichkeit werden dabei nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Gefordert wird häufig nur eine modernere und zeitgemäßere Form der Inszenierung. Eine tiefergehende Form von Kritik zielt direkt auf die durch das Ritual transportierte Botschaft bzw. die Institution Bundeswehr selbst bzw. ihre momentan wahrgenommenen militärischen Aufgaben. Unterstellt werden u. a. ein Bekenntnis zur Remilitarisierung der Gesellschaft und nationale Machtphantasien.[22]

1996 scheiterten PDS und Bündnis 90/Die Grünen im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages mit ihrer Forderung, die Aufführung des Zapfenstreiches und/oder die religiösen Riten darin abzuschaffen.

Am 13. Oktober 2021 würdigten Vertreter der fünf Verfassungsorgane, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel, den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Zuerst gab es einen Abschlussappell mit Reden von Politikern vor dem Verteidigungsministerium, später folgte vor dem Reichstagsgebäude ein Großer Zapfenstreich als höchstes militärisches Zeremoniell der Bundeswehr.[23] Das Ritual wurde im Anschluss von Medienschaffenden und Politikern wie Jan Böhmermann, Jutta Ditfurth, Sevim Dagdelen und Christian Ströbele auf Twitter kritisiert.[24] Im Vorfeld der Veranstaltung hatte eine Gruppe von evangelischen Pfarrern sich in einem Brief an die EKD gegen die Teilnahme von Kirchenvertretern an derartigen militärischen Ehrungen ausgesprochen und kritisiert, dass die Zeremonie unvereinbar sei mit dem religiösen Neutralitätsgebot des Grundgesetzes.[25]

Literatur

  • Urban Bacher: Deutsche Marschmusik – Hintergründe, Geschichte und Tradition der Musik der Soldaten, Hartung-Gorre Verlag, 2. Aufl. Konstanz 2019, ISBN 978-3-86628-457-9.
  • Erwin B. Boldt; Martin Graf: Leben und musikalisches Werk von Wilhelm Schierhorn. Ein Beitrag zur Musikgeschichte der deutschen Polizei. Frankfurt 2010, ISBN 978-3-86676-132-2.
  • Markus Euskirchen: Militärrituale. Analyse und Kritik eines Herrschaftsinstruments. PapyRossa-Verlag, Köln 2005, ISBN 3-89438-329-1, S. 135 ff., S. 152.
  • Bernhard Höfele: Militärmusik – Noten und Geschichte des Großen Zapfenstreichs. Books on Demand, Norderstedt 2005, ISBN 3-8334-2822-8.

Weblinks

Wiktionary: Großer Zapfenstreich – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Großer Zapfenstreich – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Quellen

  1. Erwin B. Boldt, Martin Graf: Leben und musikalisches Werk von Wilhelm Schierhorn. Ein Beitrag zur Musikgeschichte der deutschen Polizei. Frankfurt 2010, S. 93–95.
  2. Urban Bacher: Deutsche Marschmusik. 2. Auflage. Hartung-Gorre, Konstanz 2019, ISBN 978-3-86628-662-7 (hartung-gorre.de [abgerufen am 9. November 2020]).
  3. Hans-Dietrich Genscher: Erinnerungen; Siedler Verlag Berlin 1995, S. 1021
  4. a b c Best of Zapfenstreich – wer wollte was hören? In: br.de. Bayerischer Rundfunk, 15. August 2019, abgerufen am 15. August 2019.
  5. Dieter E. Kilian: Politik und Militär in Deutschland: die Bundespräsidenten und Bundeskanzler und ihre Beziehung zu Soldatentum und Bundeswehr. BoD – Books on Demand, 2011, ISBN 978-3-937885-36-0 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. Merscheider Männergesangverein 1861: 150 Jahre Festschrift und Programm Merscheider Merscheider Männergesangverein 1861 e.V. (PDF) Abgerufen am 20. August 2019.
  7. Bundeswehr verabschiedet von der Leyen: Was bedeutet eigentlich „Großer Zapfenstreich“? 16. August 2019, abgerufen am 19. August 2019 (deutsch).
  8. BZ Großer Zapfenstreich Johannes Rau
  9. FAZ Großer Zapfenstreich Horst Köhler
  10. Abschied mit dem Zauberer von Oz (Wulff) - und Angaben zum Zapfenstreich im Allgemeinen in: Süddeutsche Zeitung, 7. März 2012, abgerufen am 3. Dezember 2021
  11. Zapfenstreich für Wulff: Abschied ohne Würde. in: Spiegel Online. 8. März 2012.
  12. https://www.tagesschau.de/inland/gauck-abschied-101.html
  13. a b c Mit Tränen und Trompeten. In: spiegel.de. Der Spiegel, 8. März 2012, abgerufen am 15. August 2019.
  14. Kanzler Schröder mit Großem Zapfenstreich verabschiedet. spiegel.de, 19. November 2005, abgerufen am 17. März 2018.
  15. Spiegel Online: Rote Rosen für Merkel, abgerufen am 26. November 2021
  16. Diese Titel wünschten sich Politiker zum Abschied In: haz.de
  17. Ralf Klassen: Smoke on the Bendlerblock. Stern, 10. März 2011, abgerufen am 6. März 2012.
  18. Zapfenstreich: De Maizière wählt zum Abschied deutliche Worte. In: Der Spiegel. 8. Januar 2014, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 20. Oktober 2021]).
  19. Bundeswehr: Von der Leyen mit Großem Zapfenstreich verabschiedet. In: Spiegel Online. 15. August 2019 (spiegel.de [abgerufen am 15. August 2019]).
  20. Kramp-Karrenbauer rechtfertigt sich für Abwesenheit bei Amtsübergabe im Verteidigungsministerium. In: Der Spiegel. 9. Dezember 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 9. Dezember 2021]).
  21. Anleitung des Landesfeuerwehrverbandes Baden-Württemberg zur Organisation eines Großen Zapfenstreichs (inkl. Historie, Anlässe, Rahmenbedingungen) (Memento vom 7. September 2012 im Internet Archive) (PDF; 58 kB)
  22. Ulrich Steuten: Der große Zapfenstreich / Eine soziologische Analyse eines umstrittenen Rituals. Duisburger Beiträge zur soziologischen Forschung No. 2/1999, Gerhard-Mercator-Universität Gesamthochschule Duisburg, Duisburg 1999, DNB 957851820, S. 30 ff.
  23. Politik würdigt Afghanistan-Einsatz, RP Online vom 13. Oktober 2021.
  24. „Vergleiche mit dem dunkelsten Kapitel Deutschlands enttäuschen uns“, Welt vom 13. Oktober 2021.
  25. "Pastoren gegen Teilnahme der EKD an Großem Zapfenstreich", Welt vom 11. Oktober 2021.