Gänsemarkt

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Der Gänsemarkt ist ein öffentlicher Platz an der Ecke Dammtorstraße und Valentinskamp in der Hamburger Neustadt. In den dreieckigen Platz nahe der Hamburgischen Staatsoper münden mehrere Einkaufspassagen sowie an der südöstlichen Ecke auch der bekannte Jungfernstieg.

Anlässlich des 100. Todestages wurde hier 1881 ein von Fritz Schaper entworfenes Denkmal für Gotthold Ephraim Lessing aufgestellt, da Lessing von 1767 bis 1770 in der ehemaligen Hamburgischen Entreprise seine Wirkungsstätte als Dramaturg hatte. Am 18. Juni 1944 stürzte der Luftdruck einer Sprengbombe das Denkmal. 1955 wurde es wieder neu aufgestellt.[1]

Geschichte

Gänsemarkt 1905
Südseite zwischen Gerhof- und ABC-Straße, in der Mitte das Girardethaus
Bis 1978 fuhr die Straßenbahn am Gänsemarkt
Ehemaliges Deutschlandhaus (Blickrichtung gen Nordwest)
Die Commerzbank (Blickrichtung gen Nordost)

Das damals noch vor der Stadtmauer liegende Gelände wurde 1373 vom damaligen Rat der Stadt (heute der Senat) für eine Erbpacht von 2½ Mark vom Domkapitel sowie vier Schillinge für den bremischen Erzbischof gepachtet, aber erst nach 1600 bebaut. Mit dem Bau der Hamburger Wallanlagen (1616–1625) wurde hier bei Baubeginn ein Kalkhof zur Lagerung des Segeberger Kalkes eingerichtet; noch heute heißt eine der Seitengassen auf der Nordostseite nach diesem Lagerplatz Kalkhof.

Um 1650 erwarb Andreas Heinike das Grundstück Gänsemarkt 44 und errichtete dort eine Bäckerei, die an dieser Stelle bis heute fortgeführt wird. 1655 erhielt der Platz den Namen forum anserum (lat. anser = Gans), seit 1709 ist die Bezeichnung Gänsemarkt üblich. Marktrechte haben hier jedoch nie bestanden. Vermutlich wurden von hier die Gänse vor das Dammtor getrieben. Eine andere Theorie führt den Namen auf den Besitzer eines anliegenden Grundstückes Ambrosius Gosen zurück (plattdtsch. Gos oder Goos = Gans),

Eingehender Artikel: →Oper am Gänsemarkt

Am 2. Januar 1678 wurde hier das Stadttheater als größtes bürgerliches Opernhaus des Barocks eingeweiht, an dem 1704 Georg Friedrich Händel als Geiger im Opernorchester arbeitete. 1722 bis 1738 wurde das Haus von Georg Philipp Telemann geleitet. 1765 wurde das baufällige Opernhaus abgerissen und an seiner Stelle das Hamburger Nationaltheater errichtet, an dem am 22. April 1767 Lessing für drei Jahre die dramaturgische Leitung übernahm. Im gleichen Jahr wurde hier seine Minna von Barnhelm uraufgeführt.

Seit dem Abriss des Hamburger Mariendomes 1805 hatte hier bis 1881 der Hamburger Dom – ein Jahrmarkt zur Weihnachtszeit – seinen Platz, heute findet das „größte Volksfest des Nordens“ dreimal im Jahr auf dem Heiligengeistfeld statt.

1829 war der Kalkhof als Schwiegerstraße entstanden – benannt nach dem Vorbesitzer des Geländes, 1922 wurde diese in Kalkhof umbenannt. Hier entstand ein geschlossener Bordellbezirk, der durch den Tod des dänischen Königs Frederick VIII. am 13. Mai 1912 eine gewisse Berühmtheit erlangte[2].

Seit 1970 gibt es unter dem Gänsemarkt den gleichnamigen U-Bahnhof der Linie U2. 1986 wurde der Platz neu gestaltet, nachdem der Straßenbahnbetrieb 1978 eingestellt wurde. Das Lessing-Denkmal wurde dabei vor die Gerhofstraße versetzt. Im Zuge der umfangreichen im September 2017 abgeschlossenen Platz-Sanierung wurde das Lessing-Denkmal wieder auf seinen früheren Standort in der Mitte des Platzes versetzt.

Die Gänsemarktpassage – eine inhäusige Ladenpassage über drei Ebenen hin zu den Colonnaden – entstand 1980, ihr musste u. a. das traditionsreiche Restaurant Ehmke weichen. In der einstöckigen Ladenfront war bis 1980 die Hauptgeschäftsstelle des Hamburger Abendblattes untergebracht, auch diese musste weichen und befindet sich jetzt einige hundert Meter entfernt am Großen Burstah 18–32. 2019 erwarb die österreichische Signa Holding die Gänsemarktpassage. Ein Abriss und Neubau der Passage ist geplant.[3]

In diesem Areal zwischen dem Gänsemarkt und den Colonnaden war 1772 ein englischer Reitstall entstanden, dessen Halle 1885 erneuert wurde.

Hamburger Zeitungsviertel

Aus technischen Gründen erfolgte die Produktion von Tageszeitungen bis in die 1970er Jahre stets unter einem Dach. Ende der 1920er Jahre residierten fast alle großen Hamburger Tageszeitungen rund um den Gänsemarkt:[4]

Gebäude

siehe auch

Commons: Gebäude am Gänsemarkt (Hamburg) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Nordwestende des Gänsemarkts

An der Einmündung von Valentinskamp und Dammtorstraße kennzeichnen drei charakteristische „runde Ecken“ das Bild.

  • Gänsemarkt 36 – Bau der Finanzbehörde
    Das Gebäude der ehemaligen Finanzdeputation ist ein Beispiel der klassischen Hamburger Klinker-Architektur, das 1919–1926 von Fritz Schumacher errichtet wurde.
  • Dammtorstraße 2 – Deutschlandhaus
    Das Haus liegt ganz im Nordzipfel. Es wurde 1929 von den Architekten Block & Hochfeld errichtet. Nach Entwürfen von Walther Unruh entstand hier mit 2667 Plätzen das größte Kino Europas, der UfA-Palast. Im gleichen Hause war auch das ehemalige Deutsche Familienkaufhaus (DEFAKA) untergebracht. Es wurde 2019 abgerissen.
  • Gänsemarkt 43 – Richard-Böse-Haus
    Es bildet die dritte runde Ecke und enthielt ehemals die Commerzbank-Filiale, die inzwischen geschlossen wurde. Der Bau entstand 1985/86 in Anlehnung an die beiden großen gegenüberliegenden Klinkerkomplexe.

Weitere Bauwerke am Gänsemarkt

  • Gänsemarkt 19 – Kontorhaus Gerhofstraße
    Das Haus liegt an der Einmündung der Gerhofstraße. Das von Carl Elvers entworfene, 1881–1882 errichtete Gebäude fällt durch reichhaltigen Bauschmuck auf. Es ist Sitz des Juweliers Becker.
  • Gänsemarkt 21 – 23 – Girardet-Haus (Südostseite)
    Das Kontorhaus wurde 1896 errichtet. Der Entwurf stammt von Harry R. Puttfarcken und Emil Janda.
  • Gänsemarkt 33 – Nicol-Hof (Westseite)
    Das Geschäftshaus stammt aus dem Jahr 1905 und wurde von C. Brakhan und Carl Rode entworfen.
  • Gänsemarkt 35 – Lessing-Haus (Westseite)
    Das Kontorhaus schließt sich nördlich an den Nicol-Hof an. Auffällig ist das vielgestaltige Mauerwerk, welches in den unteren Geschossen aus Naturstein und darüber aus Backstein besteht. Das Haus entstand 1908 bis 1909 und wurde von Emil Schaudt und Albert Lindenhorst entworfen.
  • Gänsemarkt 44 – Stadtbäckerei-Haus (Nordseite)
    Das Kontorhaus mit Sitz der Stadtbäckerei entstand 1913 nach einem Entwurf von Theodor Speckbötel. 1976 wurde die rechte Hälfte als Zwillingsbau hinzugefügt, um eine geschlossene Randbebauung des Gänsemarktes zu erzielen.
  • Gänsemarkt 45 – Opernhof (Nordseite)
    Es handelt sich um den Nachfolgebau des UFA-Hauses, der ab 2007 nach einem Entwurf des Architekten Rolf Reimer errichtet wurde. Nach Abriss des Deutschen Nationaltheaters war hier 1959 der UFA-Palast neu errichtet worden, der sich 1929 bis 1943 im Hof des Deutschland-Hauses befunden hatte. Auch das neue UFA-Haus bestand nur wenige Jahrzehnte. Nach dessen Abriss entstand 1997 an gleicher Stelle der dritte UFA-Palast, der allerdings 2006 schon wieder abgerissen wurde.
  • Gänsemarkt 50 – Geschäftshaus mit Passage (Nordseite)
    Das Haus beherbergt die 1979 errichtete Gänsemarktpassage, die 2001 modernisiert wurde.

Benachbarte Bauwerke am Jungfernstieg

  • Jungfernstieg 47 – Eckbau Jungfernstieg/Gänsemarkt
    Das an der Ecke abgerundete Gebäude mit Rundbogenfenstern und Attikageschoss wurde 2010/2011 renoviert.
  • Jungfernstieg 48 – Alte englische Apotheke
    Weiter nach Osten, eigentlich schon am Jungfernstieg, liegt die ursprünglich 1781 in der Nachbarschaft errichtete Alte englische Apotheke. Im Nebenhaus hatte die Evangelische Buchhandlung Tuchel (gegründet 1844) bis 1998 ihr Ladengeschäft, hier traf sich der Hamburger Zweig der Widerstandsbewegung Weiße Rose.

Weblinks

Commons: Gänsemarkt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Hugo Schmidt-Luchs, Werner Schmidt-Luchs (Hg.) Hamburg Phönix aus der Asche, Bild Seite 50, Harry v. Hoffmann Verlag. Hamburg 1967
  2. Der Tod kam mit dem Sex t.a.z.-Artikel vom 10. März 2003
  3. Neubauprojekt: Signa kauft Hamburger Gänsemarkt-Passage mit Loschelder. Juve. Abgerufen am 24. Juni 2019.
  4. Clemens Zimmermann (Hg.), Zentralität und Raumgefüge der Großstädte im 20. Jahrhundert, Seite 107, Franz Steiner Verlag 2006, ISBN 3-515-08898-9

Koordinaten: 53° 33′ 18″ N, 9° 59′ 18″ O