Hans Richter (Dadaist)

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Hans Richter (* 6. April 1888 in Berlin; † 1. Februar 1976 in Minusio, Schweiz) war ein deutscher Maler, Graphiker, Kunstschriftsteller und Filmkünstler.

Er orientierte sich zunächst am Kubismus und Expressionismus. 1916 schloss sich Richter in Zürich den Dadaisten an. 1921 kam er zum experimentellen Film, wobei Richter dessen abstrakte Spielart (Film als musikalische Analogie) wesentlich weiterentwickelte. 1940 emigrierte Richter in die USA.

Leben

Hans Richter auf einem Gruppenfoto zum Ersten Internationalen Kongreß fortschrittlicher Künstler in Düsseldorf, 29. bis 31. Mai 1922

Hans Richter, Sohn des Legationsrats Moritz Richter und der Ida Gabriela Rothschild, begann bereits im Alter von 14 Jahren mit ersten graphischen Arbeiten. Er begann ein Studium der Architektur im Jahr 1906. Zwei Jahre später begann Richter seine Studien an der Akademie der Künste in Berlin und ab 1909 an der Kunstschule in Weimar. Richter wendete sich schnell der künstlerischen Avantgarde seiner Zeit zu, neben Kontakten zum expressionistischen Sturm, herausgegeben von Herwarth Walden, war er für die Zeitschrift Aktion tätig. Im Bereich der Malerei entstanden kubistische Werke wie Violoncello (1914). Seine erste Einzelausstellung konnte Richter in München in der Galerie Goltz veranstalten.

Von 1916 bis 1918 verschlug es Hans Richter nach Zürich. Er trat in Kontakt mit der dortigen Dada-Bewegung (Tristan Tzara, Hans Arp u. a.). In Zürich lernte Richter auch den acht Jahre älteren Viking Eggeling kennen, unter dessen Einfluss erste abstrakte „Rollen“-Bilder entstanden. Beide Künstler beschäftigten sich während dieser Phase mit der musikalischen Kontrapunktlehre von Ferruccio Busoni. Die Suche nach einer universellen künstlerischen Grammatik beschäftigte beide Künstler gleichermaßen. Der Austausch mit Eggeling erwies sich als produktiv. 1921 entstand in Klein Kölzig mit Rhythmus 21 Richters erster abstrakter Film. Allerdings ist die Datierung des Films umstritten, da auch der Titel erst nachträglich gewählt wurde.

Ab 1922 kam Richter erneut nach Berlin. In dieser Zeit schloss er sich der Gruppe De Stijl sowie den Konstruktivisten an. Kurze Zeit später (1923–1926) gab er mit Werner Graeff und Mies van der Rohe die Zeitschrift G heraus. In der Folgezeit entstanden einige innovative Filme. 1926 verwendete Richter in Filmstudie erstmals Bestandteile aus der gegenständlichen Welt, die er jedoch durch geschickte Montage zu abstrakten Stilelementen umfunktionierte. Im Zusammenhang der internationalen Ausstellung des Deutschen Werkbunds, Film und Foto, veröffentlichte Richter sein Buch Filmgegner von heute – Filmfreunde von morgen. Es erschien zu Beginn der Ausstellung im Mai 1929 im Verbund mit Werner Graeffs Hier kommt der neue Fotograf! als Begleitpublikation.

Über die Niederlande und die Schweiz konnte Richter 1933 emigrieren. 1937 wurden in der Nazi-Aktion „Entartete Kunst“ aus dem Provinzial-Museum Hannover sein Tempera-Bild „Farbenanordnung“ (47,5 × 60 cm, 1923) und aus dem Museum Folkwang Essen sein Farbholzschnitt „Tänzerin“ beschlagnahmt und zerstört.[1]

1940 glückte ihm die Auswanderung in die Vereinigten Staaten. Dort angekommen, gelang es ihm im Jahre 1941 eine Lehrtätigkeit am College of the City of New York zu bekommen, er übernahm die Leitung des Filminstitutes. Noch 1944 begann er mit den Vorbereitungen zu seinem vielleicht berühmtesten Werk, Dreams That Money Can Buy[2], der Film wurde 1947 vollendet. Bei diesem Meisterwerk wirkten unter anderem Marcel Duchamp, Max Ernst, Fernand Léger und Man Ray mit. Ein weiterer bekannter Film entstand 1956 in Zusammenarbeit mit Jean Cocteau. In 8x8 verarbeitete Richter filmisch acht Schachpartien, wieder stand ihm eine prominente Besetzung zur Seite: der auch als Schachspieler sehr erfolgreiche Künstler Marcel Duchamp (in der Rolle als weißer König), Hans Arp, Alexander Calder, Jean Cocteau, Max Ernst, Richard Huelsenbeck, J. Levi, J. Matisse, Dorothea Tanning und Yves Tanguy.

Die Malerei nahm Richter in den 1960er Jahren wieder auf, es entstanden Werke mit historischer Thematik. Seine kunstgeschichtlich wichtigen Erinnerungen an die Dada-Zeit formulierte Richter in dem Werk Dada-Kunst und Antikunst: Der Beitrag Dadas zur Kunst des 20. Jahrhunderts im Jahre 1964. 1971 erhielt er ein Filmband in Gold für sein langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film. 1973 schrieb er Begegnungen, von Dada bis heute.

Neben Oskar Fischinger, Walter Ruttmann und dem Schweden Viking Eggeling zählt Hans Richter zu den bedeutendsten Vertretern des frühen abstrakten Films in Deutschland.

Richter war mit der Fotografin Meta Erna Niemeyer (Ré Soupault) verheiratet.

Werke

Filme

Publikationen

  • unter Mitarbeit von Werner Graeff: Filmgegner von heute – Filmfreunde von morgen. Hermann Reckendorf, Berlin 1929 (Nachdruck mit Vorwort von Hans Richter. (= Filmwissenschaftliche Studientexte. Bd. 2, ZDB-ID 2020529-6). Rohr, Zürich 1968).
  • Der Kampf um den Film. Für einen gesellschaftlich verantwortlichen Film. Herausgegeben von Jürgen Römhild. Hanser, München u. a. 1976, ISBN 3-446-12281-8 (1939 verfasst).
  • Köpfe und Hinterköpfe. Mit fünfundachtzig Photos. Die Arche, Zürich 1967. (Autobiographische Skizzen)

Literatur

  • Jürgen Claus: Der bildnerische Film: Von Richter bis Duchamp. In: Jürgen Claus: Kunst heute. Rowohlt, Reinbek 1965.
  • Karin Fest, Sabrina Rahman, Marie-Noëlle Yazdanpanah (Hrsg.): Mies van der Rohe, Richter, Graeff & Co. Alltag und Design in der Avantgardezeitschrift G. Turia + Kant, Wien/Berlin 2014, ISBN 978-3-85132-736-6.
  • Gisela Hoßmann: Hans Richter 1888–1976. Das bildnerische Werk. Köln 1985 (Köln, Universität, Dissertation, 1985).
  • Mark Purves, Rob McFarland: Hans Richter: Biography. In: Christoph Bareither et al. (Hrsg.): Hans Richters "Rhythmus 21": Schlüsselfilm der Moderne. Königshausen und Neumann, Würzburg 2012, ISBN 978-3-8260-4861-6.
  • Karl Riha, Waltraud Wende-Hohenberger (Hrsg.): Dada Zürich. Texte, Manifeste, Dokumente (= Universal-Bibliothek. Nr. 8650). Reclam, Stuttgart 1992, ISBN 3-15-008650-7.
  • Thomas Tode: Hans Richter – Regisseur, Maler, Filmtheoretiker. In: Hans-Michael Bock (Hrsg.): CineGraph. Lexikon zum deutschsprachigen Film. Lieferung 35. edition text + kritik, München 2001 (Loseblattausgabe).
  • Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 6: N – R. Mary Nolan – Meg Ryan. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 522.
  • Holger Wilmesmeier: Richter, Hans Siegfried. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 21, Duncker & Humblot, Berlin 2003, ISBN 3-428-11202-4, S. 529 f. (Digitalisat).
  • Heinrich Riggenbach: Hans Richter. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 4. Januar 2012.
  • Richter, Hans, in: Werner Röder; Herbert A. Strauss (Hrsg.): International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933-1945. Band 2,2. München : Saur, 1983, S. 966f.

Film

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Datenbank zum Beschlagnahmeinventar der Aktion "Entartete Kunst", Forschungsstelle "Entartete Kunst", FU Berlin
  2. siehe englische Wikipedia en:Dreams That Money Can Buy