Hauptschalter (Eisenbahn)

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Druckluftschalter mit Erdungsschalter für die auf dem Dach einer tschechischen Zweisystemlokomotive der Baureihe 362.

Ein Hauptschalter ist bei elektrischen Triebfahrzeugen ein Leistungsschalter, der die Traktions- und Hilfsbetriebekreise des Fahrzeugs mit dem Energieversorgungsnetz verbindet oder von diesem trennt.[1] Er befindet sich zwischen Stromabnehmer und der übrigen elektrischen Ausrüstung des Fahrzeugs. Bei Fahrzeugen, welche die Energie aus der Oberleitung beziehen, befindet sich der Hauptschalter meist auf dem Dach oder im Innern des Fahrzeugs, bei Fahrzeugen, welche die Energie aus einer Stromschiene beziehen, kann er auch unterflur angeordnet sein. Die Hauptschalter von Gleichstromfahrzeugen, werden meist als Schnellschalter bezeichnet. Mehrsystemfahrzeuge haben für die Wechselstromausrüstung und die Gleichstromausrüstung getrennte Hauptschalter. Bei älteren Triebfahrzeugen, insbesondere solchen mit kleiner und mittlerer Leistung, wurden teilweise anstelle eines Hauptschalters Haupt-, Hochspannungs- oder Dachsicherungen verbaut, weil der Platz für den Einbau eines Ölschalters nicht ausreichte. Mit der Einführung von Druckluftschaltern, die nur noch einen kleinen Bauraum beanspruchten, verschwand diese Praxis.[2]

Funktion

Neben dem Ein- und Ausschalten der Traktions- und Hilfsbetriebekreise kann der Hauptschalter das Fahrzeug bei der Auslösung einer Schutzeinrichtung selbsttätig ausschalten. Solche Schutzeinrichtungen sind vom Fahrzeugtyp abhängig. In der Regel sind mindestens eine Überstromschutzeinrichtung und ein Schutz gegen Überspannung und Unterspannung in der Energiezufuhr vorhanden.[1] Weitere Schutzeinrichtungen, die den Hauptschalter ausschalten können, sind der Buchholzschutz bei Wechselstromfahrzeugen, sowie die Erdschlusserfassung.[3] Der Hauptschalter kann auch durch die Sicherheitsfahrschaltung und durch Notschalter in den Führerständen abgeschaltet werden. Diese Schlagtaster bewirken je nach Ausführung gleichzeitig auch eine Schnellbremsung.

Bedienung

Der Hauptschalter wird immer erst eingeschaltet, wenn das Fahrzeug mit dem Stromabnehmer mit der Energiezufuhr verbunden ist. Umgekehrt muss der Hauptschalter vor dem Abziehen des Stromabnehmers von der Energiezufuhr geöffnet werden, damit beim Senken des Stromabnehmers kein Lichtbogen entsteht. Diese Abläufe sind in der Steuerung des Triebfahrzeugs vorgegeben. Bei den meisten Fahrzeugen kann mit einer Bedienhandlung der Stromabnehmer gehoben und der Hauptschalter geschlossen werden. Umgekehrt genügt eine Bedienhandlung um das Fahrzeug auszuschalten und von der Energieversorgung zu trennen. Akustisch ist das Betätigen des Hauptschalters hörbar: Es ist bei Druckluftschalter ein dumpfer Knall nach dem Heben bezeihnungsweise vor dem Senken des Stromabnehmers. Die Betätigung elektrisch angetriebener Schalter tönt eher wie ein Klacken.

Nicht durchgeschaltete Schutzstrecken und Systemtrennstellen dürfen nur mit ausgeschaltetem Hauptschalter befahren werden. Zur Ankündigung solcher Stellen gibt es spezielle Fahrleitungssignale. Diese zeigen dem Triebfahrzeugführer an, wo er den Hauptschalter ausschalten muss beziehungsweise wieder einschalten darf. Würde der Triebfahrzeugführer eine Schutzstrecke mit eingeschaltetem Hauptschalter befahren, kann es zu Lichtbogen kommen, welche Stromabnehmer und Oberleitung beschädigen können. Bei Bahnen mit vielen Schutzstrecken, im Besonderen Wechselstrombahnen, die mit 50 Hz oder 60 Hz Frequenz betrieben werden, ist das Befahren der Schutzstrecken automatisiert, sodass gesteuert über Magnete im Gleis die Hauptschalter bei Schutzstrecken selbsttätig öffnen und wieder schließen. Diese Funktion kann auch durch das European Train Control System (ETCS) übernommen werden.

Schweizer Schutzstreckensignale:
708: Vorsignal zum Ausschaltsignal
710: Ausschaltsignal
712: Einschaltsignal
709, 711, 713 sind Lichtsignale, die bei Schutzstrecken verwendet werden, die nur zeitweise vorhanden sind. Die Begriffe entsprechen den links davon dargestellten festen Signalen. Bei nicht vorhandener Schutzstrecke zeigen alle Lichtsignale der Schutzstrecke das Einschaltsignal 713.[4]

Bauart und Funktion

Der Hauptschalter muss als Leistungsschalter ausgeführt sein, weil er das Triebfahrzeug auch unter Volllast sicher von der Spannungsquelle, also der Oberleitung oder der Stromschiene zu trennen hat. Dies erfordert vor allem eine zuverlässige Funkenlöschung, um den entstehenden Lichtbogen zusammenbrechen zu lassen. Hauptschalter für die heute üblichen Bahnstromsysteme sind entweder für die Schaltung von Wechselstrom oder von Gleichstrom ausgelegt. Bei Wechselstrom müssen verhältnismäßig hohe Spannungen und geringe Ströme geschaltet werden. Außerdem weist Wechselstrom einen Nulldurchgang auf, wodurch sich der Lichtbogen leichter löschen lässt. Bei Gleichstrom hingegen werden in der Regel verhältnismäßig niedrige Spannungen und hohe Ströme geschaltet. Des Weiteren hat Gleichstrom keinen Nulldurchgang, weshalb der Lichtbogen nur sehr schwer zu löschen ist. Mehrsystemfahrzeuge haben je einen Hauptschalter für die Wechselstromausrüstung und die Gleichstromausrüstung, wobei bei Gleichstrombetrieb der Wechselstromschalter in geöffneter Stellung unter Spannung steht, was aber im umgekehrten Fall für den Gleichstromschalter nicht zutrifft, weil im Wechselstrombetrieb die ganze Gleichstromausrüstung, den Schnellschalter eingeschlossen, spannungslos geschaltet wird.

Hauptschalter für Wechselstromfahrzeuge

Bei Wechselstromfahrzeugen befindet sich der Hauptschalter auf dem Dach oder im Maschinenraum zwischen Oberspannungswandler und dem Transformator, wobei er oft auch die Funktion der Dachdurchführung übernimmt.

Ölschalter

Beim Ölschalter befinden sich die Kontakte in einem luftdichten Kessel, der mit Öl befüllt ist. Bei Betätigung des Ölschalters verdampft durch den Lichtbogen ein Teil des Öles, wodurch der Lichtbogen gelöscht wird. Bei Ölschaltern wird die Hochspannung in der Regel gleichzeitig an mehreren Stellen unterbrochen. Der Ölschalter wird mithilfe eines Druckluftantriebs eingeschaltet und über eine Klinke gegen Federdruck festgehalten. Das Ausschalten erfolgt durch lösen der Klinke, wodurch die Kontakte durch die Federkraft getrennt werden. Da bei dieser Bauart die Gefahr besteht, dass der Hauptschalter explodiert, wurden diese immer auf dem Dach des Triebfahrzeugs angeordnet. Weitere Nachteile sind ihr großer Platzbedarf, die beschränkte Schaltleistung, sowie das hohe Gewicht. Ölschalter wurden bis in die 1930er Jahre oft benutzt und sind heute veraltet.[3][5]

Expansionsschalter

Expansionsschalter sind Einkontakt-Stiftschalter. Der Schaltvorgang findet in der Expansions- bzw. Dampfkammer statt. Diese ist im unteren Teil mit einem wasserhaltigen Löschmittel gefüllt, welches teilweise beim Ausschalten verdampft, was wiederum den Lichtbogen löscht. Expansionsschalter werden durch einen Druckluftantrieb oder per Hand eingeschaltet. Ausgeschaltet werden sie durch Federkraft. Sie wurden bis Mitte der 1940er Jahre bei Neufahrzeugen eingesetzt.[3][5]

Druckluftschalter

Mit steigenden Leistung der Triebfahrzeuge gerieten die vorgenannten Bauarten an ihre Grenzen. Dies führte zur Entwicklung von Druckluftschaltern, welche nicht nur pneumatisch betrieben, sondern auch der entstehende Lichtbogen mit Druckluft weggeblasen wird.[3][5]

Vakuumschalter

Bei modernen Triebfahrzeugen werden häufig Vakuumschalter verwendet. Sie bestehen aus einer Schaltkammer, in der ein Druck von etwa 10−5 Pa herrscht, in der sich zwei zylindrische Druckkontakte befinden. Ein Druckkontakt ist dabei gegenüber dem anderen Druckkontakt verschiebbar. Mithilfe eines Kniehebels wird der verschiebbare Druckkontakt an den festen Druckkontakt gepresst und im eingeschalteten Zustand verriegelt. Der Antrieb des Schalters erfolgt pneumatisch oder elektrisch. Durch das Vakuum in der Schaltkammer wird die Schaltstrecke wesentlich verkürzt, weil weniger ionisierbare Teile vorhanden sind. Beim Öffnen des Schalters wird der Lichtbogen beim Nulldurchgang des Stroms gelöscht.[3]

Literatur

  • Éric Fontanel, Reinhard Christeller (Hrsg.): Rolling Stock in the railway system. Edition 2020 Auflage. Band 3. PMC, Leverkusen 2020, OCLC 1246736405, 8.1.7.11 Protection components – circuit breakers, S. 153–163.

Einzelnachweise

  1. a b Éric Fontanel, Reinhard Christeller, S. 153
  2. Karl Sachs: Elektrische Triebfahrzeuge. Hrsg.: Schweizerischer Elektrotechnischer Verein. 2. Auflage. Band 2. Springer, Wien 1973, ISBN 3-211-81072-2, 3.114.2 Hochspannungssicherungen, S. 351–352.
  3. a b c d e Helmut Bendel: Die elektrische Lokomotive: Aufbau, Funktion, neue Technik. 2., bearb. und erg. Auflage. Transpress, Berlin 1994, ISBN 3-344-70844-9.
  4. Bundesamts für Verkehr (Hrsg.): Schweizerische Fahrdienstvorschriften (FDV). 1. Juli 2015, 7.1.3 Signale für Schutzstrecken, S. 148–149.
  5. a b c GDL (Hrsg.): Handbuch der elektrischen Triebfahrzeuge der Deutschen Bundesbahn. 1. Auflage. Vermögensverwaltung der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer und Anwärter GmbH, Frankfurt am Main 1959.