Gustav Kiepenheuer Verlag

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Der Gustav Kiepenheuer Verlag war ein von 1909 bis 2010 bestehender deutscher Buchverlag.

Geschichte

Aktie über 1000 Mark der Gustav Kiepenheuer Verlag AG vom 1. Oktober 1922

Der Buchhändler Gustav Kiepenheuer, ein Mitschüler von Ernst Rowohlt und Kurt Wolff, übernahm 1909 die Hof-, Buch-, Kunst- und Musikhandlung von Ludwig Thelemann in Weimar und gründete gleichzeitig einen Verlag unter seinem Namen. Die ersten Verlagstitel knüpften an die Weimarer Klassik an, so etwa Damals in Weimar (1910) und Das Leben in Alt-Weimar von Wilhelm Bode (1912), oder das zweibändige Werk Das nachklassische Weimar von Adelheid von Schorn (1911–12). Durch die bibliophile Buchreihe Liebhaber-Bibliothek erlangte der Verleger Ansehen unter Buchfreunden. In den folgenden Jahren wurden Werke und Zeitschriften zur Bildenden Kunst herausgegeben und die Reihe Deutsche Orient-Bücherei (1915) ins Leben gerufen.

1917 erschien erstmals die Zeitschrift Das Kunstblatt. 1918 begann die Herausgabe der Reihe der „Graphischen Bücher“, mit der Illustrationen junger Künstler zu Texten des literarischen Erbes als Originalgraphik einem größeren Leserkreis zugänglich gemacht werden sollten. 1919 zog der Verlag nach Potsdam um. Als Autoren stießen André Gide, Bert Brecht, George Bernard Shaw, Lion Feuchtwanger, Hans Henny Jahnn, Arnold Zweig und Anna Seghers hinzu, die für ein linksbürgerliches Programm standen. Zweigs Streit um den Sergeanten Grisha (1927) war das erfolgreichste Buch in der frühen Verlagsgeschichte. Hermann Kesten wurde 1928 Verlagslektor und Hausautor.

Nach dem erneuten Umzug nach Berlin 1929 konnten auch Gottfried Benn, Marieluise Fleißer und Joseph Roth gewonnen werden; damit veröffentlichte ein Großteil der belletristischen Schriftsteller-Elite zwischen den Weltkriegen seine Werke bei Kiepenheuer.

Als die Nationalsozialisten 1933 die Macht übernahmen, wurden 75 % der Verlagsproduktion in Deutschland verboten, Kesten und der Mitinhaber und Geschäftsführer Fritz Helmut Landshoff führten die Verlagsarbeit in den Amsterdamer Exilverlagen Allert de Lange und Querido fort. 1936 entstand die Sammlung Kiepenheuer Bücherei, die Reiseschilderungen, philosophische Texte sowie Briefe und Äußerungen von alten und modernen Dichtern enthielt. Später begründete der Kiepenheuer Verlag in Leipzig die Reihe neu. Das Berliner Stammhaus wurde 1944 auf Anordnung der Reichsschrifttumskammer vollständig geschlossen.

Ein Jahr nach Kriegsende kam es in Weimar zur Neuetablierung des Verlags, Joseph Caspar Witsch wurde 1948 Mitgesellschafter und Geschäftsführer. 1949 starb Gustav Kiepenheuer nach langer Krankheit, seine Witwe Noa Kiepenheuer führte den Verlag zunächst fort. 1951 kam es nach Änderung der Mehrheitsverhältnisse zur Spaltung: Im Westen gründete Witsch den Kiepenheuer & Witsch-Verlag, ansässig zunächst in Hagen, später in Köln. 1969 erwarb der Verleger Reinhold Neven DuMont, Schwiegersohn von Witsch, das Unternehmen.

Im Osten wurde der Kiepenheuer Verlag bis zu ihrem Tod 1971 von Noa Kiepenheuer, dann von Friedemann Berger in Weimar weitergeführt. 1977 wurde er an den Kinderbuchverlag verkauft. Es folgte ein Zusammenschluss mit dem Insel Verlag Leipzig, der Dieterich’schen Verlagsbuchhandlung und dem Paul List Verlag zur Verlagsgruppe Kiepenheuer mit Sitz in Leipzig. Die editorische Tätigkeit bewegte sich fast ausschließlich im Bereich der klassischen Weltliteratur, der Kulturgeschichte, der europäischen Avantgarde des Jahrhundertbeginns sowie der orientalischen Philosophie und Literatur.

Die Wende von 1989 führte nach einem längeren Hin und Her dazu, dass der Verlag 1994 in die Berliner Aufbau-Verlagsgruppe des Verlegers Bernd F. Lunkewitz eingegliedert wurde. Der Verlagssitz blieb vorerst noch in Leipzig, wurde aber bis Ende 2003 sukzessive nach Berlin überführt. Programmschwerpunkt war zunächst (wieder) die Gegenwartsliteratur; danach war der Verlag vorwiegend in den Sparten Unterhaltungsliteratur, populäres Sachbuch und Geschenkbuch positioniert. Im Jahre 2010 wurde der Betrieb des Kiepenheuer Verlags von der Aufbau-Gruppe eingestellt.

Archiv

Das Archiv des Gustav Kiepenheuer Verlags in Leipzig und des Leipziger Teils der Dieterich’schen Verlagsbuchhandlung, bestehend aus „Geschäftsberichte(n); Sitzungsprotokolle(n); Autorenkorrespondenz unter anderem mit Lion Feuchtwanger, Hermann Hesse, Victor Klemperer, Oskar Kokoschka, Joachim Ringelnatz, Carl Zuckmayer, Stefan Heym; Lektoratsgutachten; Verlagsverträge(n); Verlagsgeschichte; Familienunterlagen Kiepenheuer (und) Fotos“, wurde als National wertvolles Archiv unter Kulturgutschutz im Sinne der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten gestellt.[1] Das Archivgut befindet sich seit 1996 als Depositum im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig.

Literatur

  • Noa Kiepenheuer (Hrsg.): Vierzig Jahre Kiepenheuer 1910–1950. Ein Almanach. Gustav Kiepenheuer Verlag, Weimar 1951
  • Thema – Stil – Gestalt. 1917–1932. 15 Jahre Literatur und Kunst im Spiegel eines Verlages. Katalog zur Ausstellung anlässlich des 75jährigen Bestehens des Gustav Kiepenheuer Verlages. Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig und Weimar 1984
  • Cornelia C. Funke: Im Verleger verkörpert sich das Gesicht seiner Zeit. Unternehmensführung und Programmgestaltung im Gustav Kiepenheuer Verlag 1909 bis 1944 (= Veröffentlichungen des Leipziger Arbeitskreises zur Geschichte des Buchwesens 11). Harrassowitz, Wiesbaden 1999, ISBN 978-3-447-04167-6
  • Ernst Fischer: Verlegen à fonds perdu: Gustav Kiepenheuer als Unternehmerpersönlichkeit. In: Günther Schulz (Hrsg.): Geschäft mit Wort und Meinung. Medienunternehmer seit dem 18. Jahrhundert (Büdinger Forschungen zur Sozialgeschichte). Boldt/Oldenbourg, München 1999, S. 129–145
  • „Das Publikum will mehr als trockne Schwarten“. 90 Jahre Gustav Kiepenheuer Verlag. Mit Festvortrag von Bernd F. Lunkewitz. (Bibliothek des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels). Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig 2000, ISBN 3-378-01046-0
  • Reinhard Würffel: Lexikon deutscher Verlage von A–Z. Verlag Grotesk, Berlin 2000, ISBN 3-9803147-1-5, S. 425–427.
  • Siegfried Lokatis, Ingrid Sonntag (Hrsg.): 100 Jahre Kiepenheuer Verlage. Ch. Links Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-86153-635-2.

Weblinks

Anmerkungen