Hashomer Hatzair

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Mitglieder des Hashomer Hatzair bei einer Kundgebung zum Ersten Mai 2009 in Jerusalem

Hashomer Hatzair (hebräisch הַשּׁוֹמֵר הַצָּעִיר ha-Šōmer ha-Zaʿīr, deutsch ‚der junge Wächter‘, Plural: ha-Schōmrīm ha-Zʿīrīm) ist eine internationale sozialistisch-zionistische Jugendorganisation, die die Pfadfindermethode nutzt.

Geschichte

Gruppe der Hashomer Hazair aus dem damals polnischen Slonim (1934)

Die Organisation wurde 1913/14 im österreich-ungarischen Galizien unter dem Namen Haschomer (Der Wächter) als Pfadfinderbewegung gegründet, die sich 1916 in Wien mit dem kulturell aktiven Studentenverband Zeire Zion (Die Jugend Zions) zusammenschloss. Die Wiener Gruppe der Organisation wurde stark von jüdischen Flüchtlingen aus dem Osten der Doppelmonarchie geprägt, öffnete sich aber auch den Einflüssen des Wandervogels und der deutschen Jugendbewegung. Die Organisation orientierte sich an den Gedanken Gustav Wynekens, Martin Bubers und Robert Baden-Powells.

Ab 1931 entstanden auch Gruppen in Deutschland mit regionalen Schwerpunkten in Köln und in Franken.

Ein Hauptziel der Organisation war die Alija nach Palästina und die Gründung von Kibbuzim. Die ersten Mitglieder erreichten bereits 1919 das spätere britische Mandatsgebiet. 1927 schlossen sich die vier von den Hashomer Hatzair gegründeten Kibbuzim zum Dachverband Kibbutz HaArtzi zusammen. Aus den in Palästina aktiven Gruppen der Hashomer Hatzair entstand 1936 die Sozialistische Liga, eine auch unter dem Namen Hashomer Hatzair agierende sozialistische Partei, die sich 1948 mit der Achdut haAwoda zur Mapam – Vereinigte Arbeiterpartei zusammenschloss.

Der Mitgliedsstand der Hashomer Hatzair erreichte gegen 1939 mit etwa 70.000 Mitgliedern weltweit seinen Höhepunkt, der Schwerpunkt lag in Osteuropa, insbesondere in Polen. Nach der deutschen Besetzung dieser Gebiete im Zuge des Zweiten Weltkriegs und dem Beginn des Holocausts wurden der Widerstand gegen den Nationalsozialismus und der Kampf gegen die Wehrmacht zu Kernaufgaben des Verbandes, die Hashomer Hatzair wurden zu einer Untergrundorganisation. Mordechaj Anielewicz, der Führer der Warschauer Gruppe, übernahm während des Aufstands im Warschauer Ghetto die Leitung der Jüdischen Kampforganisation. In Rumänien wurde die Führung der Hashomer Hatzair wegen antifaschistischer Aktivitäten hingerichtet. In Frankreich und Belgien waren Leopold Trepper, Sophia Poznanska und andere polnische Hashomer-Hatzair-Aktivisten Teil der Résistance.[1]

Nach dem Zweiten Weltkrieg schlossen sich viele Mitglieder der Haganah und der Palmach an, die Organisation beteiligte sich auch an der illegalen Einwanderung nach Palästina.

Heutige Situation

Blauhemd der Hashomer Hatzair

Die Hashomer Hatzair haben in Israel etwa 14.000 und außerhalb Israels etwa 4.500 Mitglieder. Seit einigen Jahren arbeitet die Organisation eng mit den Habonim Dror zusammen, dem Jugendverband der Kibbuzbewegung.

In den 85 Kibbuzim des dem Hashomer Hatzair nahestehenden Verbands Kibbutz HaArtzi lebten 1998, vor dem Zusammenschluss der Kibbuzbewegung, etwa 35.000 Menschen.

Hashomer Hatzair ist Mitglied des International Falcon Movement. Hashomer Hatzair verbindet eine enge Zusammenarbeit mit der Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken.[2][3] Jedes Jahr finden internationale Jugendbegegnungen mit Falken aus Deutschland statt.

Die deutsche Abteilung wurde 2012 nach über 70 Jahren neu gegründet; erster Vorsitzender war Ido Porat.[3] Der Erneuerungsprozess wurde von Micha Brumlik in einem Buch über die jüdischen Jugendbewegungen in Deutschland beschrieben.[4]

Inhalte

Leitlinie der Arbeit sind die Dibrot – die Zehn Gebote der Hashomer Hatzair. In ihrem Aufbau orientieren sie sich an den Pfadfindergesetzen, nehmen aber auch den Aufbau Israels und einer sozialistischen Gesellschaft in den Blick.

Die Arbeit des Verbandes kennt drei Schwerpunkte: Völkerfreundschaft, Pfadfinderschaft und Laizismus. Der Laizismus wird vor dem Hintergrund der Zugehörigkeit zum jüdischen Volk gesehen, religiöse Feiertage werden nicht als solche begriffen, sondern als Symbol für das Jüdischsein gefeiert.

Anders als in der Vergangenheit steht die Alija nach Israel heute nicht mehr in allen Gruppen im Zentrum der Arbeit. An ihre Stelle ist oft die Ermutigung zum Leben eines säkularen Judentums am aktuellen Wohnort getreten.

Die 10 Dibrot (עֲשֶׂרֶת הַדִּבְּרוֹת) lauten in der Fassung von 2008 wie folgt:[5]

  1. Der Schomer ist ein Mensch der Wahrheit und steht auf ihrer Wacht.
  2. Der Schomer ist ein integraler Teil des jüdischen Volkes und mit dem Staate Israel eng verbunden. Er/Sie ist seiner/ihrer Kultur verwurzelt und ein Chalutz1) unseres Judentums.
  3. Der Schomer findet Bedeutung in seiner/ihrer Beziehung zu Arbeit und kämpft für eine Welt, in der Arbeit eine produktive Ausdrucksform menschlicher Kreativität und Freiheit ist.
  4. Der Schomer ist politisch aktiv und ein Vorkämpfer im Streben nach Freiheit, Gleichberechtigung, Frieden und Solidarität.
  5. Der Schomer ist ein treuer und pflichtbewusster Chaver,2) der mit anderen zusammenarbeitet, für den Fortschritt der Gesellschaft kämpft und die schomrischen Werte vertritt.
  6. Der Schomer entwickelt aktiv und pflegt Beziehungen, welche bewusst, frei und ehrlich sind, sowohl innerhalb der Kwutza als auch in der gesamten schomrischen Gemeinschaft. Er/Sie übernimmt die Verantwortung, für seine/ihre Chaverim Sorge zu tragen.
  7. Der Schomer respektiert die Natur, sie ist ihm/ihr wichtig; er lernt sie kennen, lernt in ihr zu leben und handelt nachhaltig.
  8. Der Schomer ist mutig, unabhängig, denkt kritisch und handelt dementsprechend.
  9. Der Schomer stärkt seinen/ihren Charakter und strebt zu körperlicher, mentaler und spiritueller Ganzheit.
  10. Der Schomer ist von seiner/ihrer Vernunft geleitet und übernimmt volle Verantwortung für sein/ihr Handeln. Er/Sie setzt Dugma Ischit.3)
1) Pionier
2) Freund
3) ein persönliches Beispiel

Literatur

  • Jacob Snir: Haschomer Hazair: Von der Vision zur Realität. In: Doron Kiesel (Hrsg.): Die jüdische Jugendbewegung. Eine Geschichte von Aufbruch und Erneuerung. Hentrich & Hentrich, Leipzig 2021, ISBN 978-3-95565-467-2, S. 103–119.
  • Micha Brumlik: Hashomer Hatzair – reloaded? In: Doron Kiesel (Hrsg.): Die jüdische Jugendbewegung. Eine Geschichte von Aufbruch und Erneuerung. Hentrich & Hentrich, Leipzig 2021, ISBN 978-3-95565-467-2, S. 304–312.

Siehe auch

  • HaSchomer (paramilitärische Organisation in Palästina, 1909–1920)

Weblinks

Commons: Hashomer Hatzair – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Neri Livneh: A woman called Zosha. In: Haaretz. 24. April 2003, abgerufen am 14. Juli 2013.
  2. Karl Ludwig: Hashomer Hatzair Deutschland wieder erstanden. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Vorwärts. 3. August 2012, archiviert vom Original am 12. August 2012; abgerufen am 23. September 2013.
  3. a b Fünf Minuten mit Ido Porat. Jüdische Allgemeine, 2. August 2012, abgerufen am 14. Juli 2013.
  4. Die jüdische Jugendbewegung: Eine Geschichte von Aufbruch und Erneuerung. 1. Auflage. Verlag Hentrich & Hentrich, Leipzig 2021, ISBN 978-3-95565-467-2.
  5. Wer wir sind. Hashomer Hatzair Deutschland, 13. Mai 2012, archiviert vom Original am 4. Juli 2012; abgerufen am 14. Juli 2013.