Hans Haffenrichter

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Hans Haffenrichter (geboren 31. August 1897 in Würzburg; gestorben 22. Februar 1981 in Prien am Chiemsee) war ein deutscher Maler und Bildhauer.

Leben

Hans Haffenrichter war der Sohn eines Buchdruckers.[1] Er begann nach der Schulzeit eine Mechaniker-Lehre in den Werkstätten der Universität Würzburg. Er war Wandervogel und studierte zunächst an der Kunstschule Nürnberg. Auf Anregung Wilhelm Uhdes ging er 1921 nach Weimar an das Bauhaus, wo er Malerei, Bildhauerei bei Oskar Schlemmer und Bühnenarbeit bei Lothar Schreyer studierte. Anschließend war er zwei Jahre lang Schüler von Einar Utzon-Frank in Kopenhagen und Gast an der Königlich Dänischen Kunstakademie. Er wurde Mitglied im Deutschen Werkbund und nahm 1923 an einer Ausstellung bei Herwarth Walden in der Sturm-Galerie in Berlin teil. Seine erste Publikation waren 16 Bildtafeln in einer Ausgabe des Cherubinischen Wandersmann von Angelus Silesius im Jahr 1924. Ab 1927 leitete er die von Edmund Kesting gegründete freie Kunstschule „Der Weg“ in Berlin und erhielt 1931 eine Professorenstelle für Kunst und Werkerziehung an der Pädagogischen Akademie Elbing.

Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten wurde Haffenrichter im September 1933 aufgrund §2 des Berufsbeamtengesetzes (mangelnde Vorbildung oder sonstige Eignung) aus dem Staatsdienst entlassen.[2] 1937 wurde in der Nazi-Aktion „Entartete Kunst“ aus dem Schlossmuseum Weimar seine Skulptur Hockende beschlagnahmt und vernichtet.[3] Haffenrichter unterlag aber wohl keinem Berufsverbot. Dieser Sachverhalt ist jedoch augenscheinlich umstritten. Die Leiterin der Städtischen Galerie Würzburg Marlene Lauter äußerte sie sich gegenüber der Würzburger Main-Post, dass ein Berufsverbot für Haffenrichter bestanden habe. Als gesichert dürfte gelten, dass Haffenrichter in die Reichskunstkammer aufgenommen wurde, in dessen Mitgliederverzeichnis für Bildhauer er als „Professor Hans Haffenrichter“ noch 1943 für Berlin geführt wurde,[4] und er war Mitglied im Kampfbund für deutsche Kultur. Er konnte als freier Maler und Bildhauer in seinem Atelier in Berlin arbeiten und erhielt Aufträge für Porträtbüsten von NSDAP-Führern, so Adolf Hitler und Hermann Göring.[5] In der Zeitschrift Die Kunst im Deutschen Reich wurde in der Juliausgabe des Jahres 1940 die Bronzebüste Generalfeldmarschall Hermann Göring abgebildet.[1] Von Haffenrichter wurden auf den Großen Deutschen Kunstausstellungen im Haus der Kunst 1939 drei, 1941 drei und 1943 eine Plastik ausgestellt.[6] 1935 führte er eine Büste von Heinrich Schütz aus.[7] Es sind mindestens diese Fotografien von Plastiken als Postkartenmotive erhalten:[5] Der Führer, Reichsmarschall Göring, Eurydike, Sitzender Bär, Klang, Johann Sebastian Bach, Riemenschneider, Mozart, Am Ziel, Schneeleopard, Läufer, Bogenschütze, Faustkämpfer, Seeadler, Löwin mit Jungen, Schwertträger, Sitzender Jaguar, Liegender Leopard, Pferde.[8] Allein 87 Bronzearbeiten gab er bei der Berliner Bildgießerei Hermann Noack in Auftrag.[5] Eine Auswertung der Kunstausstellungen deutscher Gegenwartskunst zwischen 1933 und 1945, für die ein Katalog mit den beteiligten Künstlern erhalten ist, zeigt, dass Haffenrichter zwischen 1935 und 1943 neben der GDK an 15 Ausstellungen in Berlin, Dresden und Halle beteiligt war.[9] Darüber hinaus zeigte im Juni 1942 der Mainfränkische Kunstverein in Würzburg ihn und Johannes Boehland unter dem Titel Aquarelle und Zeichnungen von Haffenrichter und Joh. Boehland.[9]

Grabstätte Familie Haffenrichter, Friedhof Fraueninsel

1936 brachte Haffenrichter gemeinsam mit dem deutschbaltischen Arzt Siegfried von Sivers das Kunstbuch "Unser täglich Brot. Lebensgeschichte des Roggens" heraus. Sivers und Haffenrichter hatten den Anspruch, den Wachstumszyklus des Roggens unter Rückgriff auf das verfügbare wissenschaftliche Wissen der Zeit in einer künstlerisch-mystischen Symbiose von Text und Bild darzustellen. Das Buch wurde 1946 in der SBZ in die Liste der auszusondernden Literatur aufgenommen.[10] Der Agrarwissenschaftler Heinz Haushofer wertete 1957 das Buch als einen "wissenschaftlich einwandfreien, dichterisch beschwingten Text" mit Farbtafeln, "die zum Schönsten an landwirtschaftswissenschaftlicher Literatur gehören, was seit den illuminierten Kupferstichwerken des 18. Jahrhunderts wieder geschaffen worden war".[11] Der Pianist und Musikpublizist Herbert Henck bescheinigte jedoch 2009 dem Buch von Sivers und Haffenrichter, dass es "jegliche Distanz zu den Ideen des Nationalsozialismus vermissen lässt".[12] Haffenrichter selbst erinnerte sich 1976 an die Erstellung des Buches als eine der vier wichtigen Schaffensphasen seines Lebens.[13]

Während der Kriegsjahre 1943/44 wirkte Haffenrichter als dienstverpflichteter wissenschaftlicher Zeichner am Kaiser-Wilhelm-Institut für Physikalische Chemie bei einer Visualisierung atomarer und molekularer Strukturen mit.

Nach Kriegsende arbeitete Haffenrichter als Kunstlehrer an einer Schule der US-Armee in Heidelberg und leitete zwischen 1949 und 1952 die Abteilung Wandmalerei der Werkkunstschule Wiesbaden. Er erhielt 1955 und 1956 Aufträge für drei Glasmosaike für das Mineralogisch-Petrologische Institut und Museum der Universität Bonn. Sein Interesse an naturwissenschaftlichen und technischen Vorgängen sicherte ihm Aufträge aus der Industrie. Glasfenster und Glasmosaiken schuf er auch für die Hamburgischen Electricitäts-Werke zu Themen der Elektrizität und 1961 für das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk in Essen. 1961 zog er nach Hittenkirchen an den Chiemsee. Die Städtische Galerie Würzburg widmete ihm 1974 eine Retrospektive. Erst im Jahr 2011 wurde in Würzburg verstanden, in welchem Umfang Haffenrichter von den bildhauerischen Aufträgen durch die nationalsozialistische Führung profitierte,[5] was „die beschönigenden Darstellungen von R. Linnenkamp, M. Lauter und K. L. Weiner“ (Herbert Henck)[14] bis dahin verdeckt hatten.

Aus Haffenrichters erster Ehe mit Marie Elisabeth, geborene Thiele, gingen zwei Töchter hervor. Nach ihrem Tod heiratete er die Sängerin Ursula Lohse (1905–1971).[15]

Am 24. März 2019 wurde eine Folge der Sendung Lieb & Teuer des NDR ausgestrahlt, die von Janin Ullmann moderiert und im Schloss Reinbek gedreht wurde. Darin wurde mit der Gemälde-Expertin Barbara Guarnieri ein Aquarell Haffenrichters mit dem Titel Geburt der Blume aus dem Jahre 1923 besprochen.[16]

Schriften / Ausstellungskataloge (Auswahl)

  • Angelus Silesius: Cherubinischer Wandersmann: Die „Geistreichen Sinn- u. Schlussreime“ in inhaltlicher Ordnung. 16 Tafeln von Hans Haffenrichter. Nachwort von Walter Ehrenstein. Falken-Verlag, Dresden 1924.
  • Siegfried von Sivers: Unser täglich Brot. Lebensgeschichte des Roggens. Essener Verlagsanstalt, Essen 1936, Illustrationen: Hans Haffenrichter
  • Malerei. Grafik. Plastik. Kunstausstellung Prien am Chiemsee 1968.
  • Lothar Schreyer und die Bauhausbühne. In: Eckhard Neumann (Hrsg.): Bauhaus und Bauhäusler. Bekenntnisse und Erinnerungen. Hallwag, Bern 1971.
  • Woher die Bilder kommen. Schwarcz, Wien 1976.
  • Hans Haffenrichter. Retrospektive zum 90. Geburtstag des Bauhaus-Künstlers. Galerie Michael Pabst, München 1987.
  • Marlene Lauter: Spuren von Natur und Kosmos – Hans Haffenrichter – Malerei, Graphik, Plastik. Städtische Galerie Würzburg, 16. Mai bis 12. Juli 1992. Würzburg: Graphischer Betrieb Bonitas-Bauer, 1992.
  • Hans Haffenrichter: Würzburg 1897–1981 Prien; Retrospektive 100. Geburtstag des Bauhaus-Künstlers. Galerie Michael Pabst, München 1997.

Literatur

  • Marlene Lauter: Haffenrichter, Hans. In: Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker (AKL). Band 67, de Gruyter, Berlin 2010, ISBN 978-3-598-23034-9, S. 350 f.
  • Haffenrichter, Hans. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler des XX. Jahrhunderts. Band 6, Nachträge H–Z. E. A. Seemann, Leipzig 1962, S. 8.
  • Haffenrichter, Hans. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler des XX. Jahrhunderts. Band 2: E–J. E. A. Seemann, Leipzig 1955, S. 351.
  • Haffenrichter, Hans. In: Rudolf Vierhaus (Hrsg.): Deutsche Biographische Enzyklopädie (DBE). 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Band 4: Görres–Hittorp. De Gruyter, Berlin 2006, ISBN 3-11-094654-8, S. 341–342.
  • Rolf Linnenkamp: Der Maler Hans Haffenrichter und das einheitliche ästhetische Feld. Mainfränkische Hefte 57, Würzburg 1972
  • Wolfgang Wangler: Schüler des Bauhauses und ihre Malerei von heute. Köln : Symbol, 1982, ISBN 3-9800350-1-8, S. 20–25
  • Christina Biundo; Anke Steinhauer; Andreas Haus: Bauhaus-Ideen 1919 - 1994 : Bibliografie und Beiträge zur Rezeption des Bauhausgedankens. Berlin : Reimer, 1994
  • Eckhard Neumann (Hrsg.): Bauhaus und Bauhäusler: Erinnerungen und Bekenntnisse. Erw. Neuausgabe, DuMont, Köln 1996, ISBN 3-7701-1673-9 (Erstausgabe 1985), S. 116–121
  • Peter-Klaus Schuster [Hrsg.]: Nationalsozialismus und „Entartete Kunst“ : die „Kunststadt“ München 1937 ; [anläßlich der Ausstellung „Entartete Kunst“: Dokumentation zum Nationalsozialistischen Bildersturm am Bestand der Staatsgalerie Moderner Kunst in München, veranstaltet von der Staatsgalerie Moderne Kunst, München, (27. 11. 1987 - 31. 1. 1988)]. 5., vollst. überarb. und erg. Aufl. Prestel, München 1998, ISBN 3-7913-1888-8.
  • Herbert Henck: Hermann Heiß. Nachträge einer Biografie. Kompost, Deinstedt 2009, ISBN 978-3-9802341-6-0, Kapitel Hans und Ursula Haffenrichter.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945 (= Die Zeit des Nationalsozialismus. Bd. 17153). Vollständig überarbeitete Ausgabe. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-596-17153-8, S. 190.
  2. Manfred Seidenfuß: „Geschichtsdidaktik“ zwischen Geschichtswissenschaft und Erziehungswissenschaft. Auf der Suche nach Kontinuitäten. In: Wolfgang Hasberg, Manfred Seidenfuß (Hrsg.): Modernisierung im Umbruch: Geschichtsdidaktik und Geschichtsunterricht nach 1945. LIT Verlag Münster, 2008, S. 43. ISBN 978-3-8258-1086-3.
  3. Datenbank zum Beschlagnahmeinventar der Aktion "Entartete Kunst", Forschungsstelle "Entartete Kunst", FU Berlin; In der Harry-Fischer-Liste ist dieser Sachverhalt augenscheinlich fehlerhaft mit dem Namen „Hassenrichter“ angegeben.
  4. Robert Thoms: Große Deutsche Kunstausstellung München 1937–1944. Verzeichnis der Künstler in zwei Bänden, Band II: Bildhauer. Neuhaus, Berlin 2011, ISBN 978-3-937294-02-5, S. 103.
  5. a b c d Christine Jeske: Der Hitler-Verdacht. Enthüllungen über Würzburger Künstler, Main-Post, 26. Mai 2011
  6. Robert Thoms: Große Deutsche Kunstausstellung München 1937–1944. Verzeichnis der Künstler in zwei Bänden, Band II: Bildhauer. Neuhaus, Berlin 2011, ISBN 978-3-937294-02-5, S. 33.
  7. Hans Joachim Moser: Schütz-Büste von Prof. H. Haffenrichter. In: Neue Zeitschrift für Musik. Band 102, Ausgabe 2, 1935. S. 1135.
  8. Postkarten, bei der Website Haus der Deutschen Kunst
  9. a b Martin Papenbrock, Anette Sohn: Ausstellungen deutscher Gegenwartskunst in der NS-Zeit: eine kommentierte Bibliographie. VDG, Verl. und Datenbank für Geisteswissenschaften, Weimar 2000, S. 442. Würzburg S. 377.
  10. Deutsche Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone: Liste der auszusondernden Literatur. Transkript Buchstabe S, Berlin, Zentralverlag, 1946, Nr. 11147.
  11. Sigmund von Frauendorfer, Heinz Haushofer: Ideengeschichte der Agrarwirtschaft und Agrarpolitik im deutschen Sprachgebiet. Band 2: Vom ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart., Bayerischer Landwirtschaftsverlag, 1957, S. 151–152.
  12. Herbert Henck: Hermann Heiß 1897-1966: Nachträge einer Biografie. BoD – Books on Demand, 2009, S. 201 ff.
  13. Hans Haffenrichter: Woher die Bilder kommen. Gedanken über Kunst und Meditation. Hrsg. von der Religiösen Gesellschaft der Freunde (Quäker) in der Reihe der Richard L. Cary Vorlesung, Sensen-Verlag Ernst Schwarcz, Wien, 1976. Externer Weblink zum Text bei www.haffenrichter.com, abgerufen am 11. November 2015.
  14. Herbert Henck: Hermann Heiß. Nachträge einer Biografie. Korrekturen und Ergänzungen zur ersten Auflage des Buches (2009)
  15. Lisa H. Löns, Elfriede Rotermund, Arno Bammé, Hans-Karl Schönhagen: Briefwechsel Lisa Löns und Elfriede Rotermund aus den Jahren 1922 bis 1955. Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung, Veröffentlichungen aus dem Forschungsprojekt „Literatur und Soziologie“: H. 27, Klagenfurt 2008, S. 46.
  16. Video Aquarell "Geburt der Blume" auf ndr.de